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Video von Böhmermann und Heufer-UmlaufGriechen-Bashing in Schlagzeilen

Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf zitieren Titelzeilen zu Griechenland. Und finden: Die meisten Medien benehmen sich wie Arschlöcher.

Lebemann Jan Böhmermann weiß alles über die Griechen. Screenshot: www.youtube.com/channel/UCLht2x-uqofs-7Kvq6ts-5Q

Einmal das Tatar bitte aufs Luxuszimmer. Ach, das ist nur für Hunde? Egal, dann einfach nur die Hälfte. Lacoste die Welt? Geld spielt keine Rolex. Ein Hotelzimmer, Jan Böhmermann im weißen Bademantel und eine Telefonleitung zu Klaas Heufer-Umlauf, ebenfalls im weißen Bademantel. Das ist das Setting eines neuen Videos der beiden Moderatoren, das seit Freitag online ist.

Es ist ein klassischer Böhmermann – viel Ironie, Übertreibung macht anschaulich. Aber in diesem Fall wird es nach der Tatar-für-Hunde-Nummer ernst.

Denn Böhmermann und Heufer-Umlauf sprechen über die Griechenland-Krise und nutzen dafür nur Schlagzeilen deutscher Medien. „In Wirklichkeit sind die Griechen doppelt so reich wie wir.“ „Nein, keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen.“ „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen.“ „Russen oder Griechen, wer ist eigentlich gefährlicher?“ „Chaotische Verwaltung.“ „Der Euro ist kein Geschenk der Götter.“

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„Schöne deutsche Euros“

Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf zum Griechenland-Bashing

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Nichts davon ist ausgedacht, die Medien werden im Video eingeblendet. Stern, Welt, Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung und ganz viel Bild.

Die Aneinanderreihung der Schlagzeilen führt in grotesker Absurdität vor, mit welchen Klischees und Vorurteilen viele deutsche Medien in der Griechenland-Krise Politik betrieben haben und betreiben. Böhmermann und Heufer-Umlauf haben für ihr Video „Unsere schönen deutschen Euros“ einen Hashtag erfunden: #stopbeingassholes.

Das Video hat Böhmermann direkt mal an SPD-Chef Sigmar Gabriel getwittert und fragt Gabriel – der durchaus auch mit schwungvoller Griechenland-Rhetorik aufgefallen ist – ob er helfen würde, junge Leute für das Thema zu begeistern. Gabriel steigt ein und lädt Böhmermann und Heufer-Umlauf via Twitteraccount der SPD zu sich ein. Böhmermann lehnt ab: “Nee, Missverständnis, Herr Vizekanzler. Wir würden SIE gerne in dieser Sache instrumentalisieren, nicht andersrum.“ Da ist der letzte Tweet sicher noch nicht ausgetauscht.

Die bittere Pointe am Ende des Videos wiederum steht: Der Bildschirm wird schwarz. Die Deutschen hätten in diesem Sommer eine historische Chance, heißt es dann. „Die Chance, uns einmal nicht wie Arschlöcher zu benehmen.“ Schließlich habe man einen guten Grund, den Griechen zu helfen. Dann ein letztes Wort, erst auf deutsch, dann in vielen anderen Sprachen: Europa.

Die europäische Idee. Da war ja mal was.

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17 Kommentare

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  • Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber man wünscht sich momentan Kohl zurück. Der war immerhin Europäer und man wusste, am Ende gibt es eine Einigung mit Frankreich - für Europa. Mutti und der fatalistische Schäuble scheißen auf Europa, auf 65 Jahre Frieden und Stabilität. Und der Großteil der deutschen Presse ist mitschuldig.

  • "Hetze" scheint das hier das Lieblingswort zu sein.

    Schon mal in die griechische Presse geschaut?

  • Der Boulevard-Journalismus spricht eben den Bauch an und nicht das Hirn - verkauft sich besser - ist in Griechenland übrigens nicht anders!

  • Hätte es nicht eigentlich vor einer "Postdemokratie" eine Demokratie geben müssen? Hab ich die verpennt?

     

    Ach ja, jetzt erinnere ich mich: Als es im Westen die real existierende Demokratie gab, hatten wir im Osten den real existierenden Sozialismus - und ein Westsenderverbot.

