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Versicherung gegen ElementarschädenNötiger denn je

Nur die Hälfte aller Gebäude ist gegen Extremwetter versichert. Eine Reform könnte das ändern.

In der Eifel haben 2021 heftige Regenfälle und Dauerregen für Überschwemmungen und Überflutungen gesorgt Foto: Christoph Hardt/imago

T ief „Anett“ brachte Rekordniederschläge mit bis zu 310 Litern pro Quadratmeter nach Österreich, Tschechien und Polen, auch der Südosten Deutschlands war betroffen. Die Wassermassen fließen vor allem in Oder und Elbe ab, deren Flusspegel aktuell weiter steigen. Immer deutlicher zeigen sich die Zeichen des Klimawandels. Starkregen tritt häufiger und überall auf. Die Folgen sind Flusshochwasser, aber auch Überschwemmungen fernab von Flüssen. Dürren nehmen zu, die Liste der Extreme ist lang.

Doch Deutschland passt sich nur langsam an den Klimawandel an. Eine der größten Baustellen ist die unzureichende Verbreitung von Gebäudeversicherungen gegen sogenannte Elementarrisiken wie Starkregen, Flusshochwasser, Erdsenkung und Erdrutsch. Nur 54 Prozent aller Wohngebäude verfügen laut Branchendaten des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) über eine Elementarschadenversicherung. Auch die Streuung ist erheblich: In Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen ist rund ein Drittel versichert, während in Baden-Württemberg fast alle versichert sind.

Die Folge: Im Katastrophenfall gerät die Politik immer wieder unter Handlungsdruck und zahlt steuerfinanzierte Nothilfen an unversicherte Gebäudeeigentümer:innen. Und das hat wiederum zur Folge, dass sich im Verlass auf Nothilfen zu wenige freiwillig versichern oder Eigenvorsorge betreiben.

Aus diesem Teufelskreis will die Politik ausbrechen – nur wie? Derzeit prüft die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Elementarrisiken“ alle Optio­nen, mit denen sich die Versicherungsquote im Bereich Elementarrisiken erhöhen ließe, inklusive einer Pflichtversicherung. Justizminister Buschmann hat bereits die Einführung einer Angebots­pflicht als mögliche Lösung ins Spiel gebracht. Demnach sollen Gebäudeversicherte einmalig ein unverbindliches Vertragsangebot von ihrem Versicherer erhalten.

Eine weitere Option zur Erhöhung der Versicherungsdichte ist die „Opt-out“-Lösung, für die sich der GDV starkmacht. Auch hier würden alle Gebäudeversicherten von ihrem Versicherer ein Angebot erhalten. Der Unterschied zur Angebotspflicht: Wer es nicht ablehnt, ist automatisch versichert.

Auch eine Pflichtversicherung wird diskutiert: Damit ließe sich zügig eine flächendeckende Verbreitung erreichen, gleichzeitig stellt sie den stärksten gesetzgeberischen Eingriff dar und müsste daher von einer breiten Mehrheit akzeptiert sein. Eine reine Informationskampagne, die vereinzelt gefordert wird, wäre dagegen ein schwacher Eingriff mit ebenso schwachen Erfolgsaussichten.

Wirksam und beliebt

Wie kommen diese Vorschläge bei unversicherten Ge­bäu­de­ei­gen­tü­me­r:in­nen an? Welche Versicherungsquoten ließen sich damit erreichen?

Diese Fragen lassen sich anhand einer Befragung des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen (SVRV) und der Forsa vom Juli unter 617 unversicherten Ge­bäu­de­ei­gen­tü­me­r:in­nen beantworten. Die einzelnen Zustimmungswerte für die jeweiligen Reformmodelle wurden auf die 54 Prozent bereits versicherten Gebäude aufgeschlagen, gemäß der Logik: Wer sich freiwillig versichert, würde sich auch im Falle einer Informationskampagne, Angebots- oder Opt-out-Lösung versichern.

Das Ergebnis: Mit einer Informationskampagne würde die Quote von 54 Prozent auf 63 Prozent steigen. 73 Prozent wären es bei einer Angebotspflicht und 80 beim Opt-out. 29 Prozent der unversicherten Ge­bäu­de­ei­gen­tü­me­r:in­nen lehnen dagegen jede Maßnahme ab und 14 Prozent sind sich unsicher.

Nach der Akzeptanz einer Pflichtversicherung gefragt, ergibt sich für alle 3.051 Haushalte der Stichprobe – das heißt neben den unversicherten auch versicherte Ge­bäu­de­ei­gen­tü­me­r:in­nen sowie Mie­te­r:in­nen­haus­hal­te: 62 Prozent der Haushalte sprechen sich für eine Pflichtversicherung aus.

