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Von den Hamas aus Israel verschlepptDas sind die toten Geiseln, nach denen noch gesucht wird

Im zerstörten Gazastreifen ist es schwierig, Leichen zu bergen. Noch immer wurden nicht alle toten Geiseln zurückgeführt. Das sind ihre Namen.

Fahrzeug des Internationalen Roten Kreuzes: Die Verzögerungen bei der Rückführung der toten Geiseln gefährden die Waffenruhe Foto: Yousef Al Zanoun/AP/dpa

ap | Die Hamas hat sich verpflichtet, alle toten Geiseln an Israel zurückzugeben. Die Leichen von 28 aus Israel verschleppten Menschen, die am 7. Oktober 2023, dem Tag des Terrorangriffs, der den Krieg auslöste, bereits tot oder noch lebend in den Gazastreifen gebracht worden waren, hatten im Rahmen der Waffenruhe im Gaza-Krieg längst übergeben werden sollen. Tatsächlich gelangten über das Rote Kreuz bislang nur 15 nach Israel.

Am Sonntag gab die militant-islamistische Palästinenserorganisation die Ausweitung der Suche nach den verbliebenen 13 auf weitere Teile des Küstengebiets bekannt. Die Hamas begründet die bisherigen Verzögerungen mit der umfassenden Zerstörung. Teils lägen die sterblichen Überreste tief unter den Trümmern pulverisierter Gebäude, die sich während der zweijährigen israelischen Offensive praktisch überall im Gazastreifen aufgetürmt haben.

Verzögerungen gefährden Waffenruhe

Die Verzögerungen gefährden zusehends die fragile Waffenruhe, die am 10. Oktober in Kraft getreten war. Israel wirft den Extremisten vor, den Prozess absichtlich in die Länge zu ziehen.

Ägypten entsandte am Samstag ein Team von Experten und schweres Gerät in den Gazastreifen, um die Bergung der Leichen zu unterstützen, wie zwei ägyptische Regierungsvertreter bestätigten, die anonym bleiben wollten. Der Einsatz sei Teil des Bemühens der Vermittlerstaaten, die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas zu festigen. 20 überlebende Geiseln waren wie vereinbart zum Beginn der Waffenruhe im Austausch gegen Hunderte palästinensische Häftlinge und Gefangene freigekommen.

Geisel-Leichen werden gegen tote Palästinenser ausgetauscht

Im Austausch gegen die Überreste der toten Geiseln überstellte Israel bislang die Leichen von 195 Palästinensern in den Gazastreifen, ohne Hinweise auf ihre Identitäten mitzuliefern. Es ist weitgehend unklar, ob sie in israelischen Gefängnissen zu Tode kamen, bereits als Leichen von israelischen Soldaten aus dem Gazastreifen nach Israel gebracht wurden oder am 7. Oktober 2023 getötet wurden, etwa als Teilnehmer der Massaker an diesem Tag.

Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen tut sich mangels DNA-Technik schwer, die Identitäten der toten Palästinenser zu ermitteln, hat jedoch Vorwürfe gegenüber Israel erhoben, dass einige der Leichen Anzeichen von Folter aufwiesen. Bekannt ist indes, um wen es sich bei den aus Israel Verschleppten handelt, die nicht lebend zu ihren Familien zurückkehren werden und deren Angehörige bislang auch nicht an einem Grab von ihnen Abschied nehmen konnten.

Sahar Baruch, 25 Jahre alt

Er stammte aus dem Kibbuz Beeri, hatte eine Leidenschaft für Wissenschaft, Fantasy-Literatur, Rollenspiele und Magic-Karten. Er trat bei Schachwettbewerben an und wollte Elektroingenieur werden. Im Militär diente er einst als Mechaniker. Mit seinem Bruder Idan befand er sich am 7. Oktober im Haus seiner Mutter. Idan wurde bei dem Angriff getötet.

Drei Monate nach Sahars Entführung meldete das Militär, er sei während eines Befreiungsversuchs getötet worden. Er hinterlässt seine Eltern und zwei weitere Geschwister.

Itay Chen, 19 Jahre alt

Er stammte aus Netanja im Zentrum Israels, war US-israelischer Doppelstaatler. Verschleppt wurde er mit zwei weiteren Mitgliedern seines Panzerbataillons: Daniel Peretz, der ebenfalls getötet wurde, und Matan Angrest, der überlebte und unter der jüngsten Waffenruhe freikam.

Chen liebte Basketball und studierte nach Angaben des Forums der Geiselfamilien Humanbiologie. Getötet wurde er bereits am 7. Oktober, kam als Leiche im Gazastreifen an. Er hinterlässt seine Eltern und zwei Brüder.

Amiram Cooper, 84 Jahre alt

Amiram Cooper war einer der Gründer des Kibbuz Nir Oz. Der Ökonom und laut Forum der Geiselfamilien Autor dreier Gedichtbände wurde am 7. Oktober zusammen mit seiner Frau Nurit lebend aus Nir Oz verschleppt. Nurit kam nach 17 Tagen frei. Cooper tauchte in einem Propagandavideo der Hamas mit zwei weiteren älteren Geiseln auf, offensichtlich unter Zwang. Im Juni 2024 bestätigte Israel seinen Tod. Überlebt wird er von seiner Frau, drei Kindern und neun Enkelkindern.

Oz Daniel, 19 Jahre alt

Der junge israelische Soldat kam am 7. Oktober zu Tode. Seine Leiche zogen die Extremisten mit drei weiteren Körpern aus seinem Panzer. Er war ein begnadeter Gitarrist. Mit neun Jahren begann er, zu spielen. Auch während seines Militärdienstes übte er Stunde um Stunde und träumte davon, mit der Musik eines Tages sein Geld zu verdienen. Seine Lieblingsband war nach Angaben des Forums der Geiselfamilien Guns N’ Roses. Er hinterlässt seine Eltern und eine Zwillingsschwester.

