Verhandlungen zu Feuerpause in Nahost: Sie reden wieder
Israel, die Hamas und weitere Partner verhandeln in Ägypten erneut über eine Feuerpause. Die israelische Regierung will weitere Geiseln austauschen.
Noch gibt es keine Einigung, doch immerhin: Die Verhandlungen über eine weitere Feuerpause im Nahen Osten laufen wieder. Israel soll die erneute temporäre Feuerpause angeboten haben. Die Zeit soll genutzt werden, um israelische Geiseln gegen palästinensische Gefangene auszutauschen. Das Ende der Verhandlungen wird innerhalb der nächsten Tage erwartet.
Seit dem Bruch der Feuerpause Anfang Dezember hatte es keine Verhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der islamistischen Hamas gegeben. Hamas-Führer hatten zuletzt immer wieder erklärt, erst mit einem längerfristigen Waffenstillstand die Gespräche wieder aufnehmen zu wollen. Doch bereits vor ein paar Tagen sind katarische, US-amerikanische und israelische Vertreter*innen zusammengekommen, um miteinander zu reden. Am Mittwochmorgen reiste auch Ismail Haniyeh, der in Katar lebende Anführer der Hamas, nach Ägypten.
Laut der amerikanischen Nachrichtenseite Axios sieht der zu diskutierende israelische Vorschlag eine mindestens einwöchige Feuerpause vor. Mindestens 40 Geiseln sollen freigelassen werden. Israel deutete an, dass im Gegenzug dafür palästinensische Gefangene freigelassen werden könnten. Die palästinensischen Gefangenen, die im Rahmen der früheren Vereinbarung freigelassen worden waren, sollen wegen geringfügigen Delikten eingesessen haben. Israelischen Beamten zufolge sitzen Dutzende palästinensische Gefangene ein, die wegen schwerwiegender Angriffe auf Israel verurteilt wurden, aber alt oder krank sind und im Rahmen eines humanitären Abkommens freigelassen werden könnten.
Natanjahu zieht Zorn auf sich
Unterdessen traf sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstagabend mit einer Auswahl von Familienangehörigen von Geiseln und zog damit den Zorn vieler Familien auf sich, die nicht eingeladen worden waren. Sie werfen ihm vor, schlechte Presse vermeiden zu wollen: Ein früheres Treffen mit den Familien war sehr angespannt und hitzig verlaufen. Auf Tonbandaufnahmen von dem Treffen war heftige Kritik an Netanjahu und seiner Regierung zu hören gewesen. Eine Wiederholung dessen wolle er offenbar vermeiden.
Seit der fatalen Tötung dreier Geiseln durch israelische Soldaten vor einigen Tagen ist die Wut unter den Familien noch gewachsen. Die israelische Regierung hatte immer wieder betont, dass die Geiseln nur mit militärischem Druck befreit werden könnten. Freigelassene Geiseln und Familienangehörige hingegen hatten immer wieder auf die Gefahren dieser Strategie hingewiesen.
Ob sich die Hamas tatsächlich auf die Freilassung von Geiseln einlässt, ohne eine längerfristige Feuerpause oder gar einen Waffenstillstand zu erzielen, ist fraglich. Der hochrangige Hamas-Führer Ghazi Hamad sagte gegenüber dem katarischen Fernsehsender al-Dschasira, dass die Hamas kein Interesse daran habe, Geiseln freizulassen, um danach von Israel bombardiert zu werden. Deswegen sei das Ziel der militant-islamistischen Organisation, einen permanenten Waffenstillstand zu erzielen.
Was aus dem Gazastreifen werden soll, bleibt ungewiss
Die militärische israelische Führung plant, dass der Krieg im Gazastreifen im Laufe des Januars in die nächste Phase übergehen soll: weg von einer umfassenden Bodenoffensive hin zu Razzien bei der Verfolgung von hochrangigen Hamas-Führern und anderen Zielen.
Doch noch immer ist unklar, was aus dem Gazastreifen werden soll, wenn der Krieg vorbei ist. Der amerikanischen Tageszeitung Wall Street Journal zufolge führt der politische Flügel der Hamas derzeit Gespräche mit der das Westjordanland kontrollierenden, rivalisierenden Fatah darüber, wie der Gazastreifen und das Westjordanland nach dem Ende des Krieges regiert werden sollen. Diese Gespräche sollen zu Konflikten mit dem Chef des militärischen Flügels der Hamas, Yahya Sinwar, geführt haben.
Dem Wall Street Journal zufolge gibt es Hinweise darauf, dass die politische Führung der Hamas bereit sein könnte, sich der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) anzuschließen und Verhandlungen im Rahmen einer Einheitsregierung für einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 zu unterstützen. Sinwar habe einen Abbruch dieser Gespräche gefordert.
Die US-Regierung hat in den vergangenen Wochen immer wieder auf eine Zweistaatenlösung gedrängt und darauf, dass die Palästinensische Autonomiebehörde die Kontrolle im Gazastreifen übernehmen soll. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat diesen Vorschlag in den vergangenen Wochen immer wieder in deutlichen Worten zurückgewiesen und erklärt, er werde nicht zulassen, dass „Hamastan“ durch „Fatahstan“ ersetzt würde, also dass die Kontrolle im Küstenstreifen von der Hamas an die Fatah-Partei geht, die im Moment die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland kontrolliert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja