Von Leipzig/Halle nach Afghanistan: Abschiebung vorerst ausgesetzt
Der Angehörige einer bedrohten Minderheit, der am Dienstagabend nach Afghanistan abgeschoben werden sollte, wird vielleicht verschont.
Dabei handelt es sich um einen 37-jährigen Hasara mit afghanischer Staatsbürgerschaft, der im Iran aufgewachsen ist und vor zwei Jahren nach Deutschland kam. Laut Laaser liegen gegen ihren Mandanten weder Strafanzeigen vor, noch handelt es sich um einen Gefährder. Auch ist seine Identität eindeutig festgestellt. „Er war noch nie in Afghanistan, er ist im Iran geboren“, sagte Laaser am Vormittag. Vor zwei Jahren sei er mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, seine Mutter und seine Schwestern sind ebenfalls nach Deutschland geflohen, sie dürfen nach bisherigem Stand bleiben.
„Offenbar hält die Bundesregierung es wieder für legitim, auch junge Männer abzuschieben, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen“, so Laaser. Und nicht nur das: Laut seiner Anwältin gehört ihr Mandant zu den Hasara, einer in Afghanistan bedrohten und gefährdeten Minderheit. Sie sind Schiiten, während die große Mehrheit im Land sunnitisch ist.
Am Vormittag kündigte Laaser an, sie wolle daher mit einem Eilantrag ans Bundesverfassungsgericht gegen die geplante Abschiebung vorgehen. Auch in der vergangenen Woche sind bei Anschlägen der Taliban in Afghanistan erneut hunderte Menschen ums Leben gekommen.
Nun prüft das Bamf laut Laaser, ob ein Abschiebeverbot für ihn vorliegen könnte. „Damit ist erst einmal Aufatmen angesagt. Entschieden ist aber noch nichts“, sagte Laaser der taz. Auch ein zweiter afghanischer Mandant, der in Abschiebehaft sitzt, soll am Dienstag noch verschont bleiben.
Proteste gegen die Abschiebungen
Was mit den anderen Abschiebekandidaten ist, ist bisher noch unklar. Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat weiß von je einer Person aus Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz, vieren aus Hamburg, daneben um die zehn Kandidaten aus Bayern. Zu einigen der Fälle liegen noch Anträge bei den Behörden zur Prüfung, doch sollte sich nichts Neues ergeben, rechnet der Flüchtlingsrat mit der Abschiebung am Dienstagabend vom Flughafen Leipzig/Halle (LEJ). Auch Thüringen hatte eine Person zur Abschiebung angekündigt, allerdings lehnt das Bundesland gemeinsam mit Bremen seit Montag Abschiebungen nach Afghanistan ab.
Gegen die Abschiebungen hatten am Dienstagvormittag etwa 150 Demonstranten am Flughafen Leipzig/Halle protestiert. Einige Dutzend sind auch am Nachmittag noch vor Ort, um die Abschiebung mit Protesten zu begleiten.
In Afghanistan sind allein am Samstag bei drei Anschlägen mindestens 104 Menschen gestorben. Auch der Flughafen in Kabul, wo der Abschiebeflug landen soll, wurde in der Vergangenheit Ziel mehrerer Angriffe. Das Bundesverkehrsministerium hat daher noch vor einer Woche eine Start- und Landewarnung für den Airport ausgegeben.
Es ist das zweite Mal seit dem schweren Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul Ende Mai, dass nach Afghanistan abgeschoben werden soll. Damit ignoriert das Innenministerium die jüngsten Start- und Landewarnungen des Verkehrsministeriums für den Kabuler Flughafen. In einer „Notice to Airmen“ (NOTAM) hatte das Ministerium noch im Oktober vor dortigen „gezielten Flugabwehr-Attacken“ gewarnt.
Auf Anfrage sagte eine Sprecherin des Innenministeriums, „die in Afghanistan verübten Anschläge richteten sich seit Jahren nicht gegen die Zivilbevölkerung oder gegen die zivile Luftfahrt.“ Es werde kein Militärflugzeug verwendet, die Landung finde auch nicht im militärischen Teil des Kabuler Flughafens statt. Der liegt in Kabul direkt neben dem Zivilbereich.
Nach den schweren Anschlägen und zahlreichen Protesten im Mai und Juni hatte die Bundesregierung die Abschiebungen nach Afghanistan zunächst ausgesetzt – ausgenommen Gefährder und Straftäter. Danach war Mitte September der letzte Abschiebeflug von Düsseldorf nach Kabul abgehoben, laut Innenminister de Maizière ausschließlich mit verurteilten Straftätern.
Der Flughafen Leipzig/Halle (LEJ) gilt als Abschiebedrehkreuz für Mitteldeutschland. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind bis September dieses Jahres bundesweit 80 Afghanen abgeschoben worden. Inklusive Dezember 2016 sind es 114.
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