Mehrwegkampagne des Senats: Immer nur aufklären hilft nicht
Die Umweltverwaltung trommelt mal wieder gegen müllproduzierendes „To go“. Gut gemeint, aber ohne weitergehende Maßnahmen leider zwecklos.
L ustige Bilder sind es ja: eine mit Sushi-Röllchen gefüllte Werkzeugbox, ein Bubble-Tea in der Blumenvase oder eine Salatbowl im Blumentopf. „Hauptsache, Mehrweg!“ heißt es unter den Motiven der neuen Mehrwegkampagne der Senatsverwaltung für Umwelt und Klimaschutz. Leider darf man bezweifeln, dass außer der Werbeagentur jemand davon profitiert.
Denn das Problem liegt nicht nur darin, dass BerlinerInnen und TouristInnen massenhaft Müll durch To-go-Verpackungen erzeugen, wenn sie sich Burger, Pho oder Butter Chicken in Styropor und Plaste nach Hause mitnehmen oder liefern lassen. Das Problem ist, dass Aufklärungskampagnen so gut gemeint wie zwecklos sind.
Als Beleg mag eine ernüchternde Zahl dienen: Als 2017 die damals noch grüne Umweltverwaltung ihre Kampagne „Better World Cup“ startete, um das Aufkommen an Ex-und-hopp-Bechern zu reduzieren, sprach die Behörde von 170 Millionen Pappgefäßen, die pro Jahr in Berlin in den Mülleimern (oder daneben) landeten. Heute teilt die Verwaltung mit, es würden pro Stunde 20.000 Becher geleert. Sprich: Nach sechs Jahren ist das Aufkommen nicht gesunken, sondern auf 175 Millionen gestiegen.
Ob das exakte Zahlen sind, sei mal dahingestellt. Klar ist: Appelle verhallen, Punkt. Das gilt auch für den Versuch, mit ein paar Postern die aktuelle Problematik zu lösen – dass nämlich Gastronomen jetzt „Mehrweg to go“ oder zumindest die Befüllung mitgebrachter Behältnisse anbieten müssen, es aber oft nicht tun oder sich den Pflichthinweis darauf sparen.
Die Senatsumweltverwaltung will mit einer Plakatkampagne mehr Bewusstsein für Mehrweg in der Gastronomie schaffen. Es geht um die seit Januar geltende „Mehrweg-Angebotspflicht“, nach der Betriebe, die Speisen oder Getränke „to go“ verkaufen, Mehrwegalternativen vorhalten müssen. Das sei „noch immer zu wenig Kundinnen und Kunden bewusst“, hieß es am Montag. Die Kampagne wird von der „Zero Waste Agentur“ der Berliner Stadtreinigung (BSR) unterstützt.
Sie wolle „die Berlinerinnen und Berliner noch mal ganz herzlich bitten, auf Einwegverpackungen, so gut es geht, zu verzichten“, teilte Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) mit. „Der stetig wachsende Einwegmüllberg muss nicht sein“, es gebe „tolle Alternativen“.
In einer Reaktion darauf bezeichnete der Landesverband des BUND die Kampagne als „sinnvoll und notwendig“, aber unzureichend. Es brauche mehr Anreize für die Unternehmen, auf Mehrweg umzusteigen, Berlin müsse das mit mindestens 600.000 statt derzeit 130.000 Euro pro Jahr fördern. Angemessen seien sogar 1,8 Millionen Euro. Der BUND plädiert für eine kommunale Verpackungssteuer nach dem Tübinger Vorbild.
Insofern hat der BUND recht, wenn er auf ein Vielfaches der heutigen Haushaltsmittel zur Mehrwegförderung drängt, mit denen etwa Poolsysteme, die Anschaffung wiederverwendbaren To-go-Geschirrs oder von Spülmaschinen gefördert werden sollen.
Und das Beispiel Tübingen, auf das der BUND verweist, ist ebenso richtig, Boris Palmer hin oder her: Dort wird nicht nur viel Geld in solche Fördermaßnahmen gesteckt, die Stadt refinanziert das seit 2022 auch durch eine Steuer auf jede Wegwerfverpackung. Und wenn Wirte pro Kaffeebecher und Pommesschale 50 Cent abdrücken müssen, steigt die Bereitschaft, in Alternativen zu investieren, ganz schnell. Das dürfte in Berlin nicht anders sein.
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