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Verletzungen im FrauenfußballDie Knie der Frauen

Der Kreuzbandriss von Lena Oberdorf bewegt das Land. Warum Knieverletzungen bei Fußballerinnen so häufig auftreten, ist nicht wirklich gut erforscht.

Kein Comeback für Deutschland: Lena Oberdorf im Trainingsoutfit des Nationalteams Foto: Fotostand/imago

Es kommt immer noch nicht allzu häufig vor, dass es um Frauen geht, wenn in der Fußballnation Deutschland die Emotionen hochkochen. Immerhin kommt es vor. Jener aufreibende Kampf, den ein dezimiertes deutsches Team im Viertelfinale der Europameisterschaft in diesem Jahr den spielerisch überlegenen Französinnen geliefert hat, der in einen irrwitzigen Erfolg nach Elfmeterschießen geführt hat, war so ein Ereignis, über das im ganzen Land gesprochen wurde.

In dieser Woche war es wieder so weit. Das Knie von Lena Oberdorf beschäftigt die sportinteressierte Öffentlichkeit. Beim Bundesligaspiel ihres FC Bayern München gegen den 1. FC Köln musste sie nach einem Zweikampf in der 20. Minute ausgewechselt werden. Die Diagnose kurz darauf war ein Schock: Kreuzbandriss. Es ist der Zweite im rechten Knie der 23-Jährigen.

Erst zu Saisonbeginn in der Frauenbundesliga war sie auf den Platz zurückgekehrt. An diesem Freitag sollte sie ihr Comeback in der Nationalelf feiern. Da steht in Düsseldorf das Halbfinal-Hinspiel in der Nations League der Uefa an – gegen Frankreich (17.45 Uhr, ARD). Bei jenem viel besungenen Spiel in Basel war Oberdorf nicht dabei. Bundestrainer Christian Wück hatte auf die Nominierung von Oberdorf verzichtet.

Herantasten ans Comeback

Er wollte der hochbegabten Fußballerin, auf die seit ihrem ersten großen Turnier, der WM 2019 in Frankreich, so viele Hoffnungen projiziert wurden, Zeit geben, ihre Kreuzbandverletzung auszukurieren. Sie sei noch nicht so weit, ein hartes EM-Turnier zu bestreiten, so Wück damals, der durchaus kritisiert wurde für diese Entscheidung. Für die letzten Spiele des Nationalteams hatte Wück Oberdorf nominiert, obwohl sie nach ihrem ersten Kreuzbandriss noch kein Spiel bestritten hatte. Zum Einsatz ist sie nicht gekommen bei den Nations-League-Spielen gegen die Niederlande und Österreich.

Oberdorf trainierte dann beim FC Bayern, während ihre Kollegen sich beim EM-Turnier in der Schweiz aufrieben. Jetzt muss sie wieder zusehen, wenn ihre Auswahlkolleginnen gegen Frankreich spielen. Bibiane Schulze Solano dagegen steht im Kader – zum ersten Mal seit ihrem Kreuzbandriss. Schulze Solano, die Defensivkraft von Athletic Bilbao, gehörte zum Team, das bei den Olympischen Spielen 2024 Bronze gewonnen hatte. Im September darauf zog sie sich ihre Bänderverletzung am Knie zu. Elf Monate hat es gedauert, bis sie wieder spielen konnte, 13 Monate, bis sie wieder für das Nationalteam nominiert worden ist.

Sie könne nachempfinden, wie es Oberdorf gerade geht, sagte sie am Dienstag auf der Pressekonferenz des DFB in Düsseldorf und schilderte, wie sie sich nach ihrem Kreuzbandriss langsam wieder herangetastet hat an das höchste Niveau. Auch Giulia Gwinn, die Kapitänin des Nationalteams, weiß, wie es sich anfühlt, sich nach einem Kreuzbandriss zurückzukämpfen.

Sie wird bei den Halbfinalspielen gegen Frankreich (das Rückspiel findet am kommenden Mittwoch in Caen statt) dabei sein. Als sie sich im Auftaktspiel der Deutschen bei der EM im Sommer gegen Polen verletzt hat, waren die Befürchtungen groß, sie könnte sich nach 2020 und 2022 zum dritten Mal einen Kreuzbandriss eingefangen haben. Der blieb ihr erspart.

Doch nicht erst seit jenem Spiel wird viel gesprochen über die Knie von Fußballerinnen. Deren Kreuzbänder reißen auffällig oft und häufiger als bei Männern. Einen Grund dafür nannte die Sportwissenschaftlerin Saba Shakalio im Gespräch mit der taz. Frauen hätten „tendenziell ein breiteres Becken und weniger stabiles Bindegewebe“.

Hormone vs. Bänder

Es gebe auch die Theorie, nach der Hormonschwankungen während des Zyklus die Bänder zeitweise elastischer machen würden, sodass sie anfälliger für Verletzungen seien. Nach einer anderen Theorie gehen Frauen beim Fußballspielen mehr ins Risiko, wenn sie zyklusbedingt einen höheren Testosteronwert haben. So richtig überzeugt ist Shakalio von keinem dieser Erklärungsansätze. Es gebe noch zu wenig Forschung in diesem Bereich.

Gründe, dem Phänomen auf den Grund zu gehen, gibt es genug. Beinahe im Wochentakt gehen Meldungen über gerissene Kreuzbänder über die Nachrichtenticker. In der vergangenen Woche hat sich die frühere deutsche Nummer eins Merle Frohms am Knie verletzt. Diagnose: Kreuzbandriss.

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