Vorfall zwischen USA und Russland: Keiner will’s gewesen sein
Eine US-Drohne und ein russischer Kampfjet sind über dem Schwarzen Meer zusammengestoßen. Wie kam es dazu? Beide machen sich gegenseitig Vorwürfe.
Offen ist, ob die Kollision im internationalen Luftraum geschah oder nicht. Das US-Kommando Useucom, das für die US-Militäroperationen in ganz Europa verantwortlich ist, meldete den Zusammenstoß erst am Dienstagabend Mitteleuropäischer Zeit. Dazu, wie es zu dem Zwischenfall kam, machen die USA und Russland gegensätzliche Angaben.
Nach US-amerikanischer Darstellung haben zwei russische Kampfjets vom Typ Suchoi Su-27 die über internationalen Gewässern operierende Überwachungsdrohne über einen Zeitraum von 30 bis 40 Minuten mehrfach bedrängt, dann oberhalb der Drohne Treibstoff abgelassen. Schließlich habe der Flügel eines der Jets den Propeller der Drohne gestreift, so dass sie nicht mehr flugfähig war und von der Bodensteuerung aus zum kontrollierten Absturz gebracht wurde. „Einige Male haben die Su-27 Treibstoff auf die Drohne gelassen und flogen in rücksichtsloser, umweltgefährdender und unprofessioneller Weise vor ihr“, erklärte das Useucom. „Der Vorfall zeigt einen Mangel an Kompetenz“, heißt es weiter.
US-Sprecher John Kirby wies darauf hin, es habe in den letzten Wochen mehrere ähnliche Zwischenfälle mit russischen Kampfflugzeugen gegeben, die aber ohne Folgen blieben. Das Besondere diesmal sei, wie „unsicher und unprofessionell das war“. Aus dem US-Außenministerium verlautete, der russische Botschafter in den USA sei gleich am Dienstag einbestellt worden, um sich bei ihm offiziell über den „unsicheren und unprofessionellen“ Einsatz und die „krasse Verletzung internationalen Rechts“ zu beschweren.
USA lässt sich davon nicht abhalten
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte, die USA würden sich nicht davon abhalten lassen, weiterhin überall dort zu operieren, wo es das internationale Recht zulasse. Es liege an Russland, seine Militärflugzeuge sicher und professionell zu handhaben.
Laut Russlands staatsnahen Medien bezeichnete der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, den Vorfall als Provokation und versicherte, keine Konfrontation mit den USA zu suchen. US-Flugzeuge und -Schiffe hätten „in der Nähe der Grenzen der Russischen Föderation nichts zu suchen“, betonte er. Der russische Diplomat wirft Washington ebenfalls vor, Daten mit US-Drohnen in der Region zu sammeln, um der Ukraine später für Angriffe auf Russland zu helfen. Am Mittwoch sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, dass es keine hochrangigen Kontakte im Zusammenhang mit dem Vorfall momentan gäbe.
Die gestrandete Drohne kennt man auch als „Schnitter“, „Mähmaschine“ oder Predator B, weil sie auf der MQ-1 Predator basiert. Unter anderem wurde sie von den US-Streitkräften und der Royal Air Force in Afghanistan eingesetzt. Sie ist circa 11 Meter lang und kann eine Höchstgeschwindigkeit von 482 Kilometern pro Stunde erreichen.
Deutschland warnt vor voreiligen Schlüssen
Der Kampfjet Suchoi Su-27, der sogenannte Flanker, ist ein noch in der Sowjetunion entwickelter Luftüberlegenheitsjäger und das wichtigste Jagdflugzeug der russischen Luftstreitkräfte. Als Entsprechung des US-amerikanischen F-15 Eagle wurde die Su-27 entwickelt. Der Kampfjet ist circa 22 Meter lang und kann eine Höchstgeschwindigkeit von 2.496 Kilometern pro Stunde (auf 10.975 Meter Flughöhe) erreichen.
Während Washington und Moskau ihre Sicht darstellten, warnte der deutsche Bundespräsident vor voreiligen Schlüssen. „Wir wissen gegenwärtig noch nicht, ob es eine eher unbeabsichtigte Begegnung von Drohne und Flugzeug oder ob es ein absichtsvoll gehandelter Vorgang war“, sagte Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch bei einem Besuch auf der Luftwaffenbasis Ämari in Estland. An der Nato-Ostflanke ist die Sorge besonders groß, nächstes Opfer einer russischen Aggression zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!