Vorhautverengung und Impotenz: „Wir müssen hoch potent sein“
Nicht alle Männer können immer. Aber das Bild vom stets geilen, stets willigen Mann macht es Betroffenen schwer, darüber zu sprechen.
„Ich habe mich vor mir geekelt“
Vor ein paar Jahren hatte ich einmal Sex mit einer Kommilitonin, und hatte dabei Erektionsstörungen. Später hat sie das gegen mich verwendet, sich lustig gemacht. Irgendwann hat sie es sogar einem Kommilitonen erzählt. Die zwei waren an der Uni die, die mir am nächsten standen. Meine Erektionsstörungen wurden plötzlich zum Thema in unseren Gruppenchats. Gemeinsam haben sie sich lustig darüber gemacht. Ich wurde von ihnen gemobbt.
Dieses Ereignis hat mich etwas traumatisiert. Ich konnte mich bis vor kurzem nicht auf ernste Beziehungen einlassen. Zum einen hat das zu Selbstvertrauensproblemen geführt, zum anderen habe ich mich von mir geekelt. Ich habe Zweifel an mir gehabt, weil mein Körper nicht in der Lage war, etwas so Natürliches zu tun, wie sich fortzupflanzen. Auch mein Sexualtrieb war davon beeinflusst, ich hatte keine Lust mehr. Es gibt auch ohne solche Erfahrungen genug Druck auf Männer: Wir müssen hoch potent sein. Wenn dann eine persönliche Betroffenheit dazu kommt, wird das ziemlich belastend.
Über Erektionsstörungen kann ich mit guten Freunden reden. Und es hilft zu merken, dass man nicht alleine ist, dass so was häufiger vorkommt als man denkt. Aber dass ich aufgrund einer Erektionsstörung gemobbt wurde, habe ich bisher niemandem erzählen können. Ich habe es einfach verdrängt, und wollte es so weit wie möglich hinter mir lassen. Und wenn ich irgendwann mal darüber rede, möchte ich das komplett verarbeitet haben, falls Reaktionen darauf kommen, die unangenehm werden könnten.
Ein großer Schritt zur Verarbeitung war für mich die Musik. Ich mache Rap, und in vielen meiner Tracks geht es darum. Schweigen hilft nicht, das frisst sich in einen rein.Philipp, 21, Student und Rapper aus Köln
„Sie ist für den steifen Penis da“
Sexuelle Ängste hat, glaube ich, fast jeder Mann, auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen. Viele Männer geben immer damit an, wie gut sie im Bett sind, wie häufig und lange sie es können. Meistens ist das gelogen.
Ich hatte vor acht Jahren eine Operation, wegen Krebs wurde mir ein Hoden wegoperiert. Seitdem ist Sex für mich nicht mehr wie vorher. Ich habe zwar nicht ständig Angst, dass es mit der Erektion nicht funktionieren könnte – manchmal funktioniert es trotzdem nicht, besonders bei One-Night-Stands. Eigentlich laufen die fast immer schlecht. Mit den Partnerinnen, die ich kenne und zu denen ich einen persönlichen Bezug habe, geht es besser. Vertrauen ist da wichtig.
Nach meiner OP habe ich zwei Jahre keine feste Partnerin gehabt, sondern habe häufig die Partnerin gewechselt. Unter anderem schlief ich mit einer Frau, mit der ich in der Vergangenheit eine Beziehung gehabt hatte. Nach der OP hatte ich selbst bei ihr Erektionsprobleme. Aber wir kannten uns lange, und sie war immer verständnisvoll, daher habe ich mich nicht so schlecht gefühlt.
Vor dem Sex bin ich in der Regel mit den Gedanken beschäftigt, dass es auch diesmal nicht funktionieren könnte, und stelle mir vor, wie ich es vorbeugen kann. Der Penis ist ja kein Zauberstab, geht nicht hoch und runter wie man will. Ich versuche mich besonders zu konzentrieren und bei der Sache zu bleiben. Wenn ich keine Erektion kriege, breche ich einfach ab.
Das Problem ist, viel mehr als den konventionellen Sex, wo der Penis in die Vagina eindringt, kann man mit fremden Menschen nicht machen. Wenn du deine feste Partnerin im Bett hast, dann okay. Aber eine fremde Frau kommt sicher nicht dafür vorbei, sich fingern oder die Muschi lecken zu lassen. Sie ist für den steifen Penis da.
Ringo, 32, Freiberufler aus Gelsenkirchen
„Impotenz ist ein Tabu“
Meine Impotenz hat mich im Leben immer bestimmt. Das, und das Gefühl, die erwartete Leistung nicht bringen zu können.
