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Verschärftes AsylrechtWer frieren muss, der soll auch leiden

Am November drohen Flüchtlingen auch im Norden unangekündigte Abschiebungen, längere Isolation und eine schlechtere Gesundheitsversorgung

Abgelehnte Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien steigen im Zuge einer Sammelabschiebung in ein Flugzeug. Foto: Patrick Seeger, dpa

Bremen taz | Zum 1. November werden die Lebensumstände für viele geflüchtete Menschen deutlich schlechter. Das, so klagen Flüchtlingsinitiativen, ist das Ergebnis des jetzt beschlossenen Asylkompromisses von Bund und Ländern. Das gilt auch für Bereiche, in denen die Länder Ermessensspielräume zugunsten der Flüchtlinge hatten. Der niedersächsische Flüchtlingsrat nennt die Verschärfungen gar „verfassungswidrig“.

Flüchtlinge aus Albanien, Kosovo und Montenegro, meist Roma, sollen künftig schneller abgeschoben werden. „Überfallartige Abschiebungen werden künftig Pflicht“, sagt Claudius Voigt von der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender. Die Länder hätten da, anders als bisher, „kein Ermessen“ mehr. In Niedersachsen etwa wurden solche Maßnahmen bisher meist angekündigt. Nun gelte: Wer eine Aufforderung zur freiwillige Ausreise verstreichen lasse, dem dürfe seine Abschiebung nicht mehr angekündigt werden, so Voigt, der kürzlich Sachverständiger im Bundestag war. Das niedersächsische Innenministerium wollte sich gestern nicht äußern – wegen der „hohen Anzahl von Anfragen“.

Für die Betroffenen sind solche Abschiebungen oft traumatisierend. „Sie müssen nun wieder jede Nacht panisch einschlafen, sagt Gundula Oerter von der Flüchtlingsinitiative Bremen. Bremen setze weiter auf eine freiwillige Ausreise, sagte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) dem Weser-Kurier, habe aber „keinen Ermessensspielraum“.

Mäurer mahnte zugleich mehr Personal an, um abschieben zu können, bisher sei die Ausländerbehörde darauf nicht vorbereitet. 2010 hatte Bremens Landtag beschlossen, nicht in den Kosovo abzuschieben. Diese Frage bedürfe nun „einer Neubewertung“, heißt es im Innenressort. In Bremen gingen 2015 bis Ende September 883 Asylanträge aus Albanien oder dem Kosovo ein, 855 Verfahren waren anhängig.

Das neue Asylrecht, dem neben SPD und CDU auch die Grünen in Hamburg und Schleswig-Holstein zustimmten, sei „eine Kampfansage an Schutzbedürftige“, sagt Gundula Oerter von der Flüchtlingsinitiative. „Die Bedingungen werden sich total verschlechtern – dabei sind sie jetzt schon miserabel.“ Sie berichtet von einer jungen Mutter, die mit einem drei Wochen alten Baby derzeit in Bremen lebt. Seit zwei Monaten habe sie kein Geld, nicht mal eine Erstausstattung fürs Kind, so Oerter, und das sei kein Einzelfall.

Versperrte Bleibeperspektive

Bisher gilt in Bremen, dass Flüchtlinge nach drei Monaten in privaten Wohnraum vermittelt werden sollen und einen eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen können. „Dieses Ziel gilt weiter“, heißt es im Bremer Sozialressort. Das verschärfte Asylrecht sieht aber eine sechsmonatige Lagerpflicht vor, zu der ein völliges Arbeitsverbot gehört. „Das ist eine Isolation auf allen Ebenen“, so Voigt.

Menschen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ sollen bis zum Abschluss ihres Verfahrens untätig in Sammelunterkünften warten müssen, also oft viel länger als sechs Monate. Doch diese Lager sind schon heute überfüllt. Und: Bisher konnten sich auch Roma aus dem westlichen Balkan durch einen Job hierzulande eine dauerhafte Bleibeperspektive erarbeiten, so Voigt. Damit soll nun Schluss sein.

