Verteilung von Flüchtlingen aus Moria: Das Problem heißt Lager
Deutschland will mehr Menschen aus Moria aufnehmen. Doch Griechenland lässt sie nicht ausreisen. Das Kalkül dahinter: Abschreckung.

S eit Monaten wird darum gestritten, ob Deutschland mehr Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen soll. Nun will die Bundesregierung 1.500 Menschen mehr aufnehmen als die bisher zugesagten 1.000. Und dann das: Griechenland will die Menschen aus Moria nicht ausreisen lassen. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis machte klar, dass nur anerkannte Flüchtlinge in andere EU-Staaten ausreisen dürfen sollen. Das ist aber nur eine Minderheit der Insassen von Moria. Für viele hierzulande klang diese Weigerung infam und unverständlich. Infam ist sie, aber erklären lässt sie sich.
Bislang wollte Griechenland immer, dass möglichst viele Flüchtlinge von anderen EU-Staaten aufgenommen werden. Das hat sich grundsätzlich nicht geändert. Nach dem Brand in Moria fürchtet die Regierung jedoch, dass die Insassen anderer EU-„Hotspots“ auf den Ägäis-Inseln – auch diese sind völlig überfüllt und teils von Corona-Ausbrüchen geplagt – ebenfalls ihre Lager anzünden, um ausreisen zu dürfen.
An dieser Befürchtung könnte etwas dran sein. Das liegt aber keineswegs daran, dass es sich bei den Insassen um „Kriminelle“ handelt, die den Staat erpressen wollen, wie in den vergangenen Tagen vielfach zu lesen war. Es liegt vielmehr daran, dass es diese Lager so gar nicht geben dürfte. Was dort geschieht, verletzt praktisch alle Grundrechte der dort untergebrachten Menschen.
Daran ist Griechenland keineswegs unschuldig: Das Land hat seit 2015 enorme Summen von der EU bekommen, um die Flüchtlinge auf seinem Territorium angemessen zu versorgen. Es hat aber aus strategischen Gründen erhebliche Anteile dieser Gelder nicht abgerufen, um mit Bildern vom Elend in den Lagern eine andere EU-Asylpolitik zu erzwingen und andere Flüchtlinge abzuschrecken.
Das Paradox, dass ausgerechnet Athen jetzt auf die Umverteilungsbremse drückt, zeigt: Das Problem heißt nicht Moria, es heißt Lager. Solange Menschen systematisch entrechtet werden, um andere abzuschrecken, ist mit punktuellen Aktionen keine Gerechtigkeit herstellbar.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links