Meny Godard, 73 Jahre alt

Bevor er in die Armee eintrat und im Nahost-Krieg 1973 kämpfte, war er nach Angaben des Kibbuz Beeri professioneller Fußballer. Im Kibbuz übernahm er verschiedene Aufgaben, etwa in der Druckerei.

Am Morgen des 7. Oktobers setzten die Terroristen sein Haus in Brand und zwangen ihn und seine Frau Ajelet ins Freie. Ajelet versteckte sich stundenlang in einem Gebüsch, bis sie von Extremisten entdeckt und getötet wurde. Sie schaffte es noch, ihren Kindern mitzuteilen, dass Meny vor ihr getötet wurde. Die Familie hielt eine Trauerfeier für beide ab. Das Paar hinterlässt vier Kinder und sechs Enkelkinder.

Hadar Goldin, 23 Jahre alt

Goldins Leiche ist die einzige, die sich schon vor dem Krieg im Gazastreifen befand. Der israelische Soldat wurde am 1. August 2014 getötet, zwei Stunden nach dem Inkrafttreten einer Waffenruhe im Rahmen einer Militäroperation, mit der Israel auf anhaltenden Raketenbeschuss durch die Hamas reagierte. Goldin hinterlässt seine Eltern und drei Geschwister, darunter seinen Zwilling. Vor seinem Tod hatte er seiner Verlobten einen Heiratsantrag gemacht.

Ran Gwili, 24 Jahre alt

Als die Extremisten in Israel einfielen, erholte sich das Mitglied einer Eliteeinheit der Polizei gerade von einem Schulterbruch, den er bei einem Motorradunfall erlitten hatte. Trotzdem rückte Gwili aus, um seine Kollegen zu unterstützen. Er half Menschen, vom Gelände des Nova-Musikfestivals zu entkommen und starb später im Kampf an einem anderen Ort. Seine Leiche wurde in den Gazastreifen gebracht. Vier Monate später bestätigte das Militär seinen Tod. Er hinterlässt seine Eltern und eine Schwester.

Assaf Hamami, 41 Jahre alt

Seit 2022 war Oberst Assaf Hamami Kommandeur der Südbrigade des israelischen Militärs. Laut israelischen Medien war er der erste Militärvertreter, der aussprach, dass sich das Land im Krieg befindet – um 6.37 Uhr am 7. Oktober, zehn Minuten nach dem Beginn des Terrorangriffs. Hamami und zwei seiner Soldaten wurden getötet. Ihre Leichen wurden nach Israel gebracht. Die Leichen der beiden Soldaten wurden im Juli 2024 geborgen. Hamami wird von seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern überlebt.

Joshua Loitu Mollel, 21 Jahre alt

Joshua Mollel aus Tansania kam nach seinem Studium der Agrarwissenschaften und 19 Tage vor dem Terrorangriff im Kibbuz Nahal Oz an, wo er Berufserfahrung sammeln wollte. Zwei kleinere militante Palästinensergruppen veröffentlichten Aufnahmen in sozialen Medien, die zeigten, wie Extremisten auf Mollel schossen und einstachen, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete. Er hinterlässt seine Eltern und vier Geschwister in Tansania.

Omer Neutra, 21 Jahre alt

Der US-israelische Doppelstaatler wurde auf der New Yorker Insel Long Island geboren und wuchs auch dort auf. Er zog nach Israel, um freiwillig Militärdienst zu leisten und wurde zusammen mit seiner Panzerbesatzung verschleppt. Er war ein vielseitiger Sportler, liebte Fußball und Volleyball. Im Dezember 2024 gab das israelische Militär bekannt, dass er beim Terrorangriff im Oktober 2023 getötet wurde. Seine Eltern nahmen regelmäßig an Protesten in den USA und Israel teil und sprachen im vergangenen Jahr auf dem Parteitag der Republikaner.

Dror Or, 52 Jahre alt

Der dreifache Vater leitete die Molkerei im Kibbuz Beeri und war ein Käsehersteller mit großer Expertise. Als die Terroristen am 7. Oktober ihr Haus anzündeten, versteckte sich die Familie in dessen Schutzraum. Dror und seine Frau Jonat wurden getötet. Zwei ihrer Kinder wurden verschleppt und während einer Waffenruhe im November 2023 freigelassen.

Sudthisak Rinthalak

Der Erntehelfer aus Thailand arbeitete im Kibbuz Beeri. Medienberichten zufolge war er geschieden und arbeitete seit 2017 in Israel. Insgesamt 31 Gastarbeiter aus Thailand wurden am Tag des Terrorangriffs verschleppt – die größte Gruppe an Ausländern in der Gewalt der Hamas. Die meisten von ihnen wurden während der ersten oder der zweiten Waffenruhe freigelassen. Rinthalaks Leiche ist die letzte von drei aus seinem Heimatland, die im Gazastreifen zurückgehalten wurden.

Lior Rudaeff, 61 Jahre alt

Lior Rudaeff wurde in Argentinien geboren und zog im Alter von sieben Jahren nach Israel. Mehr als 40 Jahre lang arbeitete er freiwillig als Fahrer eines Krankenwagens, gehörte auch dem Notfallteam seines Kibbuz' Nir Yitzhak an. Er wurde am 7. Oktober 2023 im Kampf gegen die Angreifer getötet. Seine Leiche wurde in den Gazastreifen verschleppt. Er hinterlässt vier Kinder und drei Enkelkinder.

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