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Verteidiger der DemokratieDer Mut der Einzelnen

Kommentar von Stefan Alberti

Drei Polizisten haben bei einer Demonstration von Corona-Leugnern den Bundestag vor Nazis geschützt. Ein lobenswerter Einsatz für die Demokratie.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfängt die am Reichstag eingesetzten Polizisten Foto: dpa

E s gibt in diesen Tagen und Wochen viele, die – zu Recht – viel über die Demokratie reden und darüber, dass sie geschützt werden müsse. Manchmal aber muss man es einfach auch tun. Das haben jetzt in einem entscheidenden Moment ausgerechnet drei Männer gemacht, die zu einer Berufsgruppe gehören, die sich mit Müll gleichsetzen, als generell gewaltorientiert und rechtslastig bezeichnen lassen musste.

Drei Polizisten haben sich am Samstag mit ihrem Körper vor eine über hundertköpfige Menge gestellt, die die Stufen zum Reichstagsgebäude hochstürmte, und den Eingang verteidigt, bis Verstärkung eintraf. Ohne diese drei hätten Rechtsextreme mit Reichsflaggen in das Symbol der parlamentarischen Demokratie eindringen können. Es könnte das Bild des Jahres werden.

Es hat in der Geschichte immer wieder Momente gegeben, wo nicht Strukturen oder geniale Strategien das große Ganze schützten, vor dem Kollaps oder einer Demütigung bewahrten, sondern der Mut und Einsatz Einzelner. Der Mann ohne Helm, wie er bekannt geworden ist, der Berliner Polizist Karsten Bonack, er erinnert auf den Videos, die im Internet anzuschauen sind, an den legendären Horatius Cocles der altrömischen Geschichte: Angreifende Etrusker hatten – wie am Samstag die Demonstranten die Polizeikräfte – das römische Heer umgangen und standen am Tiber vor der einzigen Brücke. Die verteidigte Cocles allein, bis seine – auch bei ihm – zwei Kollegen hinter ihm die Brücke zerstört und damit sichergestellt hatten, dass die Angreifer nicht schnell zur Stadt vordrangen.

Da muss sich ein jeder schon fragen: Hätte ich das auch gemacht? Hätte ich auch für die Demokratie – auch Rom war damals noch Republik – Kopf und Körper hingehalten? Am Tag nach der Großdemo schlug im Wedding in der Müllerstraße ein Mann während eines katholischen Gottesdienstes den Pfarrer nieder und konnte danach fliehen: Laut Zeugen sprang nur einer dem Geistlichen zur Seite, offenbar traute sich niemand sonst, den Täter aufzuhalten.

Da muss sich ein jeder schon fragen: Hätte ich das auch gemacht?

Nun ist nicht jeder so breitschultrig wie der Polizist Bonack und hat nicht über 30 Dienstjahre mit brenzligen Situationen hinter sich. Aber auch das war keine Garantie, dass er da heile wieder rauskommen würde, als er sich vor die Menge stellte – Grünen-Senatorin Ramona Pop etwa hatte Journalisten in den Tagen vor der Demo von „unglaublichen Gewaltandrohungen“ gegen den Innensenator berichtet.

Was dabei ganz entscheidend ist: Bonack hat das mit Worten, klarer Ansage und seinen Händen gemacht – geschützt nur durch eine Weste, ohne Schutzpanzer, Schild oder Schlagstock. Er hat das getan in einer Situation, in der in den USA Polizisten womöglich längst die Waffe gezückt und vielleicht auch abgedrückt hätten. Was einmal mehr zeigt, wie falsch es ist, das US-Polizeiwesen und seine Schwachstellen mit dem deutschen gleichzusetzen.

Man muss darum nicht gleich zum Fan der Polizei werden. Und, ja, es gibt dort Fälle illegaler Gewaltanwendung. Trotzdem ist festzustellen: Was Bonack und seine beiden Kollegen am Samstag vor dem Bundestag getan haben, war Dienst an der Demokratie. Man muss auch kein Fan der Linkspartei sein, um ihrem Fraktionschef Dietmar Bartsch recht zu geben. Der hat über den Mann ohne Helm gesagt: „Das ist eigentlich jemand, der ein Bundesverdienstkreuz verdient hat.“

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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11 Kommentare

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  • Glauben Sie wirklich, dass wenn es sich um "mehrere Hundert gewaltbereite Rechtsradikale" gehandelt hätte, diese sich von drei kaum bewaffneten Polizisten hätten aufhalten lassen?



    Man merkt, irgendetwas stimmt an der medialen Erzählung nicht...

  • Wann werden denn eigentlich die Beamten der /einen/ Bremer Polizeihundertschaft geehrt, die in Rostock Lichtenhagen GEGEN den Befehl die mordbrennenden Nazis zurückschlugen, und so der Feuerwehr Rettungseinsatz und Löschen ermöglichten?



    (Während alle ihre Kollegen sich an den Befehl hielten, und die Morbrenner toben ließen und der Gesamteinsatzleiter Deckert -ohne einen Stellvertreter zu benennen- abwesend war, um "sich ein frisches Hemd anzuziehen")

    • @Wagenbär:

      Ist das ihr Ernst? Sie wollen das Abfackeln von Menschen mit dem Hochlatschen von Treppenstufen gleichsetzen?

      Ja ich weiß "Währet den Anfängen!". Aber damit war nicht gemeint, einen Polizeistaat gegen rechte Treppenbesteigungsidioten einzurichten. Da haben Sie etwas falsch verstanden.

  • 0G
    06360 (Profil gelöscht)

    Nun wird der Karsten - mit 30 Dienstjahren bei der Polizei in Berlin! - als Demokratiebeschützer auch von der taz instrumentalisiert.

    Leute, das geht so nicht.



