Verfehlte Ziele: Ampel bleibt im Klima-Clinch
Die Bundesregierung will kein Sofortprogramm für den Verkehr vorlegen, obwohl das Klimaschutzgesetz das vorschreibt. Einige Grüne sind sauer.
Zuvor hatte sich schon Bastian Pauly als Sprecher des Bundesverkehrsministeriums von Volker Wissing (FDP) ähnlich geäußert. Büchner verwies auf das Ergebnis des Koalitionsausschusses im März. Die Ampelparteien hatten darin Eckpunkte für eine Reform des Klimaschutzgesetzes festgehalten.
Der Koalitionsfrieden hängt nach den Äußerungen mal wieder schief. „Wenn diese Aussage so zutrifft, wäre das eine offene Aufforderung zum Rechtsbruch“, sagte etwa der Grünen-Abgeordnete Stefan Gelbhaar, der verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion ist. „Gesetze gelten, auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kanzleramts. Es steht nicht im Belieben einer Regierung oder eines Regierungsteils, sich daran zu halten oder nicht.“
Mit der Reform des Klimaschutzgesetzes soll es eine „sektorübergreifende und mehrjährige Gesamtrechnung“ beim Klimaschutz geben. Bisher gibt es für jeden einzelnen Wirtschaftssektor eine eigene CO2-Grenze – und zwar für jedes Jahr. Wird mehr ausgestoßen, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm erarbeiten, um die Verfehlung auszugleichen.
Regierungsberaterin: „Das ist ziemlich problematisch“
Der Koalitionsausschuss hatte in der Hinsicht allerdings nur einen Formelkompromiss hervorgebracht. Während die Einigung von FDP und SPD als Absage an die bisherige Handhabe gesehen wurde, wünschen sich die Grünen die Gesamtrechnung zusätzlich.
„Einem Gesetz, das den Ministerien die Verantwortung für Klimaschutz in ihren Bereichen erlässt, werde ich nicht zustimmen“, sagte die Grünen-Abgeordnete Kathrin Henneberger. „Ich habe auch den Eindruck, dass es dazu in unserer Fraktion Einigkeit gibt.“ Der sektorübergreifende Blick auf die Klimaziele könne die bisherige Herangehensweise „nur als Verschärfung ergänzen, aber nicht ersetzen“.
Auch die Physikerin Brigitte Knopf, Mitglied des Expertenrats für Klimafragen, zeigte sich irritiert. „Das ist schon ziemlich problematisch, dass der stellvertretende Regierungssprecher denkt, man könne einfach mit einer ‚veränderten Beschlusslage‘ durch den Koalitionsausschuss das geltende Recht des Klimaschutzgesetzes aushebeln“, twitterte sie. Der Expertenrat für Klimafragen prüft gemäß Klimaschutzgesetz die Klimapolitik der Bundesregierung.
Am Montag hatte er unter anderem die Reformpläne der Ampelregierung bewertet. „Eine mögliche Aufweichung der ausdrücklichen Ressortverantwortung sowie die verschiedenen Überlegungen zur Änderung des Steuerungsmechanismus im Klimaschutzgesetz erhöhen das Risiko für zukünftige Zielverfehlungen“, hatte Knopf dazu gesagt.
Dem Gutachten des Expertenrats nach war nicht nur der Verkehr im vergangenen Jahr zu klimaschädlich, sondern auch das Heizen von Gebäuden. Eine Sprecherin des Bundesbauministeriums von Klara Geywitz (SPD) sagte am Montag, das Ressort könne das Sofortprogramm aus dem vergangenen Jahr fortschreiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin