Vor dem EU-Gipfel: Zitterpartie beim Streit in Brüssel
Bundesverkehrsminister Volker Wissing stellt sich quer beim Streit mit Brüssel. In Zukunft werden wohl auch E-Fuels weiter genutzt.
Der Bundesverkehrsminister und seine Partei, die FDP, hatten maßgeblich darauf gedrängt, dass in Zukunft auch die sogenannten E-Fuels weiter als Kraftstoffe für Autos genutzt werden können.
Vergangene Woche legte Wissing sogar noch nach.
Sein Ministerium schrieb der EU-Kommission einen Brief, diese antwortete prompt und schlug einen Kompromiss vor. Dieser scheint Wissing aber wohl nicht gänzlich zu gefallen.
Zumindest gibt es aus dem Bundesverkehrsministerium derzeit noch keine Zustimmung. Aber: auch keine offizielle Bestätigung dafür, dass der Minister den Vorschlag ablehnt, wie der Spiegel in Erfahrung gebracht haben will.
Die Gespräche seien weit fortgeschritten, „aber die Verfahren sind außerordentlich kompliziert und bedürfen einer sorgfältigen Prüfung von beiden Seiten“, hieß es von einem Sprecher aus dem Ministerium gegenüber der taz.
Für den zweitägigen EU-Gipfel, der am Donnerstag startet, dürfte das aber zu knapp sein, um den Streit noch vorher auszuräumen und zu einer verbindlichen Einigung kommen zu können.
E-Fuels durch die Hintertür
Wissing und sein Ministerium hatten in ihrem Brief gefordert, dass es künftig noch einen zusätzlichen Beschluss geben soll.
Die geplante finale Abstimmung zum Verbrenner-Aus solle unverändert abgesegnet werden. Aber am Ende würden Verbrenner mit E-Fuels nach 2035 trotzdem auf den Straßen zugelassen – quasi durch die Hintertür. Ein solcher sogenannter delegierter Rechtsakt gilt als juristisch umstritten.
Zudem wollte die EU-Kommission mit ihrem Beschluss – hin zur E-Wende – den Verkehr eigentlich klimafreundlicher gestalten. Als Teil ihres umfassenden EU-Klimaschutzprogramms – des Green Deals.
WissenschaftlerInnen sind sich nach wie vor durch die Bank weg einig, dass E-Fuels derzeit deutlich ineffizienter sind, als im Vergleich dazu mit der gleichen Strommenge in einem E-Auto auf der Straße zu fahren.
Ein Auto mit E-Fuels verbraucht in etwa fünf bis sechs mal so viel Strom wie ein E-Auto
Spricht man dieser Tage mit Ingenieuren, so hört man zwar, dass man zum derzeitigen Zeitpunkt nicht eindeutig sagen könne, welche Technologie nun in zehn oder zwanzig Jahren die Zukunft sei. „Im Prinzip sind beide Technologien erst mal gleichwertig“, meint Manfred Aigner gegenüber der taz, der Professor am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist.
Berechnungen von Klimainstituten, aber auch dem Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) zeigen aber, dass der Wirkungsgrad von E-Fuels deutlich schlechter ist.
Ein Auto mit E-Fuels würde in etwa fünf bis sechs mal so viel Strom verbrauchen wie ein batterieelektrisches Fahrzeug für die gleiche Fahrleistung – so die Berechnungen etwa das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Aigner glaubt aber, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der schlechtere Wirkungsgrad von E-Fuels ausgeräumt sei. Er geht davon aus, „dass spätestens bis zum Jahr 2050, die E-Fuels nahezu hundert Prozent klimaneutral seien.“
Wie viel Zeit aber bleibt für die auch von der FDP so oft angepriesene Technologieoffenheit?
Der Verkehrssektor hierzulande hat gerade zum wiederholten Male seine Klimaziele gerissen, wie die kürzlich vorgelegte Studie vom Bundesumweltamt (UBA) zeigt.
Wie viel Zeit bleibt für Technologieoffenheit?
Für viele Kenner der Autobranche und auch Parteien wie die Grünen hätte das geplante Verbrenner-Aus in der EU zudem einen großen Schub nach vorne für die Elektromobilität bedeuten können.
Gerade in der Autoindustrie spielt die oft auch eigens lautstark eingeforderte Planungssicherheit eine große Rolle. Denn vom Zeitpunkt des ersten Entwurfs bis hin zu dem Moment, in dem ein neues Auto schließlich vom Band läuft, vergehen oft mehrere Jahre.
Laut Automobilexperten wie Stefan Bratzel zeigt sich eindrücklich bei den chinesischen E-Auto-Marktführern oder dem US-Autobauer Tesla, wie schnell die Industrie sein kann, wenn sie sich entscheidet, entweder Verbrenner oder E-Autos zu produzieren.
„Wenn man jetzt zu lange an anderen Technologien festhält, verliert man einfach den Anschluss an die E-Wende“, ist Bratzel überzeugt, wie er auf Anfrage der taz mitteilt.
Kompromiss bei Nutzung von E-Fuels scheint unausweichlich
Mittlerweile sind in der EU auch weitere Länder wie etwa Italien, Polen, Bulgarien oder Tschechien auf den Kurs von Wissing eingeschwenkt. Etliche der Verkehrsminister hatten sich bereits vergangene Woche in kleiner Runde in Straßburg miteinander getroffen und ihre Blockade-Haltung weiter verfestigt.
Das ursprüngliche Vorhaben, das bereits im Herbst von EU-Staaten und Europaparlament ausgehandelt wurde, ist deshalb derzeit nicht mehr mehrheitsfähig in Brüssel. Das macht den Kompromiss bei der Nutzung von E-Fuels unausweichlich.
Wenn beim EU-Gipfel keine Einigung in dem Streit zwischen Brüssel und Wissing gefunden werden kann, muss dieser wohl am Sonntag im Koalitionsausschuss weiter ausgetragen werden.
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