Verkehrs-Thinktank über E-Scooter: Ehrenrettung für die Störer
E-Scooter können ein Beitrag zu nachhaltiger Mobilität sein, sagen Experten der Denkfabrik Agora Verkehrswende. Sie geben Kommunen Ratschläge dazu.
Auch wenn sie zurzeit in den größeren Städten vor allem nerven – E-Scooter haben großes Potenzial, Teil einer nachhaltigen Mobilitätswende zu werden. Davon sind zumindest die Experten der Denkfabrik Agora Verkehrswende überzeugt. Am Donnerstag haben sie Handlungsempfehlungen für den Umgang der Kommunen mit den Verleihsystemen vorgelegt. E-Scooter sollten als Chance und nicht nur als Problem verstanden werden, heißt es darin.
Vor allem für kürzere Strecken und in Verbindung mit dem ÖPNV könnten E-Scooter ein Teil der Verkehrswende sein, so die Experten. Denn die kleinen Flitzer sind viel energieeffizienter als Autos. Ein Pkw legt im Schnitt mit einer Energiemenge von einer Kilowattstunde eine Strecke von rund zwei Kilometern zurück, ein E-Scooter kommt vierzigmal so weit. Auch bei der Emission von klimaschädlichem CO2 seien die E-Tretroller sparsam, so Alexander Jung, Projektleiter Neue Mobilität bei Agora Verkehrswende.
Nach den derzeit vorliegenden – wenigen – Daten ersetzen die Scooter bislang aber vor allem Fußwege und nicht Autofahrten. Nachdem E-Scooter Mitte Juni in Deutschland zugelassen wurden, drängen viele Verleiher auf den Markt.
Weil die E-Roller von den Nutzern an allen möglichen Orten abgestellt werden, ist die Empörung häufig groß. Behindertenverbände weisen darauf hin, dass die Geräte für Menschen etwa mit Seheinschränkung gefährliche Barrieren sind. In wenigen Wochen ist es zu zahlreichen Unfällen gekommen – auch weil die Rollerfahrer gegen Verkehrsregeln verstoßen.
Vorschlag: Beschwerde-Hotline
Die Kommunen sollten versuchen, „die Leihangebote so zu regulieren, dass schwächere Verkehrsteilnehmer nicht beeinträchtigt werden“, sagte Christian Hochfeld, Direktor der Agora Verkehrswende. Städte sollten zum Beispiel mit den Anbietern vereinbaren, dass für Leihroller Parkplätze sowie Sperrzonen für das Abstellen und Fahren eingerichtet werden.
Auch sehen die Handlungsempfehlungen vor, dass Kommunen und Anbieter einen Zeitraum festlegen, in dem falsch abgestellte oder umgefallene Scooter entfernt werden müssen. Über eine Hotline, deren Nummer auf den Gefährten steht, sollen Beschwerden möglich sein. Auch raten die Verkehrsexperten den Kommunen, die Infrastruktur für Fahrräder und E-Roller auszubauen. E-Roller müssen auf Radwegen fahren.
Die Städte hoffen auf eine Drosselungstechnik, mit der die E-Scooter automatisch gebremst werden, wenn sie etwa in Fußgängerzonen unterwegs sind. Technisch ist das möglich. Aber noch sind solche Geräte vom Kraftfahrtbundesamt nicht zugelassen.
Mailand hat nach einem tödlichen Unfall E-Scooter kurzerhand verboten. Das könnten deutsche Städte nicht. „Wir haben keine Handhabe für ein Verbot“, sagte Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag. „Für den Verkehr zugelassene Fahrzeuge können wir nicht verbieten.“ Städte könnten aber Sondernutzungszonen ausweisen, in denen sie bestimmte Auflagen erteilen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung