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Vor Abstimmung auf ParteitagAgrogentechniker lobbyieren Grüne

Vor dem Parteitag werben ForscherInnen für neue Methoden zur Veränderung von Pflanzen. Die Wissenschaft sei sich da aber uneins, so Kritiker.

Harald Ebner, Gentechnik-Experte der Grünen, am Donnerstag im Bundestag Foto: Christian Thiel/imago

Berlin taz | Führende WissenschaftlerInnen der Agrogentechnik haben die Grünen vor dem Parteitag am Wochenende um Unterstützung für ihre Forschungsdisziplin gebeten. Es kursierten „viele Falschinformationen, von vermeintlichen gesundheitlichen und ökologischen Risiken bis hin zu angeblichen wirtschaftlichen Nachteilen im Globalen Süden“, heißt es in einem offenen Brief, den rund 150 Genetiker, Pflanzenphysiologen und andere Forscher unterschrieben haben.

Darunter sind Professoren wie Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Holger Puchta vom Karlsruher Institut für Technologie und Urs Niggli, bis vor Kurzem Chef des Forschungsinstituts für biologischen Landbau. Der Brief sei an die Kreisverbände der Grünen gegangen, so der Initiator, der Verein Progressive Agrarwende. Die Partei will bei ihrer Konferenz darüber entscheiden, ob sie ihre bisherige grundsätzliche Ablehnung der Gentechnik aufweicht.

„Immer wieder wird versucht, mit Verweis auf Behauptungen von NGOs und wirtschaftlichen Interessenverbänden den wissenschaftlichen Konsens infrage zu stellen“, schreiben die Autoren. Sie verlangen von den Grünen eine „faktenbasierte Sichtweise auf die neuen gentechnischen Verfahren“ wie Crispr, die präziser als ältere Methoden sind. Es sollte nicht verhindert werden, gentechnisch veränderte Pflanzen in der Umwelt freizusetzen.

Der Text suggeriert, der Weltklimarat IPCC sehe Gentechnik als Teil einer Strategie zur Bewältigung der Erderhitzung, zum Beispiel durch Entwicklung von Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen. Man habe zwar mit neuer Gentechnik aussichtsreiche Impfstoffkandidaten gegen das Coronavirus entwickelt, aber solche Potenziale seien in der EU für die Landwirtschaft „schwer umsetzbar“, weil die amtliche Zulassung teuer und langwierig sei. Deshalb würden sich Wissenschaftsorganisationen wie die Leopoldina oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft für eine Reform des Gentechnikrechts einsetzen.

Anders als bei der alten Gentechnik gehe es beim neuen „Genome Editing“ nur um „kleine Veränderungen in vorhandenen Genen der Pflanzen“. „Diese Veränderungen sind von natürlichen und in der konventionellen Züchtung genutzten Mutationen nicht unterscheidbar. Deshalb ist bei Erforschung und Nutzung von mit Genome Editing erzeugten Pflanzen kein erhöhtes Risiko für Mensch und Umwelt zu erwarten.“

„Der Konsens besteht bei den Unterzeichnenden. Aber Wissenschaft ist vielfältig“, sagte Harald Ebner, Gentechnik-Experte der Grünen im Bundestag, der taz. „Viele SoziologInnen, BioethikerInnen und ÖkologInnen, aber auch BiologInnen sind da sehr kritisch.“ Man dürfe nicht nur Wissenschaftler fragen, die die neue Gentechnik anwenden oder entwickeln. „Wir wollen Zulassungsverfahren, die alle Risiken prüfen, und eine Kennzeichnung. Was ist daran nicht faktenbasiert?“ Ebner bezweifelte, dass sich mit Genome Editing zum Beispiel trockenheitstolerante Pflanzen erzeugen lassen. „Dazu müsste man sehr viele Stellen des Genoms verändern. Das ist so komplex, dass die GentechnikerInnen bisher keine trockenheitstolerante Pflanze zur Marktreife gebracht haben“, so der Abgeordnete. „Konventionelle Züchtung war damit aber bereits überaus erfolgreich.“

Massive Eingriffe ins Erbgut nötig

Ebner bestritt auch, dass die Veränderungen mit Crispr so minimal wie bei einer natürlichen Mutation seien. „Erstens kann man mit Crispr viel massiver eingreifen – und anders als bei einer Punktmutation modifiziert Crispr auch alle Kopien der betroffenen Gensequenzen im Genom“, so der Politiker. „Und trockenheitstolerante Pflanzen würden sowieso massive Eingriffe erfordern, die viel weiter gehen als eine Punktmutation.“

Den Abgeordneten ficht auch nicht an, dass Wissenschaftsgesellschaften das aktuelle Gentechnikrecht kritisieren. „Sie wollen bestimmte Eingriffe ins Genom aus der Risikoprüfung und der Kennzeichnung nehmen. Dann können die VerbraucherInnen sich nicht mehr gegen solche Lebensmittel entscheiden. Die Behörden würden potenzielle Risiken nicht mehr untersuchen“, antwortete der Grüne. „Aus Sicht der Unternehmen mag das wünschenswert sein. Aber aus ethischer und politischer Sicht darf ich dem nicht folgen.“ Die Mehrheit der VerbraucherInnen lehnt laut Umfragen „Genfood“ ab. Deshalb verzichten Lebensmittelhersteller auf solche Produkte.

