Verfassungsschutzbericht: Linke und Neumann gegen USA
Die Polizei hat 2013 mehr linksextremistisch motivierte Straftaten gezählt als im Vorjahr. CDU und FDP sehen darin ein Versagen des Senats.
HAMBURG taz | „Zeugnis ablegen“ nannte Innensenator Michael Neumann (SPD) am Montag die Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichtes. Und den größten Raum nahmen dieses Mal die linksextremistisch motivierten Straftaten ein. Die sind im vergangenen Jahr gestiegen: 2013 wurden von der Polizei 297 Straftaten registriert, im Vorjahr waren es 138. Die Zahl der erfassten Gewaltdelikte war mit 187 etwa drei Mal so hoch wie 2012.
„Das herausragende und schwierigste Ereignis war die Demonstration der linken Szene am 21. Dezember“, sagte Manfred Murck, scheidender Landeschef des Verfassungsschutzes. Der Anstieg der Zahlen sei vor allem auf die Ausschreitungen vor und nach dieser Demo zurückzuführen.
„Die Mobilisierung war hier das eigentlich Ereignis“, sagte Murck, denn insgesamt sei die Zahl der erfassten Linksextremisten mit 1.120 nämlich so hoch wie 2012. Aber das „Sympathisantennetzwerk“ sei im vergangenen Jahr besser vernetzt gewesen.
Überraschende Massenmilitanz
So sei es der Roten Flora gelungen, bundesweit Aufmerksamkeit zu erregen und allein zur Demonstration am 21. Dezember rund 2.000 Menschen von außerhalb zu mobilisieren. „Die Massenmilitanz war die gewünschte Ausdrucksform“, sagte Murck. Die linke Szene habe sich nach vorne gespielt und dem werde man Rechnung tragen.
„Aus meiner Wahrnehmung war es überraschend, dass die Situation am 21. Dezember so eskalierte“, sagte Neumann. Er habe es im Laufe seiner Amtszeit so wahrgenommen, dass sich das Verhältnis zur Roten Flora und der linken Szene eher entspannt habe. „Aber der Dezember war wohl eher eine Ausnahme“, sagte Neumann.
Dennoch werde die linke Szene wieder mehr in den Fokus rücken. Auf die Frage, ob nun die Rotfloristen und ihr politisches Umfeld stärker überwacht werden, sagte Murck, man müsse „ein Stück nachsteuern“.
CDU und FDP sehen das nicht so entspannt. „Ohne ein klares Konzept gegen Links leidet die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger und die Polizei wird in gefährliche Situationen gebracht“, sagte Kai Voet van Vormizeele (CDU). Der Senat lasse die Polizei im Kampf gegen den Linksextremismus allein.
Und Carl Jarchow (FDP) ergänzt: „Besonders die Zahl der Gewalttaten gegen Leib und Leben ist geradezu explodiert.“ Das beweise, dass der SPD-Senat die linksradikal motivierte Gewalt über Jahre ignoriert habe.
Antje Möller von den Grünen sieht das Problem eher darin, dass alle Bündnisse, die die Senatspolitik kritisieren, sofort unter Extremismusverdacht geraten. Straftaten, die im Umfeld von Versammlungen zu Themen wie Flüchtlingspolitik, Gentrifizierung oder den Gefahrengebieten stattfinden, werden weiterhin grundsätzlich dem linksextremistischen Spektrum zugerechnet.
Nordkorea und die USA
Ungewohnte Zustimmung aus der linken Szene wird Senator Neumann vermutlich für eine Folie in der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes bekommen, auf der die USA und Großbritannien gemeinsam mit Iran, Marokko, Russland, Syrien, China und Nordkorea als Ziele der Spionageabwehr genannt werden.
„Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass wir auch auf diese Seite schauen müssen“, sagte er. Aber die Enthüllungen von Edward Snowden über die Spionage des US-Geheimdienstes NSA hätten den „Samen des Zweifels gesät“ und er wisse nicht, „ob es sich bei denen noch um Freunde handelt“. In Sicherheitsfragen sei eine Zusammenarbeit mit den USA und Großbritannien künftig „sehr schwierig, wenn nicht unmöglich“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen