Verfassungsschutzbericht 2014: Mehr Islamisten, mehr Nazis

Der Verfassungsschutz rechnet immer mehr Menschen der islamistischen Szene zu. Die rechtsextreme Szene sei defensiver geworden, die linksradikale im Umbruch.

Mit Beratungsstellen gegen Radikalisierung. Foto: dpa

Laut dem am Dienstag vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2014 rechnen die Sicherheitsbehörden mittlerweile 650 BerlinerInnen der islamistischen Szene zu, das sind 150 mehr als noch Ende 2013. Rund 340 dieser Personen gelten laut Verfassungsschutz als gewaltbereit.

Bis zur vergangenen Woche seien etwa 100 BerlinerInnen mit dem Ziel ausgereist, sich dem Islamischen Staat in Syrien anzuschließen, darunter etwa 15 Frauen, die meist als Begleiterinnen ihrer Ehemänner mitreisten, sagte Verfassungsschutz-Chef Bernd Palenda. Etwa ein Drittel sei bisher wieder nach Berlin zurückgekehrt. Mit einigen von ihnen stehe der Verein Violence Protection Network (VPN) mittlerweile in Kontakt. Der Verein hat im Auftrag der Senatsverwaltung für Inneres Anfang April mit einem Präventions- und Deradikalisierungsprogramm begonnen, für das fünf Jahre lang jeweils rund 100.000 Euro fließen sollen. Das Sonderprogramm laufe gut an; für eine genauere Zwischenbilanz sei es aber noch zu früh, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU).

Neonazis in der Defensive

Auch die rechtsextremistische Szene in Berlin ist gewachsen. Aktuell werden ihr rund 1.355 Menschen zugerechnet, während die Zahl der organisierten Neonazis leicht zurückging und nun bei 430 liegt. „Besonders beunruhigend“ sei das Engagement von Neonazis gegen Flüchtlinge, so Henkel. Der Senator sprach in diesem Zusammenhang weiterhin von einer „Instrumentalisierung“ von Bürgerprotesten durch Neonazis – eine Darstellung, der Experten wie die MitarbeiterInnen der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus widersprechen: Sie gehen davon aus, dass die Proteste gegen Flüchtlingsheime von Rechtsextremen keineswegs nur benutzt, sondern von Beginn an initiiert und gesteuert werden.

Im Kapitel zu Rechtsextremismus findet sich auch eine Anerkennung antifaschistischen Engagements: Das aktionsorientierte Neonazi-Spektrum, insbesondere das hier tonangebende „Netzwerk Freie Kräfte“, sei mittlerweile „existenziell bedroht“ und „in die Defensive gedrängt“ – und zwar durch das „öffentliche Enttarnen“ einzelner Neonazis einerseits sowie durch „große Gegenmobilisierungen“ andererseits; sprich durch die Arbeit von antifaschistischen AktivistInnen.

Mit Blick auf die linksradikale Szene sprach Henkel von „deutlichen Umbrüchen“. Anzeichen dafür seien die Auflösung der lange tonangebenden Antifaschistischen Linken Berlin (ALB), der Zusammenschluss der Gruppen ARAB und NaO sowie die Fusion der Gruppen Avanti und Fels zur laut Bericht 180 Mitglieder starken Interventionistischen Linken Berlin. Die Szene versuche, ihrer Zersplitterung entgegenzuwirken. Als ein solcher Versuch könne die Gründung der Radikalen Linken Berlin im Dezember gewertet werden, die in der Vorbereitung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration bereits eine „dominante Rolle“ eingenommen habe.

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