Verhaftung von Fatih Altaylı: Weiterer türkischer Journalist festgenommen
Der türkische Präsident Erdoğan lässt erneut einen Kritiker verhaften: Journalist Fatih Altaylı landet nach angeblich regierungskritischen Äußerungen im Gefängnis.
Mit schöner Regelmäßigkeit lässt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seit Monaten seine Kritiker ins Gefängnis stecken. Am Sonntag traf es den bekannten Fernsehjournalisten Fatih Altaylı, der angeblich Morddrohungen gegen den Präsidenten ausgesprochen haben soll.
Insbesondere seit der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu im März ins Gefängnis gesteckt wurde, vergeht kaum mehr ein Tag, an dem nicht ein mehr oder weniger prominenter Kritiker Erdoğans von einer mittlerweile vollkommen willfährigen Justiz verhaftet wird. Einziges gemeinsames Merkmal aller Betroffenen ist: Sie gehören zur säkularen bürgerlichen Opposition, die sich rings um die oppositionelle CHP schart, deren inhaftierter Präsidentschaftskandidat İmamoğlu bei den nächsten Wahlen eigentlich gegen Erdoğan antreten soll.
Fatih Altaylı gehört zu den prominentesten Leuten, die seit März im Gefängnis verschwanden. Er war jahrelang das Aushängeschild des TV-Senders Habertürk und moderierte dort regelmäßig eine Talk-Sendung namens „Teke Tek“ (Ein-zu-eins). Nach mehr als zehn Jahren musste Habertürk ihn auf Druck der Regierung 2023 entlassen. Er gründete daraufhin einen eigenen Youtube-Kanal, der sich schnell großer Beliebtheit erfreute und zuletzt mehr als 1,5 Millionen AbonnentInnen hatte. Altaylı kommentierte dort das tägliche politische Geschehen und lud diverse Gäste zum Talk ein.
Eines dieser Gespräche wurde ihm nun zum Verhängnis. Im Zusammenhang mit einer neuen Verfassung, auf die Erdoğan seit Langem drängt, wurde in der Runde darüber diskutiert, ob es Erdoğan gelingen könnte, sich zum Präsidenten auf Lebenszeit erklären zu lassen und Wahlen praktisch abzuschaffen. Altaylı erinnerte in der Diskussion daran, dass die TürkInnen nicht auf das Recht zur Wahl verzichten würden wollen und selbst die Sultane zu osmanischen Zeiten das Volk fürchten mussten.
Instrumentalisierte Justiz
Dieser historische Exkurs wird ihm nun als Aufruf zum Mord an Erdoğan ausgelegt, was zeigt, dass sich die von der Regierung vollkommen instrumentalisierte Justiz nicht einmal mehr die Mühe macht, eine plausible Anklage zu formulieren. Festnahmen und Verurteilungen erfolgen sowieso auf Anweisung durch den Präsidentenpalast.
Der 63-jährige Altaylı ist Absolvent des berühmten Galatasaray Gymnasiums und der Bosporus Universität, ein Bildungsweg, der oft an die Schaltstellen der Republik führte. Entsprechend gut ist das Netzwerk von Altaylı. Seine Festnahme ist deshalb auch ein Signal, dass selbst die bekanntesten Namen der säkularen Opposition nicht mehr davor gefeit sind, in den Knast zu wandern.
International hat Erdoğan derzeit keinerlei Kritik mehr zu befürchten. Im Gegenteil, als Vermittler und Moderator bei den zahlreichen Krisen und Kriegen in der Region ist er so gefragt wie lange nicht. Als Truppensteller der zweitgrößten Nato-Armee scheint er unverzichtbar. Auch die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz will ihn keinesfalls vergraulen.
Egal wie viel JournalistInnen, OppositionspolitikerInnen und AktivistInnen im Knast verschwinden, die türkische Opposition wird genauso im Stich gelassen, wie die iranische Opposition jahrelang von der EU im Stich gelassen wurde.
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