piwik no script img

Verpackungssteuer in TübingenMeckes is not lovin' it

Tübingen geht mit einer Verpackungssteuer gegen Einwegbecher und Essensverpackungen vor. Darf es auch, hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Die Verpackungssteuer in Tübingen muss auch von McDonald's bezahlt werden Foto: Christoph Schmidt/dpa

Tübingen/Leipzig dpa | – Die Universitätsstadt Tübingen will mit einer eigenen Verpackungssteuer gegen Müllberge aus Pommesschachteln und Kaffeebechern vorgehen – und hat dafür jetzt Rückenwind vom Bundesverwaltungsgericht erhalten. Das oberste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig erklärte am Mittwoch die Tübinger Verpackungssteuersatzung im Wesentlichen für rechtmäßig ((Az.: BVerwG 9 CN 1.22).

Die Betreiberin einer McDonald's Filiale in Tübingen hatte dagegen geklagt, unterstützt von dem Fast-Food-Konzern. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) sprach nach der Urteilsverkündung von einem „tollen Tag für Tübingen und für den Klimaschutz allemal“.

McDonald's bedauerte die Entscheidung des Gerichts und kündigte an, dass die Franchise-Nehmerin eine Verfassungsbeschwerde prüfen wolle. „Aktuell gilt es nun erst einmal, noch die schriftliche Begründung des Gerichts abzuwarten“, hieß es vom Konzern.

Seit Anfang 2022 werden in Tübingen je 50 Cent für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 20 Cent für Einwegbesteck fällig. Pro „Einzelmahlzeit“ sollte die Steuer laut Satzung auf höchstens 1,50 Euro beschränkt sein. Zahlen müssen die Verkäufer der Speisen und Getränke – nach Angaben der Stadt rund 440 Betriebe in Tübingen.

In der Vorinstanz hatte McDonald's gewonnen

In der Vorinstanz beim Verwaltungsgericht (VGH) in Mannheim hatte McDonald's gewonnen. Gegen dieses Urteil hatte Tübingen Revision eingelegt, über die jetzt in Leipzig entschieden wurde.

Die baden-württembergischen Richter waren davon ausgegangen, dass Tübingen die Kompetenz für die Einführung der Verpackungssteuer fehle. Es handele sich nicht um eine örtliche Steuer. Außerdem sah der VGH die Tübinger Steuer im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Dieses schließe zusätzliche Regelungen einzelner Kommunen aus. Der VGH hatte sich stark an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes orientiert, das 1998 eine sehr ähnliche Verpackungssteuersatzung der Stadt Kassel für nichtig erklärt hatte.

Das Bundesverwaltungsgericht wies in der mündlichen Verhandlung wiederholt darauf hin, dass sich das Abfallrecht in den vergangenen 25 Jahren geändert habe. In einem Eingangsstatement betonte die Vorsitzende Richterin Prof. Ulrike Bick zudem die Größe des Problems. Sie zitierte Zahlen der Deutschen Umwelthilfe (DUH), wonach in Deutschland jährlich 2,8 Milliarden Einwegbecher verbraucht würden. „Diese enorme Zahl zeigt, dass es nicht nur ein Abfall-, sondern auch ein Ressourcenproblem ist.“

Verpackungen bleiben oft im Gemeindegebiet

Anders als der VGH gehen die Bundesrichter davon aus, dass Mahlzeiten zum Mitnehmen meist sehr bald gegessen werden, die Verpackungen also „typischerweise“ im Gemeindegebiet bleiben. Dass die Tübinger Satzung auch „to go“-Verpackungen umfasse, spreche also nicht dagegen, dass es eine örtliche Steuer sei. Auch einen Widerspruch zu Abfallregeln des Bundes und der EU erkannte der Senat nicht. Vielmehr verfolgten alle – der Bund, die EU und die Stadt Tübingen – dasselbe Ziel.

Die Anwälte von McDonald's hatten vor einem bundesweiten Flickenteppich gewarnt, sollte sich Tübingen durchsetzen. „Es wird mindestens 80 Kommunen geben, die Verpackungssteuersatzungen erlassen“, sagte Anwalt Peter Bachmann. Für bundesweit tätige Unternehmen wie McDonald's sei das kaum zu bewältigen.

Die Umwelthilfe forderte Städte und Gemeinden auf, dem „Tübinger Erfolgsmodell“ zu folgen und den Druck auf Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zu erhöhen, damit eine bundesweite Einweg-Abgabe auf „to go“-Verpackungen eingeführt wird. Von McDonald's forderte sie einen umfassenden Umstieg auf klimafreundliche Mehrweg-Alternativen. Der Verband kommunaler Unternehmen begrüßte, dass Kommunen mit Steuern gegen eine Vermüllung vorgehen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Da sage noch einer, Bundesrichter seien lebensfremd. Der Satz mit den zeitnah im Stadtgebiet verzehrten to-Go-Speisen ist wirklich fein…und absolut korrekt.

