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Verurteilung von chinesischer BloggerinPeking hat Angst vor Zhang Zhan

Kommentar von Sven Hansen

Dass sich Chinas Machthaber:innen vor einer Bürgerjournalistin wie Zhang fürchten, hält dem Regime den Spiegel vor. Am Ende stärkt es den Einfluss von Blogger:innen.

Die 37-jährige Bloggerin Zhang Zhan veröffentlichte ihre Videos über die Coronapandemie auf Youtube Screenshot: youtube/afp

C hina hat die Coronapandemie zweifellos viel besser unter Kontrolle bekommen, als viele in- und außerhalb des Landes zunächst erwartet hatten. Das hat die autoritär regierte Volksrepublik mit drastischen Maßnahmen geschafft, die in westlichen Demokratien so meist kaum durchsetzbar gewesen wären. Doch ist dies weniger ein Beleg für die von Peking beanspruchte Überlegenheit seines von der Kommunistischen Partei dominierten politischen Systems als vielmehr von insgesamt entschlossenem und richtigem Handeln.

Denn das hat zum Beispiel auch die von Peking verhasste Regierung in Taiwan geschafft, die das Virus ebenso schnell und beeindruckend besiegt hat – innerhalb eines demokratischen, pluralistischen und rechtsstaatlichen Systems.

Für Peking ging es nie nur um die Kontrolle der Pandemie, sondern mindestens ebenso um die Kontrolle des damit verbundenen Narrativs. Also das Verschweigen anfänglicher Vertuschung wie die Verhinderung einer kritischen Durchleuchtung bis hin zur Infragestellung einzelner Maßnahmen.

Genau deshalb sind unabhängige Bür­ger­journalist*innen wie die am Montag zu vier Jahren Haft verurteilte 37-jährige Zhang Zhan für Peking so gefährlich. Dabei ist es kein Zufall, dass die Prozessfarce gegen Zhang ausgerechnet in den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester stattfindet wie der jetzt ebenso am Montag begonnene Prozess gegen zwölf Demokratieaktivisten aus Hongkong.

Die Zensur führt dazu, dass sich Fehler wiederholen

Sie waren beim Fluchtversuch nach Taiwan von Chinas Küstenwache gefangen worden. China setzt bei dieser Terminierung darauf, dass potenzielle Beobachter*innen wie westliche Diplomat*innen und Journalist*innen in dieser Zeit bei ihren Familien sind und die Verurteilung dann ohne große Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit stattfinden kann.

Dass sich Chinas Machthaber vor einer Bürgerjournalistin wie Zhang fürchten, hält ihrem Regime den Spiegel vor. Denn statt sich selbstbewusst der meist wenig professionell vorgetragenen Kritik zu stellen, wird hier ein Exempel statuiert. Ironischerweise trägt dies dazu bei, dass bei der nächsten Krise die offiziellen und zur Propaganda missbrauchten Medien zu Recht nur über eine geringe Glaubwürdigkeit verfügen und genau dies die Macht von Bloggern stärkt.

Und zugleich führt diese Art der Zensur dazu, dass sich Fehler wiederholen, die auf mangelnde Transparenz zurückzuführen sind. Chinas Machthaber bleiben so stets auf die Kontrolle des Narrativs angewiesen. Das könnte ihnen eines Tages auf die Füße fallen – nämlich dann, wenn sie selbst auf akkurate Informationen angewiesen sind.

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9 Kommentare

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  • Ich wünsche Frau Zhang Zhan viel Kraft um ihren Weg konsequent weiter zu gehen. Die chinesische Diktatur muss immer und immer wieder an den Pranger gestellt werden.

    Die Verbrechen dieser Diktatur können gar nicht genug öffentlich gemacht werden.

    Vielleicht besteht eines Tages Hoffnung auf Freiheit - auch für das unterdrückte Volk der Tibeter.

  • Schandurteile in China und Saudi-Arabien

    Danke für den Bericht über die Verfolgung von chinesischen Bürgerrechtlerinnen, die der Gefährdung der nationalen Sicherheit durch einen angestrebten Wandel des politischen Systems und des Befolgens einer ausländischen Agenda bezichtigt werden.

    Jetzt warten wir nur noch auf den äquivalenten Bericht in der Taz über die saudische Frauenrechtlerin Lujain al-Hathlulm, die gleichermaßen bezichtigt wird, die nationale Sicherheit gefährdet, einen Wandel des politischen Systems angestrebt und eine ausländische Agenda vorangetrieben haben. Dafür wurde sie jüngst zu über fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Als Überschrift böte sich an: „Riad hat Angst vor Lujain al-Hathlulm. Daß sich die saudische Monarcho-Diktatur vor einer Frauenrechtlerin wie Lujain al-Hathlulm fürchten, hält dem Regime den Spiegel vor.“ (vgl. NZZ von heute)

  • Also ich habe jedenfalls keine Angst vor Frau Zhang.



    Im Ernst, hat jemand die Anklageschrift und das Urteil gelesen? Auf welchen Fakten beruht die Annahme, der Prozess wäre eine "Farce"? Wenn Frau Zhang sich nach chinesischem Recht strafbar gemacht hat, hat sie die Konsequenzen zu tragen. So einfach, so rechtsstaatlich.



    China mischt sich nicht in Gerichtsverfahren in Deutschland ein, "internationale Diplomaten" sollten sich nicht in chinesische Prozesse einmischen. Das ist weltweiter Konsens in diplomatischen Beziehungen.

  • @TRABANTUS

    Solange Sie das "es" so wolkig-unbestimmt lassen, so lange Sie sich nicht darauf festlegen, wer hier "auf China, aber nicht auf die türkische Regierung" eindrischt...

    so lange bleibt Ihr Beitrag billiger whataboutism.

  • Ich erwähnte diesen Link bereits in einem anderen Artikel über die Bloggering:



    taz.de/Reaktion-au...eldungen/!5672179/



    Wir sind somit bereits ziemlich dicht an China dran, wenn ein Innenminister chinesische Verhältnisse fordert.



    Immer daran denken, alternative Wahrheiten können auch die Wahrheiten sein (siehe H1N1-Pandemie oder die Erde als Scheibe). Das zeigt sich meist erst später, da auch falsche Wahrheiten viele Anhänger haben. In einem chinesischen Pistorius-Deutschland hätte die echte Wahrheit aber keine Chance mehr.



    Die Bloggerin sollte somit eine Mahnung sein, auch weiterhin jede Meinung zuzulassen und Politiker zu grillen, die chinesische Verhältnisse fordern.

  • Ach, was drischt es sich herrlich auf die Chinesen ein, wenn man damit von der eigenen Unfähigkeit oder Ohnmacht gegenüber der türkischen Regierung und deren Umgang mit systemkritischen Journalisten ablenken kann.

    • @Trabantus:

      Wer drischt denn?

      Nur weil Erdogan systemkritische Journalisten einsperrt und die Taz darüber berichtet, heißt es ja nicht, dass die Taz nicht auch über chinesische Bloggerinnen berichten sollte.

      Ich habe leider nicht verstanden, was bzw. wen Sie mit "eigener Unfähigkeit oder Ohnmacht" meinen.

      Welche Macht oder Fähigkeiten sollte die Taz ihrer Meinung nach gegenüber der türkischen Regierung haben?

  • 0G
    02881 (Profil gelöscht)

    Mal ein paar Anmerkungen:

    "Doch ist dies weniger ein Beleg für die von Peking beanspruchte Überlegenheit seines von der Kommunistischen Partei dominierten politischen Systems"

    China verhält sich da nicht anders als alle anderen Staaten und Nationen. Jede(r) pocht auf die Überlegenheit des eigenen Systems.

    "die von Peking verhasste Regierung in Taiwan geschafft,"

    Peking "hasst" die Regierung in Taiwan? So sehen das vor allem die westlichen Medien. Taiwan und die VR haben sich auf einen Status Quo - ein Land, zwei System - eingependelt der eigentlich ganz gut funktioniert. Dieser Zustand wird in erster Linie in Frage gestellt von Seiten der westlichen Systeme und Medien.

    "Dass sich Chinas Machthaber vor einer Bürgerjournalistin wie Zhang fürchten,"

    Glaube ich weniger. Derartige Kritik wird in China von der Bevölkerung überhaupt nicht wahrgenommen. Vor allem wenn sie auf Kanälen (Youtube etc.) stattfindet die in China nicht genutzt werden oder eh gesperrt sind.

    Der Artikel hat natürlich insofern recht als das es in China keine freie und unabhängige Presse gibt, das - sorry to say - ist vom System nicht vorgesehen.

    • @02881 (Profil gelöscht):

      „Taiwan und die VR haben sich auf einen Status Quo - ein Land, zwei System - eingependelt der eigentlich ganz gut funktioniert.“



      Allerdings handelt es sich nicht darum, dass sich beide Seiten sozusagen auf Augenhöhe eingependelt haben. Sondern es war und ist ein Propagandainstrument, um die Zweifel und Befürchtungen des „Westens“ zu zerstreuen. Siehe auch Hongkong: Als die Hongkonger begannen, sich unbotmäßig zu verhalten, war ganz schnell Schluss mit „ein Land, zwei Systeme“.



      Darüber hinaus haben die Pekinger Kommunisten nie einen Zweifel an ihrem Gebietsanspruch auf Taiwan gelassen. Vermutlich warten sie auch betreffs Taiwan nur auf eine passende Gelegenheit.