„Rote“ anders als „grüne“ Gentechnik

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, verwahrte sich dagegen, die „rote“ Gentechnik in der Medizin mit der grünen in der Landwirtschaft gleichzusetzen. „Bei der grünen Gentechnik setze ich Pflanzen frei, die später eventuell schwer wieder zurückzuholen sind. Bei der roten Gentechnik kann ich einfach einen Deckel drauf machen, wenn es Probleme gibt“, warnte Häusling.

„Der IPCC hat nicht gesagt, wir müssen jetzt neue Gentechnik einsetzen, um das Klima zu retten“, so der EU-Parlamentarier. „Er hat gesagt, das müsste man auch mal prüfen.“ Häusling ergänzte: „Es geht nicht um ein Verbot. Es geht um eine strenge Regulierung“.

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10 Kommentare

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  • Ich hätte mir diese Diskussion bei der Einführung und dem stetigem Ausbau des Funknetzes gewünscht. Auch hier wird vor vielen Fachleuten davor gewarnt, aber es interessiert halt niemanden. Die Veränderungen an den Pflanzen müsste anders verkauft werden, z.B. mehr Blüten für die Bienen, schon wären viele dafür.

  • RS
    Ria Sauter

    Was die Gentechnik an "Heilsversprechen" einhält kann jeder nachlesen. Es gab und gibt für die ärmeren Länder keine Verbesserung, im Gegenteil. Sie wurden abhängig von den Pestiziden der Konzerne. Da die Ernte immer schlechter ausfiel musste immer mehr gespritzt werden. Das trieb viele Bauern, z.B, in Indien in den Ruin und in den Selbstmord.



    taz.de/Alternative...-Gentech/!5112887/



    www.keine-gentechn...e/nachricht/26151/



    Wie es Einem Bauer ergehen kann, der keine Gentechnik auf seinen Feldern möchte:



    de.wikipedia.org/wiki/Percy_Schmeiser



    Ich hoffe sehr, diese Technik kommt nicht auf die Äcker, auch wenn ein Bernd Hellwig in allen Foren für den Einsatz kämpft.



    Warten wir mal ab, ob wir wieder auf die Felder müssen.

    • @Ria Sauter:

      Percy Schmeisser war kein armes Opfer der Agrarindustrie. Er hat aktiv Glyphosat gespritzt, dadurch glyphosatresistenten Raps selektiert, die Samen gesammelt und ausgesäht. Dafür und nur dafür wurde er verklagt. Hätte er ganz normal sein Feld bestellt, hätte er keine Probleme bekommen. Er hat vielleicht dadurch ein Zeichen setzen wollen, was auch immer. Aber er war sicher kein armes Opfer. www.transgen.de/re...rcy-schmeiser.html

  • Die Wissenschaft zu neuer Gentechnik ist sich im Wesentlichen so einig wie die Wissenschaft zum Klimawandel. Vereinzelte wissenschaftliche Gegenmeinungen gibt es immer.

  • Ach. Progressive Agrarwende also.

    Sorry, Leute: an Euch der Nachweis, dass Ihr nicht eine weitere Lobbyorganisation der Grossindustrie seid, der das Überleben der Menschheit erfahrungsgemäss weniger wichtig ist, als das nächste Quartalsergebnis. So lange glaube ich Euch kein Wort.

    "Diese Veränderungen sind von natürlichen und in der konventionellen Züchtung genutzten Mutationen nicht unterscheidbar. Deshalb ist bei Erforschung und Nutzung von mit Genome Editing erzeugten Pflanzen kein erhöhtes Risiko für Mensch und Umwelt zu erwarten."

    Bin ja kein Biologe. Aber ich habe mittlerweile eine feine Nase für Lobbysprech. Und das da obe ist Lobbysprech.

    Wenn Sie damit CRISPR/Cas meinen... dann will ich das lieber in verantwortungsvollen Händen sehen, als in Ihren.

    • @tomás zerolo:

      Übrigens, viele Mitglieder von Progressive Agrarwende sind auch Mitglieder der Grünen. In Zeiten von Klimawandel und einer rasanten globalen Bevölkerungsentwicklung, ist es keine gute Idee auf neue Gentechnik zu verzichten. Leiden müssen darunter die Ärmsten unseres Planeten aber die bringen keine Wählerstimmen für die Grünen!

      • @Bernhard Hellweg:

        Die Ärmsten - jetzt mal aus Sicht kleinbäuerlicher Landwirtschaft - können sich weder das Saatgut noch die passenden Pestizide leisten. Die müssen hier als Feigenblatt herhalten, das war schon bei der klassischen Gentechnik so. Glauben Sie im ernst, dass es den Entscheidern bei BAYER & Co. um hungernde Arme geht? Mein Vorschlag: Die Forschung komplett öffentlich/gemeinnützig finanzieren und alle Ergebnisse als Creative Common. Dann diskutiere ich gerne ergebnisoffen über Risiken und Chancen.

  • Trockenheitstolerante Pflanzen wird es auch in der Natur geben. Hier geht es um Patente die hohen Profit bringen sollen.

    • @Andreas J:

      Wenn man diese dann findet, kann niemand nachweisen wie diese denn entstanden sind. Neue Gentechnik kann auch untergeschoben werden. Nachweisen kann man das nicht.

      • @Bernhard Hellweg:

        Das bedeutet dann, dass es auch keine Patente auf die veränderten Pflanzen gibt, ja?