  • ....3 Euros pauschal Abgabe beim Kauf dieses Futter's ...

  • "bundesweit tätige Unternehmen wie McDonald's sei das kaum zu bewältigen"??



    In den USA hat jeder Staat und teilweise Counties lokale Steuern. Die Filialen kommen damit auch zurecht.

    Aber was wird besteuert? Die Packschachtel des Burger? Und oder das Packpapier? Pommestüte noch mal extra? Dazu der Becher. Dann wird es mit Kindern richtig teuer. Fehlt noch die Extrasteuer auf die absolut sinnlosen Kindergimmicks und deren Verpackung.

    • @fly:

      "Pro „Einzelmahlzeit“ sollte die Steuer laut Satzung auf höchstens 1,50 Euro beschränkt sein."



      Ab 3 Schachteln pro Mahlzeit ist also Schluss. Außerdem:

      "Zahlen müssen die Verkäufer der Speisen und Getränke – nach Angaben der Stadt rund 440 Betriebe in Tübingen."



      Wobei abzusehen ist, dass Meckes und Co das so oder so wieder bei der Kundschaft abladen werden - in der Preisgestaltung sind sie ja frei.

      • @Tetra Mint:

        " in der Preisgestaltung sind sie ja frei."

        Richtig - und der Kunde ist frei in der Wahl des Anbieters. Wer regelmäßig mit seinen Kindern zu McDonalds geht, sollte sich lieber im deren Gesundheit sorgen.

  • Gibt es nicht seit 2023 ohnehin für die Gastronomie die Pflicht, auch Mehrwegverpackungen anzubieten? Oder zählt McDonald nicht zur Gastronomie?

  • Und wieder einmal zeigt BP seinen ehemaligen Parteifreunden, was eigentlich ihr Job wäre.

  • Palmer - besser als sein Ruf



    Was Palmer hier vor Gericht durch bekommen hat, ist gut für die Umwelt und schlecht für Einwegverpackungen. Es ist ein ganz realer und praktischer Schritt für die Umwelt. Und genau darin liegt Palmer Stärke, Realpolitik welche in der Praxis funktioniert.



    Wenn er jetzt noch lernt, den Satz "Erst denken, dann schwätzen" zu verinnerlichen, damit ihm keine zweideutig, dummen Sprüche mehr raus rutschen, dann werden die Kritiker Palmer auch verstehen: Palmer ist gut für die Uni-Stadt Tübingen. Die Tübinger wissen längst, was sie an ihm haben.

  • So toll finde ich als Kunde das nicht. Im Endeffekt wird diese weitere Steuer auch wieder auf die Kunden umgelegt. Es ist ja auch nicht so, als würden die Inverkehrbringer nicht eh schon Gebühren für die Entsorgung zahlen. Und das geht auch nach der Menge die in den Verkehr verbracht wird.

    Bisher ist mein Fazit folgendes:



    - Getränke mit Strohhalm sind nicht mehr zu genießen, da diese nach Papier schmecken und der Strohhalm sich auflöst.



    - Eis im Becher geht auch nicht mehr. Entweder schmeckt es nach Pappe oder wahlweise Holz.



    - Mehrweg in der Gastronomie kommt für mich als Kunden nicht in Frage. Ich muss dann mein Essen mitnehmen, die Verpackung waschen, die Verpackung dann wieder in den Laden schleppen und der Anbieter darf die Verpackung dann zur Feier des Tages gleich nochmal waschen. Ich weiß nicht wo das erstrebenswert ist.

    • @FalscherProphet:

      Natürlich zahlt der Kunde die Steuer und das ist auch richtig so. Ziel ist ja, dass weniger Verpackungen genutzt werden.



      Nehmen Sie sich etwas mehr Zeit, trinken Sie Ihren Kaffee aus der Tasse, der Eisbecher wird im Glas serviert, Essen auf dem Porzellanteller. Ging doch früher auch.-



      Für unterwegs nehmen Sie sich einen Thermobehälter mit.

      Ihr geschildertes Transportproblem halbiert sich, wenn Sie mit eigenem Behältnis zum Imbiss gehen.

    • @FalscherProphet:

      Na, wenn's nicht schmeckt: essen Sie halt woanders oder daheim. 😉

  • Palmer for Chancler!