Ich war schon immer schüchtern, die Impotenz hat meine Schüchternheit aber verstärkt. In manchen Situationen steht man im Konkurrenz zu anderen Männern, die aggressiv sind oder ein ausgeprägteres Jagdverhalten haben. Diese Männer werden mehr wahrgenommen, dadurch gewöhnen sich die Frauen an sie und ihre Verhaltensweisen. Ist auch kein Wunder. Sie gewöhnen sich daran, dass Männer ihr Interesse offensiv zeigen. Wenn ein normales Gespräch geführt wird, das nicht so offensiv ist, kann das als Desinteresse missverstanden werden.
Friedrich, 24, Student
Einmal habe ich eine Frau kennengelernt, die wollte, dass es unbedingt zum Vögeln kommt. Ich habe ihr allerdings schon vorher gesagt, dass es bei mir nicht unbedingt so einfach ist. Sie bestand darauf. Und als das nicht funktioniert hat, hat sie ihre Enttäuschung ausgedrückt. Das hat mich ziemlich verletzt.
Die Angst zu versagen hat mich beeinträchtigt. Aber die Entwicklung der Medikamente gegen Erektionsstörungen hat meinem Selbstbewusstsein einen Schub gegeben. Leider werden über diese Medikamente so viele Witze darüber gemacht. Ich könnte da echt kotzen. Ich wünsche mir schon lange, das Thema an die Öffentlichkeit zu bringen und dazu zu stehen. Aber ich habe mich nie getraut zu sagen: „Ich bin impotent, und diese Medikamente helfen mir.“ Ohne sie könnte ich niemals vögeln, und ich hätte auch keine Kinder. Obwohl es dringend nötig wäre, konnte ich es bisher nicht mal im Freundeskreis öffentlich machen.
Über Impotenz zu reden ist ein Tabu, und das muss enttabuisiert werden. Es wird zu wenig darüber geredet. Wenn irgendwann ein paar Promis mit ihrer Impotenz nach vorne träten, würde das zur Enttabuisierung beitragen. Sowie bei der ganzen Identitäts- und Geschlechterfragen.
Marek, 50, Programmierer aus Hannover
„Penetration kann schmerzhaft sein“
Die Vorstellung, dass Männer ständig Sex haben wollen, führte für mich schon zu Problemen. Wenn ein Mann keinen Sex haben möchte, wird das sogar manchmal gegen ihn verwendet, weil die Frau davon ausgehen könnte, dass der Mann sein Bedürfnis schon mit irgendwem anderen gestillt hat.
Irgendwann hatte meine Freundin Lust auf Sex und ich nicht. Aus verschiedenen Gründen lief das innerhalb der Beziehung nicht so rund. Als ich ihr sagte, dass ich da gerade keine Lust darauf habe, hat das bei ihr zu Eifersucht geführt. Sie hat Sachen gesagt wie „Männer wollen doch immer, aber mit mir willst du nicht. Du hast doch bestimmt was mit einer anderen gehabt.“ Das stimmte aber nicht.
Dazu kommt, dass ich eine Vorhautverengung habe. Manchmal kann es unangenehm werden. Die Penetration kann für mich schmerzhaft sein. Ich habe zwar nicht viele Partnerinnen gehabt, aber die, die ich bisher hatte, waren sehr verständnisvoll. Das muss offen kommuniziert werden, was aber schwierig ist. Das kann ich nur, wenn ich die Frau schon etwas länger kenne. Wenn ich Single bin, mache ich mir Sorgen, auf Frauen zuzugehen, weil man sich immer neu erklären muss.
Wenn ich eine Frau aufgrund meiner Vorhautverengung nicht zum Höhepunkt bringen kann, ärgere ich mich, auch wenn die Frau total verständnisvoll ist. Ich habe das Gefühl, meine Leistung als Mann nicht erbracht zu haben.
Ich habe noch nie mit jemandem darüber geredet, weil ich nicht unbedingt Menschen um mich herum habe, denen man so etwas anvertrauen kann. Ich würde gerne darüber sprechen, wenn ich wüsste, dass ich nicht lächerlich gemacht werde. Männer können immer über die Sexualität reden, aber nur wenn es etwas Prahlerisches hat. Nicht wenn man eine Schwäche zugibt. Das liegt an den Geschlechterrollen: Der Mann bringt die Leistung, und die Frau ist die Trophäe.
Friedrich, 24, Student aus Kassel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga