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Versprechen der Ampel beim KlimaHabeck plant Klima-TÜV

Das Wirtschaftsministerium bastelt an einem „Klimacheck“, der den CO2-Fußabdruck aller Gesetze dokumentiert. Die anderen Ressorts müssen zustimmen.

Würde diese Autobahn einem Klimacheck standhalten? Ausbau der Stadtautobahn A100 in Berlin Foto: Jürgen Held/imago

Berlin taz | Auf einem zentralen Feld ihrer Klimapolitik hat die Bundesregierung bisher nur vage Vorstellungen: Für den im Koalitionsvertrag geplanten „Klimacheck“ für alle Gesetze hätten im zuständigen Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz „erste konzeptionelle Vorüberlegungen“ stattgefunden, erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Nachfrage. Ein Jahr nach dem Beginn der Ampelkoalition soll dann dieses Instrument auf den Weg gebracht werden, um das gesamte Regierungshandeln aus Perspektive des Klimaschutzes zu bewerten. Das geht aus taz-Recherchen und der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hervor, die der taz vorliegt.

Ziel ist es, „Klimaschutz zu einer echten Querschnittsaufgabe aller Ministerien zu machen“, erklärte der Ministeriumssprecher. Demnach legt das Klimaministerium einen Prüfkatalog vor, der dann mit allen Ressorts in der Regierung abgestimmt werden muss. In einem mehrstufigen Verfahren, so die Idee, sollen die Auswirkungen von neuen Gesetzen dokumentiert werden: Wie viele Treibhausgase entstehen durch das Gesetz? Wie sind sie zu mindern oder zu vermeiden? Was wird getan, um die Emissionen auszugleichen?

Diese Arbeit soll in den einzelnen Ministerien geleistet werden, die den Rat von Fachleuten etwa vom Umweltbundesamt oder dem Expertenrat hinzuziehen können. Das Klimaministerium „strebt an, noch in diesem Jahr ein Konzept für den Klimacheck vorzulegen“, sagt ein Sprecher. Allerdings heißt es in der schriftlichen Antwort: „Das konkrete Verfahren wurde bislang noch nicht festgelegt.“

Bis zu einer Vorlage aus dem Klimaministerium halten sich die anderen Ressorts bedeckt: Man warte auf die Vorschläge aus dem federführenden Ministerium, heißt es von den Ministerien für Verkehr, Umwelt und Finanzen.

Klimacheck ist im Koalitionsvertrag verankert

Die Idee hinter dem „Klima­check“: Zukünftig soll alles Regierungshandeln darauf abgeklopft werden, ob es Deutschland dabei hilft, seinen Anteil an der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels zu erbringen – oder ob einzelne Gesetze eher das Gegenteil bewirken. So dürfte es etwa eine Debatte über den Bundesverkehrswegeplan geben, wenn er den Bau neuer Straßen und Flughäfen vorsieht.

Deshalb wurde im Klima-Kapitel des Koalitionsvertrags gleich am Anfang prominent darauf hingewiesen: „Wir werden Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe machen, indem das jeweils federführende Ressort seine Gesetzentwürfe auf ihre Klimawirkung und die Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen hin prüft und mit einer entsprechenden Begründung versieht (Klimacheck)“, heißt es in dem Koalitionsvertrag.

Kein Stoppschild aus dem Klimaministerium

Angelehnt ist diese Forderung, die besonders den Grünen wichtig war, an das Vetorecht des Finanzministeriums in Geldfragen und an die nötige Zustimmung von Innen- und Justizressort in verfassungsrechtlichen Fragen. Beide Ministerien werden von der FDP geleitet. Die Idee, dem Wirtschafts- und Klimaministerium ein solches Vetorecht zu geben, ließ sich allerdings nicht durchsetzen. Auf die Frage, ob es nun ein Einspruchsrecht des grünen Klimaschutzministers Robert Habeck gebe, heißt es in der Antwort nur: „Die Regelungen interner Abläufe werden unter den Ressorts abgestimmt.“ Ein Stoppschild aus dem Klimaministerium für Planungen in anderen Ressorts gibt es also nicht.

