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Volkswagen-Betriebsrat über Zukunft„Die IG Metall diskutiert kaum Alternativen zum Auto“

Lars Hirsekorn arbeitet seit 30 Jahren bei VW und ist Teil der Initiative „VW steht für Verkehrswende“. Er will den Konzern klimafreundlich machen.

Trillerpfeifen liegen zum Ende der Friedenspflicht vor einem VW Werk Foto: Hendrik SChmidt/dpa
Interview von Peter Nowak

taz: Herr Hirsekorn, Sie sind Betriebsrat bei Volkswagen in Braunschweig und setzen sich dafür ein, dass Ihr Arbeitgeber klimafreundliche Verkehrsmittel statt Verbrenner baut. Wie kommt es, dass Sie bei Deutschlands größtem Autobauer arbeiten?

Lars Hirsekorn: Es gab Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre in Braunschweig eine auf die Einwohnerzahl bezogen große Antifa- und Hausbesetzerbewegung. Die bestand aber nicht wie in vielen anderen Städten rein aus Abiturienten. Ich habe dann bei Volkswagen angefangen, weil ich einen Hauptschulabschluss habe und mir gesagt habe, ich muss von irgendwas leben. Da habe ich mir gesagt, na gut, bei VW kriegst du wenigstens noch halbwegs Geld für die beschissene Arbeit.

Bild: privat
Im Interview: Lars Hirsekorn

wurde 1972 geboren und arbeitet seit 1994 bei Volkswagen in Braunschweig. Seit 2022 ist er Mitglied des dortigen Betriebsrats. Hirsekorn unterstützt die Initiative „VW steht für Verkehrswende“.

Damals hat Volkswagen wirklich noch die Tore weit aufgemacht. Wer vorbeigegangen ist und nicht schnell genug Nein gesagt hat, wurde reingesteckt ins Werk. Denn da wollte niemand arbeiten. Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken an den Bändern sind teilweise nach wie vor schlecht. Das vergessen die Leute recht oft. Die vielen Nachtschichten, die Wochenendarbeit, der Lärm, der Dreck, die Hitze und Kälte.

taz: Ist Ihre zweijährige Kampagne für eine Verkehrswende bei der Belegschaft angekommen?

Hirsekorn: Die Diskussion hat nicht so viel bewirkt, weil sich große Teile der IG Metall nach wie vor im Prinzip darüber ausschweigen und Alternativen zum Auto kaum diskutieren. Trotzdem bemerkt man in der Belegschaft immer wieder, dass die Idee, wir könnten was anderes bauen als Autos, hängen geblieben ist.

taz: Woran machen Sie das fest?

Hirsekorn: Ich mache Seminare mit den Vertrauensleuten und auch mit „normalen“ Gewerkschaftsmitgliedern, auch zum Thema „Klima, Auto, Umwelt“. Da kommen immer wieder Leute, die sagen: Ja, wir ­können auch Straßenbahnen bauen.

taz: VW macht zwar noch Milliardengewinne, aber sie schrumpfen. Es werden weniger Fahrzeuge verkauft, Standorte sollen geschlossen, viele Kollegen entlassen werden. Ist so eine Krise nicht eine gute Chance für die Forderungen nach etwas Neuem?

Hirsekorn: Eigentlich ist das eine Traumsituation und wir müssten genau so weitermachen mit der Kampagne für die Verkehrswende. Es gibt einen Kreis von 40 Kolleginnen und Kollegen, verteilt über drei Werke, die kontinuierlich diskutieren und versuchen, das Thema Verkehrswende voranzutreiben.

taz: Arbeiten Sie mit Umweltgruppen zusammen?

Hirsekorn: Von den großen Umweltorganisationen höre ich im Moment eigentlich nichts. Greenpeace hat die Autoschlüssel auf die Zugspitze entführt und gefordert, dass noch mehr Elektroautos gebaut werden sollen.

taz: Die Umweltschützer hatten aus Protest Hunderte Schlüssel von VW-Fahrzeugen aus dem Werk in Emden geklaut und sie säckeweise auf dem besonders vom Klimawandel betroffenen Schneefernergletscher auf der Zugspitze ausgestellt.

