piwik no script img

Vorschriften zur ökologischen TierhaltungTierschützer wollen härtere Bio-Regeln

Die EU soll vorschreiben, wie gesund Ökovieh sein muss, fordert der Tierschutzbund. Bislang sind viele Ökotiere so krank wie konventionell gehaltene.

Junge Kühe: Erkältungswetter im Allgäu Foto: dpa

Berlin taz | Deutschlands größte Tierschutzorganisation fordert strengere Vorschriften für die Haltung von Biovieh. „Wir brauchen tierbezogene Kriterien“, sagte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbunds, der taz. Indikatoren wie das Auftreten von Verletzungen, das Gangbild oder der Anteil an Lahmheiten ließen Rückschlüsse auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere zu. Dafür müsse es Grenzwerte geben.

Die EU-Institutionen verhandeln seit Jahren über einen Entwurf der Europäischen Kommission für eine Reform der Ökoverordnung. Weil die EU-Institutionen sich auch nach so langer Zeit nicht einigen konnten, haben sie die Gespräche am 7. Dezember des vergangenen Jahres auf unbestimmte Zeit vertagt. Jetzt beraten alle Seiten erneut, welche Forderungen sie noch durchsetzen können. Für den Tierschutzbund ist das eine Gelegenheit, für seine Position zu werben.

Verbandschef Schröder lobt zwar, dass die Biovorgaben etwa für mehr Platz im Stall besser seien als die Vorgaben der konventionellen Tierhaltung. Das reiche aber nicht aus, weil nicht erfasst werde, „ob es den Tieren in dieser Haltung dann auch tatsächlich gut geht“. Hintergrund für diese Herangehensweise sind Studien, wonach etwa die durchschnittliche Biokuh nicht gesünder als ihre Artgenossen auf herkömmlichen Höfen ist.

Deshalb muss eine reformierte Ökoverordnung die Biobranche dem Tierschützer zufolge auch zu „Grenzwerten für Mast-, Milch- beziehungsweise Legeleistung der Tiere“ verpflichten, „da eine züchterisch stark erhöhte Leistung gesundheitliche Probleme nach sich zieht“. Schröder unterstützte einen Kompromissvorschlag in den EU-Verhandlungen, der solche Grenzwerte vorsieht.

Gravierende Probleme bei Schlachtung und Transport

Der Tierschutzbund vermisst jedoch immer noch ausreichende Vorgaben, die dem Vieh es ermöglichen würden, seine natürlichen Verhaltensweisen auszuleben. Als Beispiel nannte Schröder „angemessenen Sozialkontakt“ der Tiere. „Ebenso fehlen Vorgaben zu Strukturelementen, Beschäftigungsmaterial, artgerechter Bodenbeschaffenheit und angemessenen Gruppengrößen.“

Insbesondere die nach wie vor erlaubte Anbindehaltung von Rindern in Kleinbetrieben ist nach Ansicht Schröders nicht mit dem Biogedanken vereinbar. Dabei dürfen die Tiere beispielsweise mit einer Kette an einer Stelle im Stall fixiert werden, wenn sie im Sommer auf die Weide und im Winter an mindestens zwei Tagen pro Woche für eine Stunde in den Auslauf gehen können.

„Auch genaue Vorgaben zu Schlachtung und Transport fehlen“, kritisiert Schröder. Gerade dort gebe es aber gravierende Probleme. „Wir fordern daher spezifische Vorgaben, ähnlich wie wir sie auch bei unserem Tierschutzlabel ‚Für Mehr Tierschutz‘ eingeführt haben.“ Dieses Siegel schreibt zum Beispiel vor, dass Mastschweine in der Regel höchstens vier Stunden transportiert werden dürfen. Die derzeitige Ökoverordnung nennt keine konkrete Dauer für den Transport des Schlachtviehs.

Obergrenzen für die Zahl der Tiere in einem Betrieb hält der Verband vor allem aus ökologischen Gründen für sinnvoll. Wenn die Tierhaltung an die Flächengröße des jeweiligen Hofs, der die Tiere hält, gebunden wäre, würde diese Vorgabe den Nährstoffeintrag in die Umwelt durch Gülle verringern. Für Schröder gilt dennoch: „Für den Tierschutz sind aber Management und Haltungsbedingungen entscheidender.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Unser Bio- Kontrollverein achtet explizit auf den Gesundheitsstatus der einzelnen Tiere und dokumentiert diese auch. Es steht doch schon alles drin, in der Verordnung, wozu jetzt dieser Unsinn von neuen Richtlinien. Hier verliert sich jedes Augenmaß im Dschungel des Überflüssigen. Geht es hier um angewandten Tierschutz oder öffentliche Profilierung?

    • @Jandebuur:

      aber Biobetriebe dürfen tragende Tiere schlachten und alle Kälber in die konv. Massentierhaltung verkaufen. Beides zu verhindern, wäre angewandter Tierschutz, wie ihn Kunden von Biobetrieben erwarten

  • "Bislang sind viele Biokühe genauso krank wie konventionell gehaltene" titelt man das Posting und bleibt eine konkrete Antwort schuldig! Was sind "Viele"? Wo liegen denn konkret die Unterschiede? Wo gibt es keine?

