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Volksbegehren gegen Werbung in Berlin„Das Stadtbild wird verunstaltet“

Eine Initiative will Werbung im öffentlichen Raum in Berlin per Volksentscheid bis auf wenige Ausnahmen verbieten. Warum, erklärt Mitgründer Fadi El-Ghazi.

Diese meiste Werbung ist einfach Nonsens Foto: dpa
Antje Lang-Lendorff
Interview von Antje Lang-Lendorff

taz: Herr El-Ghazi, Sie wollen ein Volksbegehren gegen Werbung im öffentlichen Raum starten. Warum ist das nötig?

Fadi El-Ghazi: Weil Werbung immer mehr Fläche beansprucht. Sie zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich und verändert das Gesicht der Stadt. Der öffentliche Raum ist aber für die Begegnung von Menschen da, als Ort des gesellschaftlichen Lebens. Diese Funktion tritt zunehmend hinter Wirtschafts- und Finanzinteressen zurück.

Wird die Werbung wirklich mehr?

Ja. Gerade an stark frequentierten Straßen und Plätzen nimmt die Außenwerbung massiv zu. Der Senat hat gerade 8.100 Werbeflächen ausgeschrieben, von denen sollen offenbar 6.000 oder 7.000 neu sein. Wollen wir wirklich an jeder dritten Laterne einen leuchtenden Hinweis auf Aldi, Lidl oder McDonald’s? Immer mehr Hausfassaden werden von Privateigentümern für Werbung genutzt. Nicht nur die Quantität, auch die Qualität der Außenwerbung verändert sich. Zurzeit haben wir Plakate, die wechseln regelmäßig, aber sie sind analog. Die Zukunft der Werbung ist digital. Das heißt: große Displays wie am Spreeufer nahe der Oberbaumbrücke, die das Stadtbild verunstalten.

Was wollen Sie dagegen tun?

Wir haben beim Senat ein Gesetz eingereicht, das Werbung klar reguliert. Es betrifft verschiedene Bereiche: Werbung in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Hochschulen, Kindergärten und Behörden soll es nicht mehr geben. Wir wollen zudem die Bauordnung des Landes ändern und Anlagen der Außenwerbung im öffentlichen Raum grundsätzlich verbieten.

Im Interview: Fadi El-Ghazi

38, ist Strafverteidiger und hat den Gesetzentwurf für ein werbefreies Berlin gemeinsam mit KollegInnen erarbeitet.

Der öffentliche Raum soll werbefrei werden?

Prinzipiell ja. Allerdings sieht das Gesetz auch Ausnahmen vor: Vor Ort, also an der Stätte der Leistung, darf Werbung stattfinden. Wir wollen keinem Laden- oder Restaurantbesitzer sein Werbeschild wegnehmen. Auch Veranstaltungswerbung soll weiterhin auf besonders ausgewiesenen Flächen möglich sein. Das Gesetz regelt zudem die Problematik der herabwürdigenden oder diskriminierenden Werbung.

Wenn Werbung grundsätzlich verboten ist, weshalb muss man diskriminierende Werbung extra verbieten?

Weil auch die Ausnahmen vom Verbot nicht herabwürdigend oder diskriminierend sein dürfen.

In São Paulo gibt es seit zehn Jahren ein Verbot von Außenwerbung.

Auch Rot-Rot-Grün will sexistische und diskriminierende Werbung auf landeseigenen Flächen ausschließen. Einzelne Bezirke setzen das bereits um. Das reicht Ihnen nicht?

Nein. Der Senat will bei der Vergabe der Werberechte in die Verträge schreiben, dass keine sexistische Werbung auf den Flächen platziert werden darf. Wir wollen das auf gesetzlicher Ebene regeln. Bisher entscheidet der deutsche Werberat, eine Institution der Werbewirtschaft, ob eine Werbung herabwürdigend oder diskriminierend ist. Geht es nach uns, befinden darüber in Zukunft unabhängige Gerichte.

Werbung kostet. Welche Einnahmen würden Berlin durch ein Verbot entgehen?

Initiative und Senat

Die Bürgerinitiative Berlin Werbefrei hat sich im April 2017 gegründet. Sie kooperiert mit dem Verein Changing Cities, der auch hinter dem Volksentscheid Fahrrad steht. Weitere Infos unter: berlin-werbefrei.de

Vom Senat heißt es, man habe sich zu der Initiative inhaltlich noch keine Meinung gebildet. Auch die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit stehe noch aus. (all)

Bei den 8.100 ausgeschriebenen Werbeflächen war in Medienberichten von Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe pro Jahr die Rede. Wie teuer ein Verbot für Berlin insgesamt würde, wissen wir bald: Wir haben den Gesetzentwurf eingereicht und warten derzeit auf die amtliche Kostenschätzung.

Wenn Sie die haben, wie geht es weiter?

Dann beginnen wir mit der ersten Unterschriftensammlung, wir brauchen 20.000 Unterzeichner. Im Anschluss wird das Gesetz rechtlich geprüft, etwa ob es mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist. Auch das Abgeordnetenhaus berät darüber. Wenn die Parlamentarier das Gesetz ablehnen, müssen wir 200.000 Unterschriften sammeln. Klappt das, kommt es zum Volksentscheid. Unser Ziel ist es, dass die Berliner im Frühsommer 2019 parallel zur Europawahl über eine werbefreie Stadt abstimmen können.

Kommt ein Verbot für die derzeit ausgeschriebenen 8.100 Werbeflächen nicht zu spät? Sie sollen ab 2019 bespielt werden.

Soll das lustig sein? Offenbar, denken die Werber Foto: dpa

Der Senat will die Verträge für die Werbeanlagen schon vorher unter Dach und Fach haben. Aber wenn unser Verbot kommt, gilt es auch für diese Flächen, der Senat sollte also eine Kündigungsklausel in die Verträge aufnehmen.

Wenn es nach Ihnen ginge, wie sieht Berlin in drei Jahren aus?

Der Blick in den Himmel ist frei, man sieht die Gebäude. In São Paulo gibt es seit zehn Jahren ein Verbot von Außenwerbung. Das hat dazu geführt, dass viele Fassaden restauriert wurden. Für das Stadtbild war das sehr positiv.

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