Volksentscheid in Neukaledonien: Belastete Geschichte

Neukaledonien hat gegen die Autonomie gestimmt. Doch das heißt mitnichten, dass die Inselgruppe auf ewig französisch bleiben wird.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Mundschutz

„Die letzte“ Abstimmung über die Unabhängigkeit Neukaledoniens? Zumindest Paris sieht das so Foto: Sarah Meyssonnier/reuters

Dem haushohen Nein beim Volksentscheid über die Selbstbestimmung Neukaledoniens kann kaum Bedeutung zugeschrieben werden. Denn wie erwartet war die Beteiligung wegen des Boykotts der Unabhängigkeitsbewegung FLNKS und der einheimischen Kanak, die die große Mehrheit in der Bevölkerung stellen, extrem niedrig. In Paris betont man, dass die dritte Abstimmung über eine Unabhängigkeit Neukaledoniens von Frankreich nun „die letzte“ gewesen sei.

Schluss also mit der Debatte über die Autonomie der Insel im Südpazifik? Sollte die französische Staatsführung das wirklich denken, macht sie sich gravierende Illusionen. Die Frage der Entkolonisierung lässt sich nicht einfach mit formalen Argumenten unter den Teppich kehren. Dazu ist die Geschichte zu sehr belastet von Unterdrückung, Gewalt und politischer Hinterlist.

In den historischen Vereinbarungen von 1998 zwischen den „Separatisten“ und „Loyalisten“ war ein Protokoll vorgesehen für einen politischen Prozess, der mit dem schrittweisen Übergang zur Unabhängigkeit enden würde. Dass das „Referendum“ zur Loslösung von der Kolonialmacht Frankreich dreimal negativ ausgehen würde, war nicht geplant. Stattdessen endet dieser Prozess in einer Sackgasse.

Die FLNKS fühlt sich übergangen und gedemütigt, denn ihr Wunsch, den Termin für die Abstimmung wegen der Pandemie zu verschieben, ist von der Zentralmacht in Paris arrogant abgewiesen worden. Das Referendum vom 12. Dezember geht so ganz anders in die Geschichte ein, als man es vor zwei Jahrzehnten erwartet hatte. Denn es endet nicht mit einem demokratischen Mehrheitsentscheid, den auch die Unterlegenen akzeptieren könnten.

Im Gegenteil: Es verschärft die Spannungen und die Spaltung zwischen den aus Europa und zum Teil aus Polynesien zugewanderten „Caldoches“, die sich als integraler Bestandteil der französischen Nation fühlen, einerseits und den melanesischen Kanak, die auf ihre angestammten Rechte und ihre Kultur pochen, auf der anderen Seite. Gerade jetzt den Dialog zu beenden, kann fatale Folgen haben.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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