Verschärfter Handelsstreit USA und China: Trumps Pyrrhus-Sieg
Über Twitter kündigte der US-Präsident weitere Strafzölle auf chinesische Einfuhren an. Die Botschaft richtet sich auch an US-Notenbankchef Powell.
Fed-Chef Jerome Powell hatte erst am Donnerstag den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt gesenkt mit der Begründung, der Handelskrieg mit China berge die Gefahr eines konjunkturellen Abschwungs. Die moderate Zinssenkung diene der „Absicherung“.
US-Präsident Trump ging die Senkung aber nicht weit genug. Er wollte, dass die US-Notenbank die Zinsen noch sehr viel mehr senkt. Trump hat bereits auf Wahlkampfmodus geschaltet und setzt auf blendende Wirtschaftsdaten. Er attackierte Powell für die nur moderate Senkung. Trumps Logik: Wenn der Streit mit China für den Fed-Chef der Grund für eine Senkung ist, verschärft er den Handelskrieg eben.
Per Twitter-Tweet hat Trump am Donnerstag angekündigt, dass er die Strafzölle gegen China ausweiten werde und weitere Produkte im Umfang von 300 Milliarden Dollar mit einem Zoll von zehn Prozent belegen wolle. Die USA haben bereits Strafmaßnahmen in Höhe von 25 Prozent auf Güter im Wert von 250 Milliarden Dollar erhoben. Mit den nun angekündigten Strafzöllen wird so ziemlich jede Ware aus China, die in den USA verkauft wird, mit zusätzlichen Zöllen belegt sein. Die neuen Strafzölle sollen schon ab Anfang September inkraft treten.
Einigung im Zollstreit schien nah
Dabei hatten sich die Chef-Unterhändler beider Länder noch Mitte der Woche in Shanghai getroffen und Zuversicht ausgestrahlt, dass eine Einigung nach dem inzwischen anderthalbjährigen Streit möglich sei. Als Zeichen des guten Willens bekräftigte China am Donnerstag, mehr Agrarerzeugnisse aus den USA zu kaufen. Staatliche und private Unternehmen hätten bereits Kontakt zu Lieferanten in den USA aufgenommen, um über den Kauf von Sojabohnen, Baumwolle, Schweinefleisch und Hirse zu verhandeln. Weitere Verhandlungen sind anberaumt.
Geradezu süffisant twitterte Trump: „Wir freuen uns darauf, den positiven Dialog mit China über eine umfassende Handelsvereinbarung fortzusetzen.“ Er habe das Gefühl, dass beide Länder eine glänzende gemeinsame Zukunft hätten. In einem weiteren Tweet beklagte er sich jedoch zugleich, dass China bereits vor einer Weile zugesagt habe, US-Agrarprodukte in großen Mengen zu kaufen. Bislang sei aber nichts passiert. „Wir dachten, wir hätten einen Deal mit China“, schrieb Trump und bezieht sich auf die Verhandlungen von Ende Mai. „Traurigerweise“ hätte China vor der Unterzeichnung jedoch Neuverhandlungen angestoßen.
In einem weiteren Tweet attackierte er Chinas Präsident Xi Jinping auch persönlich. Sein „Freund Präsident Xi“ habe ihm zugesagt, den Verkauf von süchtig machenden Opioiden an die Vereinigten Staaten zu stoppen. „Das ist nie geschehen und viele Amerikaner sterben weiterhin“. Zugleich betonte er, die zehn Prozent Aufschlag seien „für einen vorläufigen Zeitraum“. Er könne die Zölle jederzeit erhöhen oder senken. Er wolle die Verhandlungen mit China weiter führen. „Wenn sie aber nicht mehr mit uns handeln wollen, dann wäre das für mich auch in Ordnung.“
Peking reagiert gelassen
Im Vergleich zu vergangenen Ankündigungen Trumps reagierte Chinas Führung verhältnismäßig gelassen. Sollten die Amerikaner dies tun, müsse gegengesteuert werden, kündigte Hua Chunying, die Sprecherin des Außenministerium, am Freitag in Peking zwar an. China werde keine „Einschüchterung und Täuschung“ hinnehmen, sagte sie. Zugleich fügte sie hinzu: „Alle Konsequenzen werden von den USA getragen.“
Was sie damit meint? Die nun angekündigten Strafzölle sollen auf breiter Front Konsumgüter wie Flachbildfernseher, Uhren, Smartphones, Kleidung und Schuhe treffen. Anders als etwa Stahl oder andere industrielle Vorprodukte, auf die die Strafzölle bislang gelten, dürften Trumps Landsleute diese Strafen gegen China in der nächsten Runde unmittelbar zu spüren bekommen. Analysten warnen, das das iPhone XS etwa mit den Strafzöllen um 100 Dollar teuerer werden könnte. Die Aktien der US-Elektronikmarktkette Best Buy stürzten unmittelbar nach Trumps Ankündigung um neun Prozent ab. Und auch die Apple-Aktie verlor an Wert.
US-Einzelhändler sind empört
Entsprechend laufen US-Einzelhandelsverbände nun Sturm gegen ihren Präsidenten. Die Vereinigung, in der Walmart und Amazon vertreten sind, sprach von einer verfehlten Strategie, die schon jetzt das Wirtschaftswachstum bremse, für Unsicherheit sorge und vor Investitionen zurückschrecken lasse. „Präsident Trump benutzt amerikanische Familien als Geisel in seinen Verhandlungen über den Handelskrieg“, beklagt auch Matt Priest, Präsident der Footwear Distributors and Retailers of America.
Und die Fed? Weitere Strafzölle könnten die US-Notenbank tatsächlich dazu bringen, die Zinsen wie von Trump erwünscht noch weiter zu senken. Denn sollte sich die Konjunktur der USA wegen des Handelsstreits eintrüben, hätte die Fed gar keine andere Wahl. Es wäre allerdings ein Pyrrhus-Sieg für Donald Trump.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen