Volksbegehren „Berlin werbefrei“: Wie dunkel darf’s denn sein?
Die Initiative „Berlin Werbefrei“ möchte Außenwerbung stärker regulieren. Der Senat macht bei einer Anhörung klar, wie wenig er von ihren Plänen hält.
Die Initiatior:innen des Volksbegehrens Berlin Werbefrei haben am Montag bei einer Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses ihren Gesetzentwurf vorgestellt – und verteidigt. Ihr Anliegen ist es, Außenwerbung im öffentlichen Raum stärker zu regulieren und damit negative Folgen für das Stadtbild, die Verkehrssicherheit und die Umwelt zu reduzieren. Insbesondere digitale Werbemonitore sorgten für eine „optische Dominanz im öffentlichen Raum“ und gehörten deshalb verboten, so Sarah Mohs von der Initiative.
Erst im August hatte der Senat den Gesetzentwurf als rechtlich zulässig anerkannt, ganze sieben Jahre nachdem die Initiative 32.456 gültige Unterschriften für ein Volksbegehren eingereicht hatte. Nach einer Ablehnung durch die Landesregierung hatte der Landesverfassungsgerichtshof der Initiative die Möglichkeit gegeben, ihr Gesetz nachzubessern. Förmliche Bedenken konnten damit ausgeräumt werden; politisch jedoch lehnen SPD und CDU das Gesetz weiterhin ab. Nimmt das Abgeordnetenhaus es nicht an, kann „Berlin Werbefrei“ ab 2026 ein Volksbegehren starten, das schließlich in einen Volksentscheid münden könnte.
Laut aktueller Rechtslage sind Werbeanlagen grundsätzlich zulässig, sie dürfen aber das Straßen- oder Ortsbild nicht „verunstalten“ – ein „unbestimmter Rechtsbegriff“, sagen die Aktivist:innen. Dagegen soll ihr Gesetz einen „klaren Katalog“ vorgeben, wann Werbung zulässig ist. Geplant ist das Verbot freistehender Werbeanlagen, von digitalen Werbemonitoren und Baugerüstwerbung. Erlaubt bleiben soll dagegen die Werbung an Litfaßsäulen und Haltestellen – mit einem Anteil von 50 Prozent für Veranstaltungs- und gemeinnützige Werbung – sowie die Werbung an Geschäften.
Einwände gegen die Pläne kamen von Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) und Wirtschaftsstaatssekretär Michael Biel. Geabler verwies auf das bereits existierende Werbekonzept des Landes Berlin und sagte: „Den grundsätzlichen Ansatz, digitale Werbung und freistehende Werbung zu verbieten, halte ich für nicht zielführend.“ Biel argumentierte mit Einnahmeverlusten in Höhe von 300 Millionen Euro und Jobverlusten in der Kreativbranche. Der SPD-Abgeordnete Matthias Kollatz verwies zudem auf eine aktuelle Studie, nach der Berlin zu den dunkelsten Städten weltweit zähle. Zudem sei Licht wichtig für die Sicherheit im öffentlichen Raum.
Nachteile für großen Werbeunternehmen
Fadi El-Ghazi von Berlin Werbefrei widersprach: Das Werbekonzept des Landes sei „unverbindlich“ und „keine rechtliche Norm“. Auswüchse von überbordender Werbung würden damit nicht verhindert, ebenso wenig Werbung an Hausfassaden, die für Mieter:innen oft monatelange Dunkelheit bedeute. Auch seien die Einnahmeverluste wesentlich niedriger, maximal 49 Millionen Euro, wie selbst die amtliche Kostenschätzung des Senats festgestellt hat. Der Rest seien „vermeintliche Mindereinnahmen der Werbewirtschaft“, die ungeprüft übernommen würden, so El-Ghazi. Auch die Gefahr des Verlustes von Arbeitsplätzen sieht die Initiative nicht. So würden Werbekonzepte selten für einen einzigen Kanal entwickelt.
Die Einzigen, die Nachteile durch ihr Gesetz hätten, seien die großen Werbeunternehmen Ströer und WallDecaux. Für El-Ghazi ist das verkraftbar: „Die sind nachteilig zu behandeln gegen die Interessen der Menschen in unserer Stadt.“ Kompromissbereit zeigte sich die Initiative gleichwohl. Würden Maßnahmen wie Dimmung und nächtliches Abschalten gesetzlich festgeschrieben, könnte auf ein generelles Verbot digitaler Werbetafeln verzichtet werden. Doch nach einem Kompromiss mit dem Senat, wie es jüngst den Initiator:innen des Baumentscheids gelang, sieht es derzeit nicht aus.
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