Vier-Tage-Woche auf dem Kirchentag: Am fünften Tage sollst du ruhen
Viele junge Menschen wollen nicht in Vollzeit arbeiten, Gewerkschaften fordern die Viertagewoche. Auch die Kirche spricht über die Zukunft der Arbeit.
Auf dem Kirchentag erntet diese Haltung wenig Zuspruch. „Wenn Gott schon einen Tag Ruhe braucht, dann brauche ich mindestens einen mehr“, scherzt der Moderator eines Podiums mit dem Titel „Arbeiten im neuen Normal“, Bjarne Thorwesten. Er ist Vorstandsmitglied der Christlichen Pfadfinder. Wie sieht sie aus, die Arbeit der Zukunft? Kann es wirklich weniger Arbeit für den gleichen Lohn geben, so wie es die IG-Metall inzwischen fordert?
Die Vier-Tage-Woche sei vor allem ein „Buzzword“, sagt Alexander Zumkeller, tätig in einem Technologieunternehmen. Es ginge nicht um ein langes Wochenende, sondern um eine generelle Arbeitszeitverkürzung und -flexibilisierung. Beides sei grundsätzlich machbar.
Zum einen würden einige Arbeiten in Zukunft durch neue Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz ohnehin automatisiert, zum anderen seien Arbeitnehmer*innen durch den Fachkräftemangel in einer besseren Verhandlungsposition. Aber sie hätten unterschiedliche Bedürfnisse, die der Viertagewoche nicht unbedingt entsprechen. Sie bräuchten vielmehr ein maßgeschneidertes Arbeitszeitmodell, das zum Leben passt. Dazu brauche es aber Deregulierungen in den Arbeitszeitgesetzen.
Deregulierung nur mit Tarifvertragsbindung
Alles schön und gut, antwortet Andrea Nahles, ehemalige Bundesarbeitsministerin und heute Chefin der Bundesagentur für Arbeit. Einige Gesetze müssten flexibler werden. Deregulierung in diesem Bereich dürfe es „aber bitte nur mit Tarifvertragsbindungen“ geben. Dafür erntet sie Applaus aus dem Publikum.
Katja Hessel, Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, gibt zu bedenken, dass nicht alle Arbeitnehmer*innen von Homeoffice und flexibler Arbeit profitieren könnten. Der Arbeitsmarkt könne gespalten werden, in Menschen, die Freiheit und Flexibilität genießen, und andere, die die Arbeit erledigen müssten.
Die Soziologin Jutta Allmendinger stimmt zu und ergänzt: „Eine gespaltene Gesellschaft kann keine Gesellschaft der Zukunft sein.“ Sie plädiert für eine generelle Arbeitszeitverkürzung auf 32 Wochenstunden. Außerdem fordert sie eine „große Offensive des Miteinanders“ und Gelegenheiten, bei denen sich Menschen mit unterschiedlichen ökonomischen Hintergründen wieder mehr begegnen – zum Beispiel mit einem verpflichtenden sozialen Jahr.
Ein ganzer Tag mehr freie Zeit
Eine Wochenarbeitszeit von 32 Stunden, das wäre ein ganzer Tag mehr freie Zeit. Was würden die Menschen, die hier auf dem Kirchentag unterwegs sind, damit anfangen? „Ich hätte gerne mehr Zeit für…“ steht auf einem Plakat inmitten des Messegeländes. Olaf Zechlin, Pfarrer und psychologischer Berater aus Essen, spricht die Vorbeilaufenden an. „Wofür brauchen Sie mehr Zeit?“ Viele Wünsche landen auf dem Plakat: Zeit für Enkel*innen, fürs Nichtstun, für Spiritualität, für Aktivismus oder für ihre Kinder.
Zechlin hat den ganzen Tag mit Menschen über Zeit gesprochen. Und was sind seine Eindrücke? Wollen die jungen Menschen einfach nicht mehr arbeiten? Das sei nicht das leitende Bedürfnis, erzählt er: „Die junge Generation will innere Orientierung und erfüllte Arbeit. Den Zeitausgleich wollen sie dann außerdem.“
Auch das sei im Sinne der Kirche: „Unser Ziel ist ja, dass die Menschen einen inneren Frieden finden können. Wenn sie dazu mehr Zeit brauchen, dann sollen sie die bekommen.“ Deswegen sei die Arbeitszeitreduktion gerade ein Thema in den Kirchen, denn auch Pfarrer*innen könnten nicht unbegrenzt arbeiten: „Wir gehen da gerade auf eine Arbeitszeit von 41 Stunden, um den Pfarrberuf auch für junge Menschen wieder attraktiv zu machen.“
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