piwik no script img

Volksverhetzende MusikRazzia gegen Rechtsrock-Szene

Polizeieinsatz in mehreren Bundesländern sowie auf Mallorca: Das Ziel war die Schwächung internationaler rechtsextremer Netzwerke.

Ob die CDs nun knapp werden? Auf dem Areal des Festivals „Schild und Schwert“ im sächsischen Ostritz Foto: Daniel Schäfer/dpa

Hamburg taz | Polizei und Staatsanwaltschaft ist am Donnerstag ein Schlag gegen ein international agierendes rechtsextremes Musiknetzwerk gelungen. Wie das niedersächsische Innenministerium mitteilte, durchsuchten rund 250 Einsatzkräfte drei Objekte in Niedersachsen sowie weitere in Hamburg, Berlin, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg – sowie eines auf Mallorca.

Die Zentrale Kriminalinspektion Oldenburg (ZKI) hat nach eigenen Angaben seit Monaten ermittelt. Im Kern gehe es um die Produktion sowie den nationalen und internationalen Vertrieb von strafrechtlich relevanter, volksverhetzender rechtsextremer Musik durch eine bundesweit agierende Tätergruppierung, so Martin Appelbaum, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Celle. Die Betroffenen gehörten „größtenteils der rechtsextremen Szene“ an.

Im thüringischen Fretterode fand bei der langjährigen NPD-Größe Thorsten Heise eine Razzia statt. Die ZKI hält ihm und weiteren Beschuldigten vor, durch den Vertrieb von „volksverhetzender rechtsextremer Musik“ eine „kriminelle Vereinigung“ zu bilden, sagte Appelbaum.

Er dürfte nicht von sich behaupten, mit Rechtsrock einfach nur Geld verdienen zu wollen: Er versteht Musik auch als Mittel der ideologischen Beeinflussung und ist schon länger aktiv in einschlägigen Netzwerken zwischen dem Promoten rechter Bands, dem Betrieb von Labels und der Herstellung von Merchandising. Auch Musikunternehmer K., früher in Lüneburg bei der damaligen NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ aktiv, bekam Besuch von der Polizei. Er betreibt eine Schallplattenfirma in Hamburg.

Einschlägige Songtitel

Heise war früh Kader der verbotenen „Freiheitlichen Arbeiter Partei“, baute später die „Kameradschaft Northeim“ auf und ist heute stellvertretender Bundessprecher von „Die Heimat“ – vormals NPD. Mit dem „Deutschen Warenhaus- & BW-Versand“ ist er in der Szene breit aufgestellt. Immer wieder erfolgten Durchsuchungen und Verurteilungen.

Nach dem Verbot der Hammerskins durch das Bundesinnenministerium am 19. September erwartete Heise offenbar auch für sich staatliche Repression: Er verkündete die Auflösung der von ihm angeführten und beeinflussten „Arischen Bruderschaft“, der „Kameradschaft Northeim“ sowie der „Brigade 12“; diese Netzwerke trugen unter anderem das Neonazi-Festival „Schild und Schwert“.

K. soll im Zuge der Razzia in Haft gekommen sein. Niedersachsen habe einen „Schwerpunkt“ der Ermittlungen gebildet, sagt Appelbaum. Drei Objekte wurden demnach in dem Bundesland durchsucht.

Ein weiterer Betroffener: Jens Hessler, Musiker aus dem Emsland und 1996 Gründer der Band „Stahlgewitter“. Schon deren Songtitel lassen wenig Raum für Interpretation: „ZOG“, zum Beispiel, Szenecode für „Zionist occupied government“, also „zionistisch besetzte Regierung“. Im Text ist dann die Rede von einer „geheimen Macht“, „die die Welt regiert“. Hessler betrieb von der Insel Mallorca aus auch den Internetversand „Das Zeughaus“.

Zielgruppe junge Menschen

Fünf „Stahlgewitter“-Alben stehen auf dem Index. Mitbegründet hat die Band Daniel Giese, der auch Sänger der Band „Gigi & die braunen Stadtmusikanten“ ist. Deren Song „Döner Killer“ auf dem Album „Adolf Hitler lebt!“ verhöhnte einst die Opfer des rechtsextremen Terrornetzwerks NSU.

Dass Rechtsrock weiterhin relevant sei, betonte nach dem Polizeieinsatz Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD): Musik habe für Rechtsextremisten eine identitätsstiftende Funktion und diene dazu, ihre Ideologie zu verbreiten. Vor allem junge Menschen sollten damit rekrutiert werden.

Michael Lühmann, Sprecher der Landtags-Grünen für Innenpolitik und Antifaschismus, sagt: „Rechte Musik war schon immer mehr als nur Ausdruck menschenfeindlicher Gesinnung, sondern spielt bis hinein in rechten Terror eine wichtige Rolle bei Rekrutierung, Stabilisierung und Radikalisierung der extrem rechten Szene.“

Bis Redaktionsschluss gab die Generalstaatsanwaltschaft keine weiteren Informationen zu Festnahmen und Funden bekannt.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Gut so!



    Allerdings müsste Björn Höcke schon längst wegen Volksverhetzung im Knast sitzen. Warum sitzt so eine Type noch im Parlament?



    "In einer seiner furchtbaren Reden sprach er davon Probleme "auszuschwitzen" und kam damit durch.