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Verhandlungen über Ukraine-KriegVerwirrung in Istanbul

Platzt das Treffen zwischen Russland und der Ukraine? Unklare Signale von Putin und Selenskyj.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (l) und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj in Ankara, am 15.5.2025 Foto: Planet piy/zuma/dpa

Berlin taz | Es sollten die ersten direkten Gespräche zwischen Vertretern der Ukraine und Russlands seit über drei Jahren sein, doch am Donnerstag war zunächst unklar, ob es im Dolmabahçe-Palast in Istanbul zu einer Begegnung kommen würde. „Nach mehr als sechs Stunden Wartezeit, ohne dass ein Treffen vereinbart worden wäre, kampierten nach Angaben der Türkei Dutzende Journalisten noch immer im Dolmabahçe-Palast, mit Zigaretten und Kaffee in der Hand, in schattigen Ecken“, berichtete der US-Fernsehsender CNN.

Immerhin konnten Nachrichtenagenturen vermelden, dass eine ukrainische und russische Delegation in der Türkei eingetroffen seien, jedoch in verschiedenen Städten. Am späten Nachmittag kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an, Vertreter seines Teams nach Istanbul zu schicken. Dies geschehe aus Respekt für US-Präsident Donald Trump und dessen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan.

Eine Neuauflage von Verhandlungen „ohne Vorbedingungen“ hatte Russlands Präsident Wladimir Putin am vergangenen Sonntag ins Spiel gebracht – eine Antwort auf die Forderung Selenskyjs nach einer bedingungslosen Waffenruhe. Diejenigen, die wirklich Frieden wollten, könnten nicht dagegen sein, hatte der Kremlchef vor Journalisten in Moskau gesagt. Selenskyj hatte den Vorschlag aufgegriffen, seine Anwesenheit in Istanbul jedoch an eine Teilnahme Putins geknüpft.

Der Kreml brauchte bis zum späten Mittwochabend, um eine Liste seiner Emissäre vorlegen. Putin fehlte darauf genauso wie Außenminister Sergei Lawrow. Vor Ort sind hingegen Vize-Außenminister Michail Galusin, General Igor Kostjukow vom russischen Generalstab und Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin. Leiter der Delegation ist Putins Berater Wladimir Medinski (bereits an den ergebnislosen Verhandlungen 2022 in der Türkei beteiligt), dem Kritiker Geschichtsklitterung und Fälschungen von Schulbuch­inhalten vorwerfen.

Unklarheiten auf Allen Ebenen

Am Donnerstag morgen trafen Selenskyj und sein Team – darunter Außenminister Andrij Sybiha, Verteidigungsminister Rustem Umjerow sowie der Chef des ukrainischen Präsidialamtes Andrij Jermak – zu Gesprächen mit Erdoğan in Ankara ein. Selenskyj bezeichnete das Niveau der russischen Delegation als Farce, ob Mitglieder seines Teams nach Istanbul weiterreisen würden, ließ er offen. „Wir müssen verstehen, welches Mandat die russische Delegation hat und ob sie in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen. „Denn wir alle wissen, wer in Russland die Entscheidungen trifft“, sagte Selenskyj.

Auch US-Präsident Donald Trump, derzeit auf Tour durch mehrere Golfstaaten, sorgte am Donnerstag für Unklarheiten. Noch am Mittwoch hatte er einen möglichen Abstecher nach Istanbul angekündigt, am Donnerstag seine Meinung wieder geändert. An Bord der Air Force One vor der Landung in Abu Dhabi gab er zu Protokoll, dass nichts passieren werde, bis Putin und er sich persönlich träfen. Er sei nicht enttäuscht, dass Putin der Delegation nicht angehöre, über deren Zusammensetzung wisse er nichts. Für die USA waren Außenminister Marco Rubio, Trumps Sonderberater für die Ukraine Keith Kellogg sowie Trumps Verhandlungsführer Steve Wittkoff zu den Gesprächen in die Türkei gereist.

Die russische unabhängige Politologin Natalia Schawschukowa sagte dem russischsprachigen oppositionellen Webportal Nastojaschee vremja zur Abwesenheit Putins, dessen wahre Motivation sei nur ein Treffen mit dem US-Präsidenten gewesen. Er scheine nicht an einem Friedensabkommen mit der Ukraine interessiert zu sein.

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4 Kommentare

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  • Ich fürchte, das Gedächtnis mancher Journalist:innen und Politolog:innen ist noch schlechter als das ihrer Leser: innen. Schlechter als meins zum Beispiel.

    Da war doch was, nicht? Richtig: Da war ein internationaler Haftbefehl. Gegen Putin. Aus 2023. Vollstreckbar überall, auch in der Türkei. Womöglich war Putin die eigene Freiheit ja wichtiger als ein Ende des Ukrainekrieges?

    Klar, man kann diese Prioritätensetzung kritisieren. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass andere Staatschefs (Journalisten, Politologen etc.) anders entscheiden würden? Ist ja nicht so, dass die Staatsräson auch mit Blick auf Russland gelten würde. Putin ist nicht Netanyahu und die Ukraine ist nicht Gaza, war es nicht so?

  • Es ist traurig, dass das Treffen in Istanbul im Vorfeld mit der Forderung nach der Teilnahme des russischen und des ukrainischen Präsidenten überfrachtet und damit quasi entwertet wurde.



    Nein, es ist jetzt nicht der Ort für einseitige Schuldzuweisungen - aber die Hoffnung auf Frieden für die Ukraine ist wieder gesunken. Weil Verantwortliche auf beiden Seiten es offenbar nicht wollen.

    • @Abdurchdiemitte:

      Guter Kommentar, danke! Schließe mich an.

    • @Abdurchdiemitte:

      Wieso "auf beiden Seiten"....?