Mit einer Angebotspflicht ließen sich 73 Prozent der Gebäude versichern, mit einer Opt-out-Regelung 80 Prozent. Flächendeckenden Schutz bringt dagegen nur eine Versicherungspflicht.

Klar ist: Über die konkrete Reform der Elementarschadenversicherung muss letztlich die Politik entscheiden. Klar ist aber auch: Die ins Spiel gebrachte Angebotspflicht ließe schätzungsweise 27 Prozent der Wohngebäude unversichert. Beim Opt-out wären es noch 20 Prozent. Eine Informationskampagne würde hingegen kaum zu einer Verbesserung der heutigen Situa­tion führen.

Warum sich einige Ge­bäu­de­ei­gen­tü­me­r:in­nen bisher nicht freiwillig gegen Elementarrisiken versichert haben, ist bekannt: Hier werden neben dem Verlass auf staatliche Nothilfen im Katastrophenfall und einer als subjektiv gering eingeschätzten Betroffenheit von Naturkatastrophen häufig auch vermeintlich hohe Versicherungsprämien als Hinderungsgrund genannt.

Doch eine Elementarschadenversicherung muss nicht teuer sein. Je nach Ausgestaltung ließen sich recht moderate Prämien realisieren, wie der Vorschlag des SVRV für eine Pflichtversicherung auf privatrechtlicher Basis zeigt. Dabei wäre jedes Wohngebäude mindestens mit einem Basistarif gegen größere Schäden versichert. Das senkt die Prämien und schafft darüber hinaus einen Anreiz zu mehr Eigenvorsorge. Wer möchte, könnte im Rahmen einer Vollversicherung auch kleinere Schäden versichern, bei entsprechend höheren Versicherungsprämien.

Doch noch sind einige Fragen in der Debatte offen, die zügig geklärt werden sollten: Welche Gefahren lassen sich dauerhaft tragfähig versichern? Wie ergänzen sich Schadensvorsorge und Versicherung optimal? Und sollte der Staat bei Großkatastrophen einen Teil der Haftung der Versicherer übernehmen?

Auf diese offenen Fragen müssen nun Antworten gefunden werden. Einen flächendeckenden Schutz gibt es aber nur mit einer Pflicht, sich zu versichern.

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9 Kommentare

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  • Ich kann nur für uns sprechen, aber der Grund, warum unsere Bude nicht gegen Flutschäden versichert ist, ist folgender: Wir hatten dasselbe Wetter wie die Leute da auf dem Foto. Kein Tropfen Wasser im Keller und auch sonstwo nicht. Keine Sorge, Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel sind versichert, wir werden euch also nicht um Hilfen anheulen wenn hier tatsächlich mal was passiert.

  • Zu glauben, man könne sich gegen die Klimakatastrophe "versichern" statt sie zu bekämpfen ist so typisch absurd deutsch. Ich komme immer mehr zu der Einsicht, dass ich offenbar ein aus dem All ausgesetztes Findelkind bin, dass es hier auf die Erde verschlagen hat. Meine Spezies kann das nicht sein. Aber wenn sich jemand schon selbst "sapiens" nennt ...

  • Wie soll das funktionieren, wenn jemand eine Immobilie in einem wissentlichen Hochwassergebiet gekauft hat und sich versichern will/muss? Sollen dann die anderen jeden Hochwasserschaden bezahlen, obwohl es vorhersehbar war? Oder funktioniert es dann mindestens wie bei einer Vollkasko, sinkende Preise durch Schadensfreiheitsrabatte?

  • "gemäß der Logik: Wer sich freiwillig versichert, würde sich auch im Falle einer Informationskampagne, Angebots- oder Opt-out-Lösung versichern."

    Ob die 54% sich wirklich alle freiwillig versichert haben? Bei uns war eine Gebäudeversicherung gegen Elementarschäden Bedingung für eine Hypothek.. Die Befragung taugt m.E. nichts.

    Auch wurde bei der Befragung nicht berücksichtigt, dass die Prämien auch für bestehende Verträge steigen werden, wenn eine Versicherungspflicht eingeführt würde. Ob da noch alle so positiv eingestellt wären? Bei uns hat sich die Prämie in den letzten 10 Jahren schon fast verdreifacht.

    Wenn man dann noch mitbekommt, wie viele Schäden trotz Versicherung nicht entschädigt werden, weil z.B. Hochwasser versichert ist, die Versicherung aber der Meinung ist, dass es sich nicht um Hochwasser sondern um eine Flutwelle handelte. Oder die Versicherung meint, der Schaden sei nicht durch das Hochwasser, sondern durch aufsteigendes Grundwasser verursacht etc. etc. und dann keinen Cent bezahlt..