Andreas Jung, energie- und klimapolitischer Sprecher der Unionsfraktion, kritisiert an der Antwort: „Vom Bundeskanzler ist nirgends die Rede. Olaf Scholz hat sich im Wahlkampf als Klimakanzler ausgerufen, jetzt fällt das Kanzleramt bei der Koordinierung des Klimaschutzes komplett aus: Da fehlt jegliche Führung.“ Den Kabinettsausschuss Klima, den Angela Merkel 2019 einführte, gibt es bei der Ampel nicht mehr. Jung kritisiert auch, dass die Regierung auf seine Anfrage im Dezember die Antwort immer wieder verschleppt habe. Normalerweise beträgt die Frist zwei Wochen.

Klimaschutz als Querschnittsaufgabe

Nach langen Wochen und Monaten des Sortierens zwischen den Ministerien erklärt die Antwort der Regierung nun allerdings, wo in der Regierung welche Zuständigkeiten beim Klimaschutz liegen: Zentral im Wirtschaftsministerium, das dafür laut Haushaltsplan insgesamt 46,5 neue Stellen bewilligt bekommen hat. Im Auswärtigen Amt wird die internationale Klimapolitik gemacht, dafür wurden 16,5 Stellen aus dem Umweltministerium dorthin verschoben. Der Klimaschutz per Naturschutz bleibt dort in der Umweltverwaltung, die Klimafinanzierung liegt weiter beim Entwicklungsministerium. Die Regierung sieht darin den „Gesamtansatz“, bei dem jedes Ressort seine „eigene fachliche Expertise einbringt“. Ein Superministerium für Klimaschutz, das den anderen Ressorts Vorschriften machen könnte, führt Robert Habeck demnach nicht: „Das Prinzip der sektoralen Verantwortung wird unverändert fortgesetzt“, heißt es in dem Papier.

„Der Klimacheck ist wichtig, denn eine gute Klima-Regierungsführung ist zentral“, sagt dazu Lutz Weischer, Politikexperte der Entwicklungsorganisation Germanwatch.

„Es bringt wenig, wenn ein solcher Klima­check nur hinten an einem Gesetzesvorhaben dranhängt, wie es jetzt oft mit Fragen der Nachhaltigkeit gemacht wird.“ Spannend wäre es aber, wenn „man diesem Check Zähne verleihen könnte und vom Wirtschaftsministerium da eine gute Methodik vorgelegt werden würde“. Dann würde sich zumindest öffentlich zeigen, welches Ressort den Klimaschutz ernst nehme.

Entscheidend bleibt der politische Wille

Auch Christian Flachsland, Professor für Nachhaltigkeit an der Hertie School und Experte für Verwaltungsfragen im Klimaschutz, hält es grundsätzlich für eine gute Idee, „alle Portfolios auf Änderungsbedarfe zu überprüfen: Verkehrswegeplan, Wassermanagement, Forstmanagement“, sagt der Sozialwissenschaftler. Ob ein „formalistischer Klimacheck“ dafür das richtige Instrument sei, bleibe allerdings offen. „Entscheidend ist die politische Bereitschaft des jeweiligen Ministeriums, wenn man das will, kann und sollte man das auch ohne Klimacheck machen.“

Ein solches Verfahren könne „helfen beziehungweise nicht unbedingt schaden“ und „ambitionierten Beamten möglicherweise ein zusätzliches Instrument in die Hand geben“. Aber, so Flachsland: „Wo kein politischer Wille ist, wird wohl auch ein Klima­*check als neue Institution keine völlig neuen Wege eröffnen.“

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13 Kommentare

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  • Wie wäre es mit flächendeckenden Beratungsstellen für Klimasünder? Die könnten Ausstiegsprogramme anbieten. Meldeportale wären auch gut. Dann könnten kleine Vergehen des Energieverschwendens unterhalb der Strafbarkeitsgrenze rasch erkannt werden. Überhaupt bräuchte man noch mehr Statistiken, um den Anstieg von klimaschädlichem Verhalten darstellen zu können.

    Den Klima-TÜV muss man jedoch skeptisch sehen, welcher Beamter hat die Expertise irgendetwas durchzuwinken? Die müssten ja im Zweifel alles stoppen.

  • Ideenwettbewerbe sind auch immer ein Ausdruck von sonstiger Rat- und Machtlosigkeit. Dass dieses Gummigeschoss Habeck überhaupt so weit kommen konnte, ist immer noch einem Antisozialismus geschuldet, der den die Klimakatstrophe verursachenden Kapitalismus als scheinbar einzige Wirtschaftsform darstellen wollte, die ein Überleben sichern sollte. Wir erleben: Das glatte Gegenteil ist Realität und ein Wirtschaftsminister, der Unternehmen retten will, die aus Gründen der Daseinsfürsorge gar nicht erst hätten privatisiert werden dürfen, zeigt absolut grüne Naivität. Wie konnten so viele grüne Mitmenschen da ihren Denkapparat vergessen haben ?

    • @Dietmar Rauter:

      "Das mögen manche für zu viel verlangt halten, aber wer sind diese, die dies vielleicht extrem finden?"



      Leider die allermeisten Menschen, die in diesem Land wählen gehen.



      Ich bin in der Analyse ja ganz bei Ihnen und mir kann es gar nicht schnell genug gehen, mit einer Anpassung unserer Lebensweise an Welt-verträgliche Maßstäbe. Wir haben einfach zu viel Zeit vertrödelt, laut singend mit den Fingern in den Ohren.



      Aber was meinen Sie, was passieren würde, gäbe es eine Regierung, die hier tatsächlich ernst macht?



      Mal ganz davon abgesehen, dass es eine solche politische Konstellation aktuell einfach nicht gibt.

      • @Life is Life:

        sorry, war als Antwort weiter unten gemeint

    • @Dietmar Rauter:

      Ja, es ist wirklich eine Sauerei, dass Habeck nicht mit einem Handstreich alle Fehlentscheidungen der vergangenen Jahrzehnte rückgängig macht und zugleich das umsetzt, was die Menschen in diesem Lande Ihrer Ansicht nach ja eigentlich wirklich schon seit Jahrzehnten in großer Mehrheit unbedingt wollen.



      Die haben wohl einfach bei den Wahlen in den vergangenen 50 Jahren aus Versehen ihren Denkapparat vergessen und unbeabsichtigt in Mehrheit die Kapitalismusfreunde gewählt, gelle?

  • Entschuldigung, aber das ist doch Wahnsinn. Inmitten von Zeiten von extremer Teuerung wird jetzt noch mehr Bürokratie und kostentreiber installiert? Das trifft wieder die unteren und mittleren Einkommensschichten, auf die das umgelegt wird. Und die Wirkung ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.

    • @Sybille Bergi:

      Was schlagen Sie denn so vor, um zu erreichen, dass nicht alle Ministerien incl. des "Klimakanzlers" immer nur beteuern, Maßnahmen zum Klimaschutz ergreifen zu wollen und dann das Gegenteil tun?



      Und was meinen Sie, auf welche Menschen die Kosten der Klimawandelfolgen bereits jetzt laufend umgelegt werden?

  • "Was wird getan, um die Emissionen auszugleichen?"



    Von wegen, es hätte in der Regierung irgendjemand kapiert, dass die Naturgesetze sich nicht mit Gesetzen, "Checks" oder politischer Semantik hinters Licht führen lassen. Aber ein Erfolg lässt sich mit einer solchen Illusion in einer Bevölkerung erhoffen, die gerne glaubt, was ihnen genehm ist. Die Absicht der Ausgleichsphantasmen ist klar: Der Mythos des unendlichen Wachstums muss unter allen Umständen aufrechterhalten werden.



    Wie will man CO₂-Emissionen ausgleichen, die ein Vielfaches der "Lebenszeit" von z.B. Akku-Autos, Wärmepumpen, Smartphones, Milchschäumern etc. in der Atmosphäre verbleiben? (Auch der Lebenszeit von Häuslebauern, ihren Kindern bis Urenkeln). Etwa, indem künftig eine dem CO₂ Rucksack der Produkte entsprechende Anzahl von Pflanzensamen oder Baumsetzlingen beigelegt werden muss, deren Wachstumsgeschwindigkeit ein Vielfaches der Produktlebenszeit übersteigen müsste?



