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Vor G20-Treffen in ArgentinienSaudi-Kronprinz im Visier der Justiz

Wegen Kriegsverbrechen im Jemen will Human Rights Watch Mohammed bin Salman in Argentinien vor Gericht bringen. Dort gilt das Weltrechtsprinzip.

Auch in Tunesien nicht so recht willkommen: Proteste gegen Muhammad bin Salman in Tunis am Dienstag Foto: dpa

Berlin taz | Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat bei der argentinischen Justiz eine Klage gegen den saudischen Kronprinzen eingereicht. Ihr Ziel: Muhammed bin Salman, der unter anderem Saudi-Arabiens Verteidigungsminister ist, soll in Buenos Aires wegen des Vorwurfs schwerer Kriegsverbrechen in Jemen verhaftet werden, wenn er am Freitag zum G20-Gipfel anreist.

Grundsätzlich möglich wird so eine Klage aufgrund des sogenannten Weltrechtsprinzips. Das besagt, dass jedes Gericht der Welt sich in Fällen von Folter, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit für zuständig erklären kann, unabhängig von der Nationalität der Opfer, der mutmaßlichen Täter*innen oder dem Ort des Verbrechens.

Das Prinzip ist in Argentiniens Verfassung verankert und hat in der Vergangenheit bereits zu Ermittlungen wegen in Spanien begangener Verbrechen geführt; dabei ging es um die Franco-Diktatur und die baskische ETA.

Grundlage der am Montag eingereichten Klage sind Recherchen von HRW zu Kriegsverbrechen im Jemen. Insbesondere beschuldigt die Menschenrechtsorganisation die von Saudi-Arabien geführte Anti-Huthi-Koalition, im Jemen regelmäßig zivile Ziele anzugreifen, was, wenn absichtlich unternommen, ein Kriegsverbrechen darstellt. Mohammed bin Salman ist als saudischer Verteidigungsminister auch der Oberste Befehlshaber der im Jemen agierenden Koalition.

Keine Ermittlungen gegen die Verantwortlichen

Bereits 2016 hatte die Koalition, der neben Saudi-Arabien noch acht weitere Länder angehören, darunter Ägypten, Marokko, Sudan und Jordanien, einen eigene Untersuchungskommission eingerichtet, um Vorwürfen von Kriegsverbrechen selbst nachzugehen.

Grundlage der Klage sind Recherchen von HRW zu Kriegsverbrechen im Jemen

Die aber, so berichtet HRW in einem im Oktober veröffentlichten Bericht, genügt keinem internationalen Standard, bietet keine Transparenz – und ist vor allem nicht unabhängig. Kein Wunder also, dass in keinem einzigen Fall strafrechtliche Ermittlungen gegen mutmaßliche Verantwortliche aufgenommen wurden.

Stets beteuerte die Kommission, es habe sich um technische Fehler, ungünstiges Wetter, falsche Koordinaten oder ähnliches gehandelt, wenn erneut eine Schule oder ein Krankenhaus in Schutt und Asche gelegt worden waren.

Auch deshalb versucht HRW nun, das Weltrechtsprinzip zur Geltung zu bringen – es ist gedacht als letzte Ressource, wenn sonst keine Strafverfolgung zu erreichen ist.

Auch Khashoggi-Folter Teil der Klage

Neben dem Vorwurf der Kriegsverbrechen in Jemen führt HRW außerdem die willkürliche Verhaftung und Folter saudischer Aktivist*innen als Klagegrund an. Dabei geht es speziell um eine Reihe im Sommer verhafteter Frauenrechtsaktivistinnen, aber auch um den im saudischen Konsulat in Istanbul ermordeten und mutmaßlich zuvor gefolterten Journalisten Jamal Khashoggi.

Dessen Fall hat für weltweite Aufmerksamkeit gesorgt, europäische Länder dazu gebracht, die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien vorläufig auszusetzen und die Beziehungen der USA zum neben Israel traditionell stärksten Verbündeten in der Region in Frage zu stellen. Einzig US-Präsident Donald Trump stellte sich ohne Wenn und Aber weiter hinter die Allianz mit Saudi-Arabien.

Argentiniens Justiz hat nun, wie es das Gesetz vorsieht, per Zufallslos einen zuständigen Bundesrichter benannt, der die Eingabe von HRW binnen weniger Tage prüfen muss. Dass der saudische Kronprinz jedoch tatsächlich vom G20-Gipfel weg in Handschellen gelegt wird, kann als nahezu ausgeschlossen gelten. Was HRW jedoch erreicht hat: Die anderen anreisenden Staatschefs müssen sich noch genauer als zuvor überlegen, ob und wie sie sich mit dem Kronprinzen zeigen möchten.

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