  • Vor Jahren wurde gespottet, wenn eine Versicherung eine Versicherung gegen Überflutung anbietet, kann man sich die sparen, denn die Versicherungen bieten solche Versicherungen nur da an, wo eine Überflutung eigentlich nicht vorkommen kann.

    Das ergibt sich recht einfach aus der örtlichen Geographie.



    Wenn es jetzt zu einer Pflichtversicherung kommt, muß ich auch dafür bezahlen, obwohl mein Haus weit außerhalb jeder überflutungsgefährdeten Fläche ist.



    Damit subventionier ich dann die schönen Lagen direkt am Bach.

    Hab ich eigentlich keine Lust zu.

  • "vermeintlich hohe Versicherungsprämien" stimmt so leider nicht - die Prämien sind selbst in risikolosen Gegenden brutal hoch, üblicherweise ein Aufschlag von 100-200%.

    Um genau zu sein: es kommt wesentlich darauf an, ob es ein alter Vertrag oder ein neuer ist. Die meisten Gebäude haben alte Verträge für die Wohngebäudeversicherung, die nur sehr begrenzt verteuert werden durften. Die Teuerungsrate für Neuabschlüsse war höher, über viele Jahre.

    Ich hab bei meiner Versicherung nachgefragt: zusätzlicher Elementarschutz wäre ja als neuer Vertrag zu werten, die neue Prämie für die Gebäude-Pflichversicherung hätte sich bei mir auf mehr als das doppelte erhöht. Der Aufschlag für die zusätzliche Elementarschutzversicherung wäre dabei nur minimal gewesen.

    In der Diskussion wird dieses kleine Detail üblicherweise weggelassen, da nimmt man nur die (moderaten) Aufschläge für Neuverträge.

    Das erklärt vielleicht auch, warum so viele Leute "dumm" sind und die Versicherung nicht abschliessen. Bei mir waren es übrigens die Mieter, auf die ja die Kosten umgelegt werden, die das nicht wollten - pro Wohnung 250.- Euro pro Jahr.

  • Die bisher kursierenden Vorschläge in Deutschland für eine Elementarschadenversicherung haben alle einen entscheidenden Fehler : sie folgen den Marktdefinitionen und rechen erfahren der versicherungskonzerne, die sich dabei eine goldene Nase verdienen wollen. Hauptgegner einer einfachen und billigen Lösung ist die FDP, die ihre Klientel von Versicherungslobbyisten bedienen will. Riester lässt grüßen.



    Es wird getrennt nach Hochwasser, Sturm, Feuer etc, dann werden im Detail allerhand Varianten ausgeschlossen und die Versicherungsgemeinschaft möglichst klein gerechnet und räumlich begrenzt. Wo individuell das Risiko eines Schadensfall hoch scheint, wird gar keine Versicherung angeboten. Das treibt Prämien hoch und hält Leistungen klein. Und wie die Versicherer ihre Angebotsprämien errechnen bleibt Geschäftsgeheimnis.



    Die französische Lösung ist den Marktgläubigen suspekt und tabu.



    Alle Risiken in EINE Pflichtversicherung für alle. Denn inzwischen haben alle ein Risiko : bisher kamen in Deutschland Tornados praktisch nicht vor. Das hat sich geändert. Der Beitrag beliefe sich auf einen niedrigen 2stelligen Betrag pro Jahr.



    Davor graut deutschen Versicherungen, sowas kennen sie nicht.

  • So lange das keine Subvention für grob fahrlässig in Überschwemmungsbiete oder sonst wie gefährdete Gegenden gebaute Häuser ist, kann man darüber reden.



    Allerdings möchte ich nicht für mangelnde Eigenverantwortung in Mithaftung genommen werden.



    Wer soll denn der Zahlerkreis sein?



    Eigentümer? Oder auch, per Umlage, Mieter?

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    In den letzten fünfzig, hundert Jahren wurde zunehmend in Überschwemmungsgebieten, an und in Hängen etc. gebaut. Noch heute werden Bauflächen dort ausgewiesen. Da kommt es zwangsläufig zu Schäden.

    Statt dort immer neu zu bauen mit Versicherungsgeld wäre ein Baumoratorium sinnvoller. Ohnehin sind diese Forderungen nach „Wohnungsbau“ der ja zwangsläufig die notwendige Infrastruktur nach sich zieht eine einzige Flächenversiegelungskampagne.

    Mit den absehbaren Folgen.