Vorratsdatenspeicherung in Deutschland: Es gibt keine Eile, aber
Obwohl sie nicht verpflichtet ist, soll sich die Regierung auf eine Einführung der Massenspeicherung von Telefon- und Internetdaten geeinigt haben.
BERLIN taz | Die Bundesregierung will die Vorratsdatenspeicherung auch ohne EU-Vorgaben einführen. Das meldete der Spiegel am Wochenende. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) müssten sich nur noch über die Einzelheiten einer deutschen Regelung einigen.
Die beteiligten Ministerien wollten die teilweise Einigung auf Nachfrage weder bestätigen noch dementieren. „Wir haben bisher Gespräche geführt und führen auch weiterhin Gespräche“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Am späten Nachmittag dementierte Maas in der Süddeutschen Zeitung die angeblichen Pläne für einen Alleingang der Bundesregierung: es gäbe „nichts Neues“, so der Bundesjustizminister.
Johannes Fechner, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, zeigte sich überrascht. „Eigentlich hatten die Koalitionsfraktionen vereinbart, zunächst das weitere Vorgehen der EU-Kommission abzuwarten.“ Derzeit führe die EU-Kommission eine Umfrage unter den EU-Mitgliedstaaten durch, ob eine neue Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung erwünscht ist, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) im April 2014 die bisherige Richtlinie für rechtswidrig erklärt hatte. Die EU-Regierungen sollten auch mitteilen, wie eine neue Richtlinie aussehen könnte. „Mit Ergebnissen ist in den nächsten Wochen oder Monaten zu rechnen“, so Fechners Erwartung.
„Sollte die Koalition eine Vorratsdatenspeicherung ohne EU-Vorgabe einführen wollen, wäre das nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt“, sagt Fechner. „Dann müsste zumindest der SPD-Parteikonvent im Juni darüber beraten.“ Eine so grundlegende Frage könne nicht ohne Rückkoppelung mit der Partei entschieden werden.
Eine erste Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung hatte die EU 2006 beschlossen. Danach mussten die EU-Staaten sicherstellen, dass Telefonverbindungs- und -standortdaten mindestens ein halbes Jahr bei den Providern gespeichert werden. Das Gleiche gilt für die Internet- und E-Mail-Verbindungsdaten, insbesondere die zugeteilte IP-Adresse. In Deutschland wurde die Vorratsspeicherung 2008 eingeführt. 2010 forderte das Bundesverfassungsgericht jedoch ein Gesetz mit mehr Datenschutz. Anschließend blockierte die damalige FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger eine Wiedereinführung.
Im schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2013 heißt es, man werde die EU-Richtlinie umsetzen, um Zwangsgelder zu vermeiden. Dann aber kippte der EuGH im April 2014 aufgrund von Klagen aus Irland und Österreich die EU-Richtlinie. Sie greife zu sehr in die EU-Grundrechte auf Privatheit und Datenschutz ein. Seither besteht keine Pflicht mehr zur Einführung.
Zunächst sah es so aus, als ob in dieser Wahlperiode nichts mehr passieren würde. Selbst wenn die EU-Kommission sich dazu entschließt, einen neuen Vorschlag vorzulegen, dürfte es zwei bis drei Jahre dauern, bis er von EU-Ministerrat und Europäischem Parlament beschlossen ist. Falls sich die Bundesregierung wirklich darauf geeinigt hat, nicht auf die EU zu warten, wäre das eine völlig neue Lage.
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