     

    Obwohl. Der Mensch hat ja einen seltsamen Hang zum Übertreten von Verboten. Wahrscheinlich gab es genau deswegen im demokratischen Westen kein Ostsenderverbot. Das war auch gar nicht nötig. Der Durchschnittswessi ist bis heute stolz auf die Fähigkeit seiner Ahnen, trotz Ignoranz nicht zu verhungern. Es lebe der Marshallplan! Und wehe, jemand kommt auf die Idee, den Griechen was zu schenken!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Bitte nicht ganz so streng, geschätzter Mitstreiter! Vielleicht erinnern Sie sich als engagierter Kommunarde noch daran, dass ich kürzlich einen Marshall-Plan für Griechenland gefordert habe.

       

      Aber auf mich hört mal wieder keine Sau. (Frei nach F.K.Waechter)

  • "Zitieren ist das neue Parodieren."

  • Aus der Griechenhetzte kann sehr leicht ein Deutschhetze werde, wenn die Bundesregierung so seinseitig weiter macht!

  • Zitieren ist das neue Parodieren.

    • @lichtgestalt:

      "Parodieren" scheint ein Teil, wenn nicht die Substanz, der, z.B. deutschen, "Politik" zu sein...

       

      Als ich vor Jahren mal deutsches (Staats-)Fernsehen (damals nur noch ARD, ZDF) entdeckte, dachte ich, dass die KomikerInnen zur Nachrichtenzeit auftreten.

      Aus mir unverständlichen Gründen.

       

      Dieselben KomikerInnen traten aber auch zu Kabarettsendungszeiten auf. So wurde mir klar, dass Kabarett ein Teil der Politik nördlich des Rheins sei.

      Aus mir unverständlichen Gründen.

       

      Könnte es vielleicht sein, dass ich unter Politik etwas anderes verstehe als ihr, liebe Mitmenschen nördlich des Rheins?

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @vjr:

        Auf diese Antwort habe ich mich den ganzen Sonntag schon gefreut.“ Realsatire, jaja. Wer hat`s erfunden? „Sogenannte Schweizerische Erläuterungen“: https://www.youtube.com/watch?v=EGAEHoMMJgc

        Die Vorstellung, der deutsche FinMin Schäuble würde im Bundestag so parlieren wie Bundesrat Merz, löst bei mir einen heftigen Lachanfall aus.

  • Alle, die bei Twitter oder Facebook sind (also absichtlich nicht ich): weißt auf diesen Artikel und das verlinkte Video hin!!! Ich mach´s halt per Mail.

    Sehr ernstes, eigentlich todtrauriges Thema, dennoch witzig verpackt. ZUM GLÜCK KOMMT DIE TAZ IN DEM VIDEO NICHT VOR.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Mit großer Freude nehme ich zu Kenntnis, dass es junge Menschen unter Fünfzig gibt, die sich von der Griechenhetze nicht vereinnahmen lassen und noch zu differenzierter Sichtweise fähig sind. Ganz besonders hat mir die Replik auf Gabriel gefallen. Gute Leute! Weitermachen!

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Mit großer Freude nehme ich zur Kenntnis, dass es Menschen über Fünfzig gibt, die sich von der Griechenhetze nicht vereinnahmen lassen und noch zu differenzierter Sichtweise fähig sind.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @TV:

        Botschaft angekommen.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Die Griechenhetze, besonders bei BILD, ist mir auch übel aufgestoßen, vor allem weil sie billig zu haben ist: die Griechen sind ein kleines Land, sie haben keine starke Lobby in Deutschland, sie können sich nicht wehren. Da ist das Draufhauen einfach und vor allem ohne Risiko. Niemals hätte man sich das bei den Türken getraut, wären die im Euro und in einer vergleichbaren Situation. Da hätten sich all die Spötter und Großmäuler auf die Zunge gebissen, weil sie feige sind und sich vor dem Gegenwind in die Hose machen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Jan:

        Richtig, so ist er, der 'deutsche Charakter': nach oben buckeln, nach unten treten. Im Innern wie nach Außen. Erfahrungs- und lernresistent. Viel erlebt und nichts begriffen. Seit Jahrhunderten.

  • Nichts für ungut: der Umgang der Medien und der Politik mit allen, die nicht dem offiziösen Konsensbullshit entsprechen, ist in den letzten Jahren eskaliert. Debatte, Diskussion, sachliche Auseinandersetzung - abgeschafft. Wer nicht mein Freund ist, ist mein Feind. Einen kleinen Goebbels haben wir wohl alle in uns. Willkommen in der Postdemokratie