Verhandlung über Compact-Verbot: Kann die Innenministerin Medien verbieten?
Der Prozess um das Verbot des rechtsextremen Compact-Verlags beginnt mit einer grundsätzlichen Frage: Hebeln Vereinsverbote die Pressefreiheit aus?

Die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im Sommer 2024 die Compact Magazin GmbH nach dem Vereinsrecht verboten. Das herausgegebene Magazin richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere gegen die Menschenwürde von Migrant:innen. In einer Eil-Entscheidung setzte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) das Verbot jedoch bis zur jetzigen Verhandlung aus.
Zu Beginn der Verhandlung ging es zunächst nur um die Frage, ob ein Presseorgan überhaupt nach dem Vereinsgesetz verboten werden kann. Compact-Anwalt Ulrich Vosgerau argumentiert, dass sich solche Vereinsverbote typischerweise gegen die Organisierte Kriminalität richten. Ein Presse-Organ wie Compact („mit Impressum“) sei jedoch etwas ganz anderes.
Vor allem aber sei ein Magazin wie Compact von der Pressefreiheit geschützt. Das Zensurverbot des Grundgesetzes verbiete auch jedes präventive Verbot eines Mediums. Deshalb seien in den Landespressegesetzen keine Presseverbote vorgesehen. Bei Bedarf könne gegen einen Verleger die Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz beantragt werden. Darüber entscheide aber das Bundesverfassungsgericht und nicht der Innenminister.
Bundesinnenministerium weist Argumente zurück
Für das Bundesinnenministerium wies der Anwalt Wolfgang Roth die Argumente von Compact zurück. Laut Vereinsgesetz könne ein Verein, der sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, auch verboten werden, wenn er keine Straftaten begeht und keine Gewalt ausübt.
Die Pressefreiheit werde auch im Rahmen eines Vereinsverbots geprüft, so Anwalt Roth, wenn die Organisation ein Medium herausgibt. Das Grundgesetz garantiere die Pressefreiheit nicht absolut, sondern lasse gesetzlich Eingriffe zu, etwa durch das Vereinsgesetz. Auch Presseverbote seien möglich, sie müssten aber verhältnismäßig sein.
Es sei „fernliegend“, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes 1949 ein Verbot von Zeitungen wie der Nazi-Hetzpostille „Der Stürmer“ ausschließen wollten. Weil der Bund Presseorgane als Vereine verbieten kann, gebe es auch keine entsprechende Regelung in den Landespressegesetzen. Das strenge Zensurverbot des Grundgesetzes beziehe sich nicht auf Medienverbote, nur auf die Pflicht Zeitungen und Artikel vor der Veröffentlichung einem staatlichen Zensor vorzulegen.
Richter verweist auf Compacts Selbstverständnis
Das Bundesverwaltungsgericht hat schon mehrfach das Verbot von Medien als Vereine akzeptiert. Oft waren es allerdings Vereinszeitschriften. Zuletzt wurde 2020 das linksradikale Internetportal linksunten.indymedia.org als Verein verboten. Ein klassisches unabhängiges Medium mit Redaktionskonferenz und journalistischen Mitarbeiter:innen wurde auf dieser Grundlage bisher noch nicht untersagt.
Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft gab allerdings zu bedenken, dass Compact nach seinem Selbstverständnis auch kein ganz normales Presseorgan sei und zitierte dabei den Chefredakteur Jürgen Elsässer. „Ein wichtiger Unterschied zu anderen Medien ist, also wir wollen einfach das Regime stürzen“, hatte er bei einer internen Veranstaltung erklärt.
Der zweite Compact-Anwalt Laurens Nothdurft versuchte Elsässers Äußerung zu relativieren. „Das war im Superwahljahr 2024, da ging es nur um Änderungen auf demokratischem Wege durch Wahlen.“ Compact hatte mit seiner Veranstaltungsreihe „Blaue Welle“ massiv die AfD unterstützt.
Am Nachmittag des ersten Verhandlungstages wird es um die eigentlichen Verbotsgründe, die hetzerische Berichterstattung von Compact gehen. Ein Urteil wird am Dienstag nicht erwartet.
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