Gesundheitskarte zweiter Klasse

Gefährdet ist auch die Gesundheitskarte, wie es sie derzeit in Bremen und Hamburg gibt und bald auch in Niedersachsen geben soll. Zwar will der Bund allen Länder erlauben, eine Gesundheitskarte einzuführen, mit der Flüchtlinge direkt zum Arzt gehen können. Doch während man bisher oft akzeptierte, dass Asylbewerber ähnlich behandelt wurden wie deutsche Kassenpatienten, sollen sie nun nur Karten zweiter Klasse bekommen. Der Mindeststandard im Asylbewerberleistungsgesetz liegt deutlich unter dem für Hartz-IV-Bezieher: Er schließt die Behandlung chronischer Krankheiten wie Diabetes, mancher Zahnerkrankungen oder psychotherapeutische Behandlungen aus. Bremen werde an seinem „erfolgreichen System nichts ändern“, erklärt das Sozialressort.

Eine weitere Änderung: Künftig sollen wieder verstärkt Sachleistungen statt Bargeld in der Erstaufnahme ausgegeben werden. Abgelehnte Asylbewerber, die sich der Ausreise verweigern, sollen keine Sozialleistungen erhalten. Hier haben die Länder Ermessensspielraum. Sie können weiter 143 Euro Taschengeld zahlen. Es stehe zu befürchten, dass Bremen vermehrt auf Sachleistungen setze, so Oerter. Das Sozialressort will aber nach eigenen Angaben an der bisherigen Praxis festhalten.

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7 Kommentare

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  • Eines verstehe ich nicht: Keiner fragt, was die allseits bejubelte Fast-Nobel-Preisträgerin dazu sagt.

     

    Hat sie diese Gesetzesänderungen überhaupt nicht mibekommen?

     

    Wird sie im November behaupten: "Das habe ich aber nicht gewollt"?

     

    Oder ist jetzt doch einigen der "Merkel-Versteher" der Bissen im Halse stecken geblieben?

    • @Urmel:

      Unsere Angela macht das was auch die Regierungen vor ihr schon gemacht hat. Symbolisch breitet sie die Arme aus und effektiv schreckt sie ab und macht sie die Grenzen zu.

      Sie hat einen hässlichen Polizeieinsatz an den deutschen Grenzen vermieden nur um Ankara dafür zu bezahlen dies in der Türkei zu machen. Sie bejubelt die vielen Freiwillige, die mit ihrem Engagement die Situation der Flüchtlinge und eine schnelle Integration fördern möchten und verfügt gleichzeitig verlängertes Arbeitsverbot, Sachleistungen und Lagerzwang - alles Dinge, die die Kosten nach oben Treiben und allenfalls als unwürdige Abschreckung "Sinn" machen.

      Merkel argumentiert links von der SPD agiert aber wie Pegida.

      • @Velofisch:

        Und für so ein scheinheiliges Doppelspiel forderten etliche für sie den Nobelpreis. Nun ja, Kissinger hat ihn ja auch erhalten - in Vietnam, Kambodscha, Bangladesch, Chile, Zypern und Osttimor schütteln die Menschen heute noch den Kopf.

        • @Urmel:

          Das Nobelpreiskommitée ist doch genau so verlogen.

        • @Urmel:

          Drohnenmord-Obama ist auch FN-Preisträger. Da muss eigentlich jeder links von der NPD einen Nobelpreis kriegen. Aber ich muss Frau Merkel in Schutz nehmen. Sie hat gesagt, wir schaffen das. Wie "wir" das schaffen, hat sie uns wohlweislich bis zur Verabschiedung des Gesetzespakets verschwiegen.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Ist es wirklich ein Problem, wenn nach Aufforderung zur freiwilligen Ausreise abgelehnte Flüchtlinge abgeschoben werden? Mir erscheint das weder willkürlich noch traumatisierend sondern konsequent.

    • @738 (Profil gelöscht):

      Sie glauben also wirklich, dass Leute, die von Amtswegen keine Erlaubnis kriegen, da zu bleiben, keine guten Gründe hatten, die Heimat zu verlassen? Glückwunsch! Sie müssen ein durch und durch glücklicher Untertan sein. Einer, den man zudem noch nie bei Nacht und Nebel aus seinem Leben bzw. aus dem Bett gerissen, verschleppt, gefesselt, und in eine unsichere Zukunft verfrachtet hat. Der Herr erhalte Ihnen Ihre Ignoranz, Herr Sommer! Ein Schicksal, wie es abgelehnte Asylbewerbern haben, wünsche ich selbst Ihnen nicht.