     

    Im Artikel geht es also um den Tierschutzbund. Komischerweise bleibt unerwähnt, daß dieser gerade eben sein (bisher völlig unbeachtetes Tierschutzlabel) auch auf Milchkühe ausgeweitet hat. Wäre ja jetzt böse zu denken, da stören die Siegel der Bioverbände als Konkurrent schon ein wenig und man gibt denen mal ein "ungenügend" mit. Daß beim Tierschutz-Einstieg noch nicht einmal Weidegang verbindlich ist, wie es alle Bioverbände vorschreiben, wird gern verschwiegen.

     

    Mal ehrlich, warum kümmert sich der Tierschutzbund nicht um Tierheime, Pelztiere und darum, daß seine zahlreichen Mitglieder ihre Katzen und Hunde artgerecht halten? Die sollen sich bitte bei Nutztieren raushalten, wenn sie wenig Ahnung haben. Da gibt es Kompetentere wie z.B. ProVieh, von denen noch keine dieser meist unausgereiften Vorschläge kamen, was Bio noch alles vorschreiben solle.

     

    Letztlich macht der Tierschutzbund sich mit dem Biobashing von Foodwatch gemein. Die berufen sich auf ein Buch von M. Wolfschmidt, der angeblich behauptet, alle Nutztiere seien krank und es gäbe kein Unterschied zu Bio.

     

    Genau das tut er nicht! Einizge Quelle in seinem Buch ist die auch von der TAZ angegebene Studie impro-Diary an der Prof. Sundrum maßgeblich beteiligt ist. Hat die TAZ diese Studie gelesen? Vermutlich nicht! Denn die ist m.W. noch nicht einmal veröffentlicht! Diese "Studie" betrachtet ganze 50!!! Biobetriebe in Deutschland und kommt dann zu Ergebnissen, die allen bisherigen Annahmen komplett widersprechen. Wenn z.B. die Daten der Milchleistungsprüfung für Bayern allen 3200 Biobetrieben attestieren, daß Biokühe länger leben muss doch die Frage sein: wie kommt das, wenn Krankheit die Hauptabgangsursache ist? Da sind doch viele Fragen offen, denen die TAZ nachgehen könnte.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Andreas Fendt:

      Auch Prof. Knierim sagt:

      "Die meisten Biotiere sind nicht gesünder."

      Quelle: http://www.taz.de/!5295657/

       

      Es gibt auch zahlreiche Studien zu einzelnen Tierarten, die ähnliche Ergebnisse lieferten.

       

      Aber: Ausnahmen bestätigen die Regel. Vielleicht ist Herr Fendts Betrieb so eine. Aber man sollte nicht von sicher selbst auf andere schließen.

  • Teil 2

     

    Die Bioverordnung braucht mit Sicherheit neue Elemente, welche das Tierwohl und auch Tiergesundheit stärker berücksichtigen Jedoch darf das nicht allein aus Verbraucherschutzperspektive a la Foodwatch geschehen. Deren Vorschlag die Zellzahlen bei Milch zu reduzieren führt dazu, daß weniger Tiere auf die Weide dürfen und die Tiere noch jünger wie bisher geschlachtet werden. Alte Milchkühe, denen man auch mal eine lange Pause zwischen 2 Kälbern gönnt, wären dann tabu, da die Zellzahl bei alten Kühen und langem melken ansteigt.

     

    Sicher hat ein Weideschwein, ebenso wie das Wildschwein mehr Endoparasiten (Würmer) wie das Tier das im Stall auf Betonspalten eingesperrt ist. Aber ist das ein Kriterium für Tierwohl?

     

    Bio in Sachen Tierwohl zu verbessern, ginge zum Teil wesentlich einfacher: Verbot von Kükenschreddern bei Bio (wie in Österreich) oder das Verbot trächtige Tiere zu schlachten. Aberkennung wenn gewisse Daten, wie z.B. die Kälbersterblichkeit, dauerhaft im inaktzeptablen Bereich liegen. Oder auch ein Mindestgehalt von Omega-3-FS in der Milch als Indikator für Weidegang und nicht zuviel Kraftfutter in der Ration usw.

     

    Und bevor man sich auf die Bio Kleinbetriebe stürzt, die Kühe anbinden, sie aber regelmässig raus lassen und im Sommer Weide haben, sollte man da nicht erwähnen, daß es immer noch eine grosse Zahl konventioneller Betriebe gibt, die ihre Tiere legal ganzjährig anbinden, ohne Begrenzung der Tierzahl, ohne Auslauf, ohne Weide!

    • @Andreas Fendt:

      Herr Fendt,

       

      Sie kennen das Krankheitsbild eines von Würmern (Spulwürmern) befallenen Schweines: Fieber, Schüttelfrost, Leber-- und Lungenentzündung, Atemnot ....? Da ist eine Stallhaltung deutlich tierfreundlicher.

    • @Andreas Fendt:

      Vielen Dank für diese wertvollen und aufschlussreichen Kommentare Herr Fendt!