    Da hätte ich investigativen Journalismus erwartet.

    Der Mann hat, mit nicht korrekter Uniform, weil: ohne Mütze, auf seine Bekannten/Familie/Seinesgleichen eingewirkt - von oben herab, wie sie es wünschen-, um zu verhindern, dass dieses marginalisierte Sammelgrüppchen einen Versuch macht, der in den Medien nur peinlich hätte ausgehen können.

    Einen "Volkssturm" auf das Gebäude beginnt man nicht durch Globulijonglieren.

    Völlig daneben danach Bartsch. Mit einigen BundesverdienstkreuzträgerInnen möchte ich nicht einmal gemeinsam in einem Fußballstadion stehen müssen. Er hätte stattdessen ein paar seiner "Aktivist des 5 Jahres Plan" Plaketten anbieten können.

  • Na ja, wenn die Nazis wirklich gewollt hätten, hätten drei Personen nichts ausrichten können. Das war eher ein symbolischer Akt.

    • @resto:

      Wenn die Polizei es wirklich /nicht/ gewollt hätte, hätte sie den Nazis niemals die Chance für diese Propaganda-Aktion gegeben.



      Warum wusste ich schon am Freitag, dass die Polizei von den Nazis "völlig überrascht" sein würde?

      • @Wagenbär:

        "Warum wusste ich schon am Freitag, dass die Polizei von den Nazis "völlig überrascht" sein würde?"

        Sie sind ja einer. Wussten schon vor der Reichstagsaktion davon und haben in Vorfreude ihren Mund gehalten.

  • Ja, Herr Alberti, sie haben Recht, danke auch für den Mut dafür, diesen Text geschrieben zu haben!

    Wir brauchen den Mut der einzelnen, NEIN zu sagen.

    Wir brauchen den Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen - gegen jedes blinde Mitläufertum, egal wo.

    Wir brauchen den Mut, auszusprechen, daß es Errungenschaften unserer Gesellschaft(en), Errungenschaften unserer westlichen Zivilisation gibt, die absolut verteidigungswert sind. Deren Fehlen, wir bitter spüren würden.

    Dazu gehört: Es braucht hier und heute eher wenig Mut, die Mißstände unserer Gesellschaft offen und frei zu kritisieren – im historischen und internationalen Vergleich ist das KEINE Selbstverständlichkeit. Wir können kritisieren, ohne daß nachts die Staatspolizei unsere Wohnungstür einschlägt.

    Leider gehört heute auch Mut dazu, NEIN zu sagen gegenüber (nicht selten) absurden Anwürfen und Forderungen historisch-illiterater Socialmediamobs, regressiver puritanischer Sprach- und Symbolreiniger.

    Nicht wenige haben heute diesen Mut nicht: Wissenschaftler, Unternehmen, Behörden, Organisationen, sie haben Angst vor Rufmord, Geschäftsschädigung, Verlust des Arbeitsplatzes und sozialer Ächtung, Angst, als ‘Rassisten’ oder ‘Sexisten’ an den öffentliche Pranger gestellt zu werden.

    Wir brauchen den Mut, auszusprechen, daß die Delegitimierung, Dekonstruktion und Disruption der Grundlagen und Grundwerte der westlichen Zivilisation: Aufklärung, Vernunft, Wissenschaft, Liberalismus durch Kräfte, die sich als ‘fortschrittlich’ verstehen, uns eines Tages in die Situation bringen könnten, daß es niemanden mehr gibt, der diese Grundwerte verteidigt. Denn die Rechtsextremen arbeiten von der anderen Seite an genau der Erosion dieser Grundlagen.

    Dann haben wir ein echtes Problem.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Warum nicht einfach ein wenig Beifall klatschen und dann Schwamm drüber?

    Nur um daran zu erinnern: Polizist:innen haben geschworen, Befehle zu befolgen. Auch wenn es um so etwas geht wie dasd "Unterbindungsgewahrsam" (früher: Schutzhaft, Vorbeugehaftr), die in Bayern, Bremen und Schleswig-Holstein sogar zeitlich unbegrenzt gilt.



    de.wikipedia.org/w...rbindungsgewahrsam

    Und nehme niemand die Grünen als Partei, die für Rechtsstaatlichkeit eintritt. Überall, wo sie in Koalitionen mitregiert, hat sie der Verschärfung des Polizeirechts zugestimmt. Trotz dem, dass die CDU das Recht, Rechte zu haben (Hannah Arendt) faktisch abgeschafft hat und statt einem Asylrecht nur noch Privilegien kennt, sich also nach Hannah Arendt totalitär verhält, wird rhetorisch alles für Schwarz-Grün getan. Auch von Peter Unfried und anderen Apologeten bei der taz.

    Ohne überhaupt eine Straftat begangen zu haben, können Menschen für immer hinter Gitter gesperrt werden und ich habe noch von keinem Polizisten und von keiner Polizistin gehört, die deswegen den Dienst quittiert hätte.



    Das macht mir nicht nur Sorgen, das macht mir Angst für die kommende Zeit, wenn sich Teile von Fridays for Future radikalisieren werden, weil es barbarisch wäre, nur zu reden und nicht zu zeigen, dass man es auch ernst meint.

    1,3 Millionen Demonstrant:innen und gleichzeitig ein "Klimapaket", das 37,5 Milliarden Fördergelder für die fossile Industrie enthält. Das ist die Realität der parlamentarischen Demokratie und insbesondere viele der jungen Menschen, die jetzt nur demonstrieren, werden sich damit nicht einfach abfinden.

  • [...] Beitrag entfernt, da er sich auf einen anderen Artikel bezieht. Die Moderation

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Helene:

      Kann es sein, dass das der falsche Artikel für diesen Kommentar ist?