Vor den Wahlen in Australien: Down Under vor Machtwechsel
In Australien hat die Labor-Opposition gute Chancen, die Parlamentswahlen am Wochenende zu gewinnen. Das liegt vor allem am unbeliebten Premier.
Laut Umfragen wird die seit 2013 regierende konservative Koalition aus Liberaler und Nationaler Partei unter dem 54-jährigen Morrison die Wahlen am Samstag verlieren. Wer regieren will, muss 76 der 150 Unterhaussitze kontrollieren. Doch ob die von Anthony Albanese geführte Labor Party die absolute Mehrheit erreicht, ist unklar. Bis zu 15 Unabhängige kandieren jetzt. Werden nur zwei oder drei von ihnen gewählt, muss die siegreiche Großpartei mit ihnen über eine Koalition verhandeln.
Es ist kein Zufall, dass fast alle Unabhängigen Frauen sind, sagen Beobachter. Laut Umfragen hat Morrison vor allem bei Frauen kaum Rückhalt. Eine Serie von Sexskandalen – von einer Vergewaltigung im Parlamentsgebäude durch einen jungen Regierungsmitarbeiter über vermeintliche Eskapaden durch Politiker im Andachtsraum bis hin zum Missbrauch einer Untergebenen durch einen Minister – scheint das Vertrauen von Frauen in die Regierung erodiert zu haben.
Der nach eigenen Angaben streng religiöse Morrison tönte zu diesen und anderen Fällen frauenfeindlich und paternalistisch. Auch wurde bisher keiner der mutmaßlichen Täter zur Verantwortung gezogen. Ergebnisse einer internen Untersuchung bleiben geheim. Der beschuldigte Minister bezieht weiter sein Gehalt, während die betroffene Frau mit Geld zum Schweigen verpflichtet wurde.
Der Fokus auf die Person Morrison hat dazu geführt, dass einige konservative Kandidaten im Wahlkampf vermeiden, mit ihm in Verbindung gebracht zu werden. „Er ist schon lange zu einer Hypothek für die Partei geworden“, meint eine Kolumnistin. Dies führt auch dazu, dass Sachthemen wie die eskalierenden Lebenshaltungskosten zu kurz kommen. Die Inflationsrate von 5,1 Prozent, die höchste in 20 Jahren, veranlasste die Notenbank jüngst, den Zinssatz erstmals in zehn Jahren wieder zu erhöhen. Analysten erwarten weitere Erhöhung im Juni und einen weiteren Anstieg bis Jahresende auf 2,5 Prozent.
Labor will mehr für Umwelt- und Klimaschutz tun
Für viele Familien bedeutet die Inflation eine starke Belastung ihres ohnehin schon strapazierten Budgets: Australiens Haushalte gehören zu den am stärksten verschuldeten der Welt. Ein Hauptgrund dafür sind die in den letzten Jahren drastisch gestiegenen Immobilienpreise. Selbst in einst günstigen Vororten ist kein Haus mehr unter umgerechnet einer Million Euro zu bekommen. Zugleich stagnieren die Gehälter.
So erstaunt wenig, dass Herausforderer Albanese eine Erhöhung des Mindestlohns zum zentralen Versprechen seines Programms gemacht hat. Der einstige Gewerkschaftsfunktionär lebt von seiner Frau getrennt zusammen mit einem Kind und war selbst in einfachen Verhältnissen als Sohn einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. In einer früheren Labor-Regierung war er Industrieminister.
Unter seiner Regierung werde Australien auch mehr für Umwelt- und Klimaschutz tun, verspricht der 59-Jährige. Die von Klimaskeptikern dominierte konservative Regierung verhindert seit Jahren Maßnahmen zur Reduktion der Klimaemissionen und fördert zugleich den Ausbau der Kohleindustrie. Dabei leidet Australien wie kein anderer Industriestaat unter den Folgen der globalen Erhitzung. Prognosen zufolge sollen schon in wenigen Jahren Teile des Landes nicht mehr bewohnbar sein.
Beobachter glauben aber, dass Albanese sich kaum dem Einfluss der politisch mächtigen Kohleindustrie entziehen könne. Australien ist der Welt wichtigster Exporteur des fossilen Brennstoffs. Nur Druck aus dem Ausland werde Australien dazu zwingen können, die Förderung von Kohle zu beenden, wie es Wissenschaftler fordern. Das Land könnte nicht nur seinen gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Quellen wie Sonne- und Windkraft decken, sondern auch zu einem führenden Exporteur „sauberer“ Energie werden.
Dass die Konservativen jetzt die Macht zu verlieren drohen, ist umso bemerkenswerter, als sie seit Jahren massiv von den Murdoch-Medien unterstützt werden. 70 Prozent der australischen Printmedien sind in der Hand des 91-jährigen erzkonservativen US-Amerikaners australischer Herkunft, Rupert Murdoch. Dessen Zeitungen porträtieren Albanese als naiv und inkompetent und zeigen ihn als Dorftrottel mit heraushängender Zunge. Morrison dagegen sei zwar „langweilig, aber erfahren.“
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