Hirsekorn: Das halte ich nicht für sinnvoll. Aber selbstverständlich würde ich mir von den NGOs jetzt eine Unterstützung der Belegschaft wünschen. Eine Auslastung der Werke bekommen wir hoffentlich nur mit anderen Produkten hin. Da wünschte ich mir die inhaltliche Unterstützung von ADFC, BUND, Nabu und allen anderen. Wirklich vor Ort sind bisher nur Aktivistinnen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, die schon die letzten zwei Jahre bei uns waren.

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9 Kommentare

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  • VW steht für Verkehrswende!



    Doch so, wie es aussieht, wird VW und auch Deutschland einen Rückzieher machen, weil ohje Arbeitsplätze und Wirtschaft. Dann sind auch Fragen, ob Straßenbahnen gebaut werden sollen statt Autos plötzlich ganz schnell vom Tisch, obwohl ich mir das selbstverständlich wünsche.

    VW kann jetzt Druck machen, und auf den Verbrenner zurückgreifen, und emissionsfreie Mobilität mit Elektrobussen, Straßenbahnen und Zügen zunichte machen.Die IG Metall kann da nichts tun, weil die vorrangig für Arbeiternehmerrechte stehen. Umweltfragen sind zweitrangig.

    Erinnert sich noch jemand an den Clean Air Act von Kalifornien aus den späten 90ern? Und dass dadurch Automobilhersteller gezwungen waren, E-Autos zu entwickeln? Und dass General Motors nach nur wenigen Jahren nahezu alle EV1 zurückrufte und verschrottete weil es ansonsten Probleme mit Ersatzteilen gibt und die Insolvenz drohte?



    Deutschland wird auch zurückrudern, weil die Wirtschaft wichtiger ist. Die Verschrottung von zu teuren E-Autos, die jetzt irgendwo auf einem riesigen Parkplatz stehen, mit einer Kilometerleistung von unter 100km bedeutet, dass wertvolle Materialien (Akku, Elektronik, Reifen) vergeudet wurden.

  • wundert mich überhaupt nicht, daß die igm die zeichen der zeit schlicht verpennt.



    war auch so vor über 40 jahren, schiffbaukrise. es gab konversions-ak bei blohm&voss, + das wars dann auch schon.

    1x hat die igm eine verkehrskonferenz gemacht, auto, verkehr, umwelt. das ist schon lange her. da war auch von konversion der autoproduktion keine rede.

    die umweltverbände sind ebenfalls reichlich verpeilt + hätten schon lange auf die igm (+andere gewerkschaften) wg. zusammenarbeit bzgl.konversion zugehen können. liegt doch nahe + auf der hand.



    oder?

    die taz könnte dazu 1 sondernr. oder so machen. es ist ein thema, daß auf den nägeln brennt.

    blinder "widerstand" gegen abbau von irgendwelchen industriearbeitsplätzen ist einfach unintelligent, also: DUMM.

    sagt eine, die aktiv den widerstand bei hdw hamburg, ag weser bremen durch betriebsbesetzung mitorganisiert hat.

    na ja, dadurch wurde betriebsbesetung gegen igm-willen salonfähig gemacht, d.h. als mittel zum druck machen - wofür?

    letztendlich: transfergesellschaften. na ja, auch nicht so dolle.

    besser: alternative produktion, in vergesellschafteten betrieben. oder genossenschaftlich organisiert.



    dasgeht. ist so schwierig nicht.

  • Hier sieht man gut das Dilemma vieler Umweltorganisationen: Zu akademisch, zu realitätsfern, zu wenig praxisoreintiert und wenig Mut für neue Ideen und Kooperationen.

  • Was sind denn nun die bereits in der Überschrift angekündigten "Alternativen" zum Auto für den VW-Konzern?



    Bis auf "Straßenbahn" ist im Artikel, ist im Interview nichts zu finden.

    • @sutrebe:

      Ab und zu fällt auch das Stichwort Bus...

