„Vernunftkraft“-Chef im Ministerium: Keine Auskunft zum Windgegner
Arbeitet Deutschlands oberster Anti-Windkraft-Lobbyist jetzt auch im Wirtschaftsministerium zum Thema Wind? Der Verdacht drängt sich auf.
![Windkraftgegner halten Plakate Windkraftgegner halten Plakate](https://taz.de/picture/3820673/14/23683792.jpeg)
Dass Deutschland seine Klimaziele ohne den weiteren Ausbau der Windkraft nicht erreichen kann, stört Ziegler nicht. Denn der von ihm geleitete Verein bestreitet nicht nur, dass die deutsche Energiewende irgendeinen Einfluss aufs Klima hat. Er ist auch nicht überzeugt davon, dass der menschengemachte Klimawandel überhaupt existiert. Es gebe auch „Papiere von sehr renommierten Leuten“, erklärte Ziegler kürzlich in einem Interview im ARD-Magazin Monitor, „die das alles sehr kritisch sehen“.
Als „Vernunftkraft“-Vorsitzender und Windkraft-Bekämpfer ist Ziegler in seiner Freizeit tätig. Seine Arbeitszeit verbringt er im Bundeswirtschaftsministerium. Das ist zwar für Energiewende und Windkraftausbau zuständig, aber direkte Berührungspunkte zwischen Hobby und Job gab es in der Vergangenheit nicht: Ziegler arbeitet im Ministerium in der Abteilung „Digital- und Innovationspolitik“, die mit Energiepolitik nichts zu tun hat.
Doch letzten Sommer soll sich das geändert haben. Nach taz-Informationen hat Ziegler im Ministerium zeitweise den persönlichen Referenten des parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Bareiß (CDU) vertreten – und der betreut unter anderem die Abteilung „Energiepolitik – Strom und Netze“ und hat darum regelmäßig mit dem Thema Windkraft zu tun.
Die Pressestelle des Ministeriums wollte Zieglers neue Aufgabe auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren. „Zu konkreten Personalien oder Personalangelegenheiten gibt das BMWi keine Auskunft“, hieß es lediglich. Zudem seien ehrenamtliche Tätigkeiten von Mitarbeiter*innen außerhalb der Arbeitszeit „nicht anzeige- oder genehmigungspflichtig“.
Staatssekretär Bareiß hat der taz am Dienstag am Rand einer Veranstaltung aber bestätigt, dass Ziegler vertretungsweise in seinem Büro tätig war. Über Umfang, Dauer und genaue Tätigkeit machte er keine Angaben. Auf Twitter erklärte er mit Bezug auf die taz-Anfrage anschließend im Ministerium arbeiteten über 2000 Menschen, und für diese gelte: „Jeder hat seine Meinung und ist als Beamter loyal.“
Ziegler selbst dementierte auf taz-Anfrage per Mail seine Teilnahme an zwei konkreten Terminen – am Windgipfel des Ministeriums Anfang September und an einer Sitzung der sogenannten AG Akzeptanz habe er nicht teilgenommen, schrieb er. Die allgemeinere Frage, ob er für das Ministerium Sitzungen mit dem Thema Windenergie besucht habe, beantwortete er anschließend aber nicht, sondern erklärte dazu auf einmal: „Sie fragen nach regierungsinternen Vorgängen, zu denen ich keine Angaben machen darf und möchte.“
Freude über Gesetzentwurf des Ministeriums
Dass Ziegler aktiv Einfluss auf Entscheidungen im Ministerium genommen hat, folgt aus der Tatsache, dass er im Büro des dafür mitverantwortlichen Staatssekretärs gearbeitet hat, natürlich nicht zwangsläufig. Klar ist aber, dass ihm die jüngsten Vorschläge aus dem Ministerium gefallen. Denn Gesetzentwurf seines Arbeitgebers wird der geplante 1000-Meter-Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern so restriktiv ausgelegt, dass auch ein vom Ministerium selbst beauftragtes Gutachten zu dem Schluss kommt, dass ein weiterer Ausbau der Windenergie damit stark eingeschränkt würde.
Und während sich dagegen breiter Protest regt – von Umweltverbänden und dem Bundesverband der Deutschen Industrie über die SPD bis hin zu einzelnen CDU-Abgeordneten – lobt der von Ziegler geleitete „Vernunftkraft“-Verein den Entwurf als „Schritt in die richtige Richtung“ – und freut sich über die absehbaren Konsequenzen: „Sofern diese Maßnahme den Windkraftausbau verlangsamt“, heißt es in einer Stellungnahme, „wäre dies eine sehr gute Nachricht“.
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