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Verfassungsschutz und die AfDAfD-Politiker unter Beobachtung

Äußerungen der AfD sorgen immer wieder für Debatten, ob der Verfassungsschutz aktiv werden sollte. Doch einzelne Mitglieder werden schon längst beobachtet.

Rassistische Rede: André Poggenburg beim Politischen Aschermittwoch in Hoyerswerda, Sachsen Foto: dpa

Berlin epd | Einzelne AfD-Mitglieder werden vom Verfassungsschutz beobachtet, auch wenn die Partei als Ganzes kein Objekt für den Inlandsgeheimdienst ist. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Verfassungsschutzbehörden der Bundesländer ergab, ist das unter anderem in Bayern der Fall. Es seien AfD-Mitglieder bekannt, die Verbindungen in die rechtsextremistische oder islamfeindliche Szene und zu den sogenannten Reichsbürgern aufweisen, teilte ein Sprecher mit. Unter diesen Einzelpersonen, die derzeit vom Verfassungsschutz in Bayern beobachtet würden, befänden sich auch Funktionäre der AfD, allerdings keine Mandatsträger.

Aus dem niedersächsischen Innenministerium hieß es, Einzelpersonen fielen unter die Beobachtung, soweit sie in rechtsextremistischen Organisationen tätig sind. Die genaue Anzahl könne nicht genannt werden, da Mitgliederlisten der AfD, die kein Beobachtungsobjekt als Ganzes ist, nicht bekannt seien. „Dem Verfassungsschutz sind bislang lediglich Einzelfälle in Niedersachsen bekannt“, sagte ein Sprecher des dortigen Innenministeriums.

Die Berliner Senatsinnenverwaltung verwies auf personelle Verknüpfungen zwischen Anhängern der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ und der „Identitären Bewegung“, die Thema in den Verfassungsschutzberichten der vergangenen Jahre gewesen sei. Über die konkrete Beobachtung von Einzelfällen wollte sich der Sprecher aber nicht äußern: „Eine gesetzliche Pflicht, die Beobachtung einer Partei oder seiner Mitglieder öffentlich zu machen, besteht nicht“, sagte er.

Die Innenministerien in Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen teilten mit, dass derzeit keine Einzelpersonen aus der AfD beobachtet werden. Die Behörden der anderen Bundesländer wollten keine Angaben zur Beobachtung von Einzelpersonen machen.

Beobachtung der ganzen Partei nicht ausgeschlossen

Eine Rede des sachsen-anhaltischen AfD-Politikers André Poggenburg, in der er sich verächtlich über die Türkische Gemeinde in Deutschland äußerte, hatte erneut Forderungen nach einer Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz nach sich gezogen. Derzeit beobachten weder das Bundesamt für Verfassungsschutz noch die Verfassungsschützer der Länder die Partei.

Eine Einflussnahme oder Steuerung der Partei durch Rechtsextremisten sei derzeit nicht erkennbar, erklärte das Bundesamt. Dort stehen derzeit nach Angaben der Pressestelle auch keine Einzelpersonen aus den Reihen der Partei unter Beobachtung.

Der Dresdner Politikwissenschaftler Steffen Kailitz plädierte für eine Beobachtung von Teilen der AfD durch den Verfassungsschutz. Dies sei „gerechtfertigt und notwendig vor allem im Falle der ostdeutschen Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen“, sagte er. In diesen Ländern werde der „völkisch-nationale Flügel immer dominanter“. Dieser rechtsradikale Teil der AfD habe auch innerhalb der Gesamtpartei eine „immer größere Kraft“, sagte der Forscher am Dresdner Hannah-Arendt-Institut.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) bezeichnete die Forderung nach einer Beobachtung einzelner AfD-Mitglieder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „plausibel“. Zudem schrieb er in seinem Gastbeitrag, sollte die Radikalisierung in der AfD fortschreiten, könne eine Beobachtung der gesamten Partei durch den Verfassungsschutz „nicht ausgeschlossen werden“.

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13 Kommentare

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  • Mir wird ganz übel, wenn nach genau diesem VS gerufen wird, der bei der NSU Affäre ....... . Aber eine gute Zustandbeschreibung über Deutschland 2018.

  • nun ja, in der Gewährleistung von Grundrechten haben sich weder der VS, noch einzelne Mitglieder des Bundestages aus CDU,CSU, FDP, SPD in den letzten Jahren besondere Meriten erworben. Insofern ist es völlig gleichgültig, wen die RECHTS-lastigen Geheimdienste in Deutschland überwachen, solange nicht eine tatsächliche Öffentlichkeit hergestellt wird. Wer noch mehr "klares Auge" braucht: In München läuft die jahrelange Justizposse gegen die "Selige" Beata, deren Ausmaß sich solide auf die "LEISTUNGEN" der Deutschen Verfassungsschützer zurückführen lässt. Den Bundesbürgern im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben diese "Organe" genausowenig Schutz angedeihen lassen wie der "Verfassung". Das sagt einiges über die "Verfassung" der Merkel-Republik aus....

  • „Eine gesetzliche Pflicht, die Beobachtung einer Partei oder seiner Mitglieder öffentlich zu machen, besteht nicht“, sagte er.