      Dumm nur, dass man da schon seit Jahrzehnten über Ausschreibungen zum Auftrag kommt, also noch mehr unter Preisdruck steht. Und auch immer weniger "Komfort" oder "Premium" gewünscht wird, seit die Einnahmen der Verkehrsunternehmen dank der Art und Weise der Umsetzung des D-Tickets auf dem Preisstand 2019 eingefroren sind. Während andere Kostenblöcke dank Weselsky und Co munter steigen.

      Da kauft man eben nur noch das Basismodell - und das können Solaris oder Temsa in ihren Stammwerken günstiger als ein beliebiges deutsches Werk. Weswegen der VW-Konzern (Traton / MAN Truck & Bus) diese Produkte auch nur noch in Polen und der Türkei herstellen, um überhaupt noch an Aufträge zu kommen.

      Die Situation dürfte bei etlichen anderen Alternativprodukten, für die VW erst noch eine Produktion aufbauen müsste, ähnlich sein.

  • Vielleicht bei der Bahn anfangen. Baut Siemens noch Züge? E-Autos sind ein Riesenfortschritt. E-Busse, E-LKW, wohl von anderen besetzt. Da hat VW schon genug zu knapsen, angefangen bei einer Belegschaft, die nicht dahinter steht. Gut, der Firmenpolitik folgt. Da könnte viel Neues kommen.



    Reden wir lieber weiter über Luftschlösser. Straßenbahn, während ein Musk schon Hyperloop hingestellt hätte. Soll VW Lastenräder bauen. So hört sich das an.

    • @Momo33:

      Ja, Siemens baut noch Züge...

      PS: Wenn Hyperloop so einfach wäre, wie E-Autos hätte Musk schon längst einen hinstellen LASSEN. Selbst stellt der gar nichts hin... Wie man den glorreichen Vorteil des geringen Luftwiderstands in Vakuum erreicht, ohne dass dabei die Nachteile der Herstellung dieses Vakuums zuschlagen (und spätestens in den Luftschleusen der Zugangsstationen muss man das regelmäßig tun), hat bis jetzt noch keiner herausgefunden...



      Zumal das ein verdammt großer Unterdruck werden muss, damit die Luftreibung der "Restluft" im engen Spalt zwischen Fahrzeug und Röhre ( die man im Freien gar nicht hat) nicht größer wird als der durch das "Vakuum" entfallende klassische Luftwiderstand.

      • @FriedrichHecker:

        www.spiegel.de/wir...apid-a-495045.html



        Das, scheint mir das Hauptproblem zu sein, dt. Unternehmen, die mit Subventionen gehätschelt werden, aber das genügt immer noch nicht. Inzwischen nur noch Bewahrung des Status quo.

  • So langsam müsste es doch dem letzten Betriebsrat der Autokonzerne aufgefallen sein, dass es kaum noch Platz für noch mehr PKWs auf Europas Strassen geben kann und bei einer abnehmenden und älter werdenden Bevölkerung sich auch kaum noch neue Kunden finden lassen können: Im Gegenteil: Wir erlenem ja gerade einen Verlust an Kaufkraft durch Inflation und höhere Energiepreise und das ausgerechnet in Zeiten, wo die Hersteller immer neue, teure -auf Jahre abzuschreibende- und automatisierte Produktionslinien aufgebaut haben, mit denen sie hoffen, die Konkurrenz schlagen zu können und damit die Überproduktion weiter erhöhen. Der Gipfel dieser Verkaufsstrategie liegt darin, noch modernere effizientere Fabriken ins Ausland zu verlagern, dessen Produkte dann hierzulande noch günstiger angeboten werden sollten. Der Wahnsinn hat Methode: In der Hoffnung auf einen chinesischen Binnenmarkt und Aufschwung rechneten die Unternehmen damit, möglichst vielen Chinesen ihre Produkte verkaufen zu können, was aber nicht klappt, wenn immer weniger menschliche Arbeit und Wertschöpfung mit der Produktion verbunden ist. Zuviel ist zuviel und Blech macht nicht satt.