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Versicherung für allePflicht für Elementares

Nach den Überschwemmungen in Deutschland im Juli gingen viele Geschädigte leer aus. Verbraucherschützer fordern eine Versicherungspflicht.

In der Schweiz ist die Elementarversicherung Pflicht Foto: Augst/Eibner-Pressefoto/imago

Berlin taz | Mindestens 7 Milliarden Euro Schäden hat die Überschwemmungskatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen laut Versicherern im Juli angerichtet. Allerdings: Viele der Geschädigten gehen leer aus, in Rheinland-Pfalz haben weniger als 40 Prozent eine Elementarversicherung. Denn eine normale Gebäudepolice schützt zwar vor einfachem Wasserschaden, aber nicht vor Naturkatastrophen.

Deshalb fordert die Verbraucherzentrale Sachsen nun eine Pflicht zur Versicherung gegen Elementarschäden, also Sturm, Hagel, Überschwemmungen, Erdbeben, Lawinen oder Vulkanausbrüche. „Das ist notwendig, rechtlich zulässig, bezahlbar und vor allem auch von den Ver­brau­che­r*in­nen gewollt“, sagt Andreas Eichhorst von der Verbraucherzentrale Sachsen.

„Eine Pflicht zur Elementarversicherung ist verfassungsgemäß umsetzbar“, sagt auch Juraprofessor Markus Roth von der Universität Marburg. Bis 1994 habe es sie auch in Baden-Württemberg gegeben.

Eine repräsentative Forsa-Umfrage vom August 2021 bestätigt die Verbraucherzentrale. 59 Prozent der Befragten befürworten eine verpflichtende Elementarversicherung. Dieser Wert ist bei Mietern und Vermietern gleich.

In der Schweiz Pflichtversicherung

Im Ausland ist man schon weiter. In der Schweiz gibt es in den meisten Kantonen eine Pflichtversicherung bei einem kantonalen Monopolversicherer, in den übrigen Kantonen private Versicherungslösungen. Die privaten Versicherer müssen die Feuerversicherung immer auch mit einer Elementarversicherung anbieten. Frankreich hat die Pflicht in den 80er Jahren nach Überflutungen eingeführt. Bei den französischen Versicherungen sind auch Feuer- und Sachschäden gedeckt.

Wegen der Überflutungen vom Juli 2021 denken gerade auch in Deutschland viele um. „Für die Deutschen wird sich die Klimakrise mit mehr Starkregen und Fluten bemerkbar machen“, sagt Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Mehr Überschwemmungen würden jeden betreffen, nicht nur Menschen in Küsten- und Flussgebieten.

Einige Probleme gibt es allerdings noch. Denn: Eine Pflicht könnte in die Vertragsfreiheit eingreifen. Verbraucherschützer Eichhorst plädiert daher für Wahlfreiheit wie bei den gesetzlichen Krankenkassen – und gegen eine Monopolversicherung. Außerdem müsse der Gesetzgeber klären, wie bestehende Gebäude in Gebieten, in denen es häufiger Überschwemmungen gibt, bei einer verpflichtenden Elementarversicherung bezuschusst werden.

Überflutungsrisiko bestimmt Beitragshöhe

Denn die Versicherer stufen Adressen in vier Kategorien für Überflutungsrisiken ein. Davon hängt ab, ob Kun­d*in­nen Versicherungsschutz bekommen und wie hoch die Beiträge sind. Danach sind 98.000 Adressen in der Kategorie 4 mit mindestens einem Hochwasser in zehn Jahren nach Angaben des Branchenverbands GDV derzeit nicht versicherbar – wären es nach Umbauten aber möglicherweise.

Wer eine von 237.000 Adressen der Kategorie 3 hat, muss mit mindestens einem Hochwasser innerhalb von 10 bis 100 Jahren und einer entsprechend hohen Prämie rechnen. Die übrigen Adressen befinden sich in den Kategorien 2 und 1. Dort ist ein Hochwasser extrem selten oder gar nicht zu erwarten, eine Elementarversicherung können Ver­brau­che­r*in­nen dann schon ab 5 Euro monatlich kaufen.

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5 Kommentare

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  • Aus jeder Krise noch Profit schlagen.

    Der Markt richtet da gar nix.

    Erstens ist es schon lange so, dass die, die am ehesten eine Versicherung bräuchten, gar keine kriegen. In den typischen Hochwassergebieten an Rhein und Mosel bspw gibt es für die Anwohner einfach keine Versicherung gegen Hochwasser. Auf der Festung Ehrenbreitstein, gut 100 Meter über dem Rheinpegel, kriegt man bestimmt eine. Und eine gegen Sandstürme.

    Zweitens wäre bei einer großen Katastrophe die Versicherungsbranche schnell bankrott. Es braucht nur ein Hochwasser wie 1993 in Kombi mit einer Woche Starkregen. Das kleine Ahrtal war ein Vorgeschmack, eine noch relativ moderate Warnung.

    Dann darf es wieder der Staat und/oder die Bevölkerung richten, das war dort und bei den Coronahilfen zu sehen. Um solche Summen könnte es zukünftig häufiger gehen. Deswegen wollen die Marktapostel den Staat auch nicht abschaffen, sie brauchen ihn als Feuerwehr und Backup für ihre Beutezüge.

    Da es also ohnehin beim Staat hängenbleiben wird, kann man es auch gleich so organisieren, dass die bereitgehaltenen Summen nicht noch üppige Profite der Privatindustrie ergeben müssen. Und die Betroffenen sich nicht mit ihren "Versicherern" rumstreiten müssen, die jede Gelegenheit nutzen, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

  • Wieso ist das überhaupt ein Marktwirtschaftliches Konzept? Also die Haus-Versicherung?

    Wäre es nicht viel sinnvoller alle zahlen in einen Topf und Schäden werden aus diesem Topf bezahlt? Warum dürfen Konzerne hier Milliarden-Gewinne abschöüfen? Dafür das sie möglichst genau ausrechnen, wenn zu versichern sich lohnt - weil der passende Schaden quasi nie auftritt?

  • Elementarversicherungen werden direkt auf den Mieter umgelegt. Das ist also eine weitere Mieterhöhung. Das wird aber bezeichnenderweise nicht mal thematisiert.

  • Ich ahne da eine gute Chance: Versicherer sind ja grosse Investoren und denken in langen Zeiträumen.

    Man müsste deren Gewinne/Verluste irgendwie an die Klimaentwicklung binden: einfach höhere Prämien bei höherem Risiko verlangen ist zu einfach, etwas vom Risiko sollte beim Versicherer hängen bleiben.

    So, dass es sich für die lohnt, ihr Kapital in klimafreundlicheres Tun zu lenken.

  • Wir erinnern uns; in der ehemaligen DDR gab es das schon mal. Bis die gierige Versicherungsbranche nach der Wiedervereinigung in des Osten ausgeschwärmt ist. Dort hat sie dann den damals noch recht arglosen Bürgern neue Verträge ohne Elementarschutz angedreht.