    Von einem "Ausgleich" für Rüstungs- und Infrastrukturprojekte ganz zu schweigen, die mit wachsender Geschwindigkeit und Anzahl weiter vorangetrieben werden.



    Oder von Egoismen, politischer und ideologischer Konkurrenz, Klientelismus, Eitelkeiten und dem Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit zwischen den Minister:innen und Ministerien, der Angst vor Bedeutungs-, Ansehens-, Vertrauens-, Glaubwürdigkeits- oder Machtverlust, deren Schutz und Erhalt oberste Priorität haben: es stehen Wahlen an! Die Zukunft eines Politikers kann am Wahltag enden. Etwas Bedrohlicheres gibt es für sie nicht!

  • Alles schön und gut, aber es scheint so, als ob nach wie vor viele und auch die Regierung während eskalierender Hitze- und Dürrewellen glauben, sie hätten alle Zeit der Welt.

    Dem ist aber nicht so. Es deutet sich auf der wissenschaftlichen Ebene immer mehr an, dass die Worst-Case-Szenarien Wirklichkeit werden.

    Gefragt und erforderlich ist daher ein radikales Umschwenken der gesamten Gesellschaft mit massivem Konsumverzicht, einschließlich des schnellen Ausstiegs aus der Tiernutzung. Es reicht nicht, nur ein paar mal weniger Fleisch zu essen und die Biotierhaltung trägt überhaupt nicht zum Klimaschutz bei.

    Das mögen manche für zu viel verlangt halten, aber wer sind diese, die dies vielleicht extrem finden?

    Es sind die gleichen, die auch auf der Titanic bis zum Schluss tanzten, als diese bereits unterging.

    Es ist nicht mehr kurz vor 12.00, es ist bereits nach 12.00. Ohne schnelle und drastische, ja dramatische Maßnahmen geht alles verloren.

    Psychologisch scheint uns aber unsere Abhängigkeit von Kurzzeitbelohnung und unsere Angst vor Kurzzeitbestrafung ins Verderben zu stürzen.

    Ohne entschiedene, sichtbare, massive und alle Möglichkeiten des zivilen Widerstands konsequent ausschöpfende Gegenwehr, wird der Lauf in die Katastrophe nicht mehr gestoppt werden können.

    Mit der Inkaufnahme des Klimawandels und der Ergreifung lediglich minimaler, kosmetischer Maßnahmen werden wir nach meiner Ansicht aktuell Zeuge eines der großen Menschheitsverbrechens.

    • @PolitDiscussion:

      "Das mögen manche für zu viel verlangt halten, aber wer sind diese, die dies vielleicht extrem finden?"

      Leider die allermeisten Menschen, die in diesem Land wählen gehen.

      Ich bin in der Analyse ja ganz bei Ihnen und mir kann es gar nicht schnell genug gehen, mit einer Anpassung unserer Lebensweise an Welt-verträgliche Maßstäbe. Wir haben einfach zu viel Zeit vertrödelt, laut singend mit den Fingern in den Ohren.

      Aber was meinen Sie, was passieren würde, gäbe es eine Regierung, die hier tatsächlich ernst macht?

      Mal ganz davon abgesehen, dass es eine solche politische Konstellation aktuell einfach nicht gibt.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Mehr Tesla-Tempo wagen.



    Auch beim Versagen.

  • "...oder ob einzelne Gesetze eher das Gegenteil bewirken."



    Na, da bin ich aber gespannt, ob die Förderung von E-Autos und Wärmepumpen auch mal "klimagecheckt" wird.

    • @sollndas:

      Oder auf den Klimacheck des Steuerrechts und des Dienstwagenprivilegs. Oder die Bewertung von Ausnahmeregelungen für die Energiegroßverbraucher, die Förderung von Styropor, ... Habeck geht da ja leider nicht mit gutem Beispiel voran. Bisher hat Herr Habeck leider noch nichts zu den Konsequenzen gesagt, wenn ein Gesetz klimaschädlich ist. Zudem ist ein Klimacheck ohne Nachhaltigkeitscheck kaum sinnvoll.