     

    Das ist aber vom Interesse für die Öffentlichkeit!

     

    Leider hat die Klägerin im Falle des NPD Verbotsantrages die Gewichtung bei den Schwerpunkten etwas verfehlt; die erfolgversprechendsten Punkte nicht hinreichend gut ausgeführt, argumentiert und belegt; und zudem an der subjektiv wahrnehmbarer Überzeugungskraft hat es auch ziemlich gefehlt.

     

    Bei einem in der Zukunft möglichen AfD Verbotsantrag müssen wir unsere Hausaufgaben besser machen!

    • @Stefan Mustermann:

      "Das ist aber vom Interesse für die Öffentlichkeit!"

       

      Der VS ist keine Polizei, sondern ein Geheimdienst, da gelten andere Regeln. Wenn gegen Sie Ermittlungen laufen, können Sie zur zuständigen Polizeistelle gehen (oder Staatsanwaltschaft) und - evtl. über einen Anwalt - Akteneinsicht verlangen. Beim VS können Sie das nicht, das müßte erst vom zuständigen Innenministerium genehmigt werden. Interesse der Öffentlichkeit steht hinter der Geheimhaltung zurück.

  • Nach meinen Erkenntnissen wird der jetzige AfD- MdB und vormalige bayerische AfD-Vorsitzende Bystron vom VS beobachtet.

    • @esgehtauchanders:

      Update: Beobachtung wg. IB-Nähe Bystrons wurde nach der Wahl in den Bundestag eingestellt.

       

      "Für die Beobachtung von Abgeordneten gelten deutlich höhere Hürden", 2013 wurden in einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 'Voraussetzungen und Grenzen' konkretisiert."

      //http://www.sueddeutsche.de/bayern/politik-in-bayern-verfassungsschutz-beobachtet-afd-politiker-bystron-nicht-mehr-1.3753561

       

      Immerhin hat die IB jetzt einen MdB.

      Statt V-Mann-Knete für die Szene, jetzt also Diäten für Sellners "der große Austausch"-Ethnopluralismus-Nazis?

  • Wer ein Gedächtnis über den Tag hinaus bewahrt hat, den wird die Beobachtung der Linkspartei bzw. deren Mandatsträger (btw, auch diese fas alle aus dem Osten) noch in Erinnerung sein. Und wenn Linke nun fordern, die AfD solle.... Ähm...

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fraktion-der-linken-verfassungsschutz-beobachtet-fast-nur-ostdeutsche-a-811080.html

    • @Frank Erlangen:

      Das alte "linksaußen-gleich-rechtsaußen"-Spielchen, gern von Konservativen ins Spiel gebracht, zieht nicht. Die Linke ist eine gestandene demokratische Kraft im Parteienspektrum, die sowas wie linkssozialdemokratische Positionen von Teilen der SPD der 1970er vertritt und als Koalitionspartner in Berlin, B'burg oder Mecklenburg-V. auch schon mal handzahm die neoliberale SPD-Politik mitträgt oder mitgetragen hat.

       

      Die AfD beweist fast täglich, dass sie mit elementaren Grundrechten des GG (Art. 1 (Menschenwürde), 3 (Gleichheit vor dem Gesetz) oder 5 (Pressefreiheit) auf dem Kriegsfuß steht.

  • Für mich persönlich keine Frage, wenn diese Teile von ideologisch besetzten Menschen die Macht hätten, dann käme es im besten Fall erneut zu einer (destruktiven) Gesinnungsdiktatur mit speziellem Selbstbereicherungscharakter.

  • Diese „Einzelfälle“ erkennt man immer daran, dass sie gar nicht mehr abreißen wollen.

     

    Die AfD verfolgt natürlich nur allgemein anerkannte völkisch-nationale, rassistische, antimuslimische und faschistoide Zwecke und wo sie im „Einzelfall“ mal über's Ziel hinausschießt, begnügen sich ja alle regelmäßig mit irgendwelchen abenteuerlichen Dementis.

  • Es ist eher die Frage, wie viele V-Leute der Verfassungsschutz in der AfD hat und welche Äußerungen von den V-Leuten stammen. Es würde mich nicht wundern, wenn wir herausfinden, dass der Verfassungsschutz hinter einem Teil der Radikalisierung steht. Das passt sehr gut ins Konzept:

    a) Die AfD wird damit unwählbar - das stützt die Regierung

    b) Der Rechtsextremismus führt dazu, dass der Verfassungsschutz mehr Mittel zur Beobachtung erhält. Der Verfassungsschutz schafft sich seine Rechtfertigung in gleicher Weise wie ein Pyromane bei der Feuerwehr.

    c) Es gibt sicher auch einige im Verfassungsschutz, die dem Rechtsextremismus positiv gegenüber stehen.

     

    Die AfD mag schlimm sein - der Verfassungsschutz ist aber sicher eine größere Gefahr für unsere Demokratie.

    • @Velofisch:

      Dann lieber einen demokratischen Verfassungsschutz, bislang habe ich keinen Zweifel daran, dass es dieser Dienst ist, als die AfD.