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Verfassungsgericht zur Euro-RettungKarlsruhe fordert EU heraus

Die Verfassungsrichter halten den unbegrenzten Ankauf maroder Staatsanleihen durch die EZB für rechtswidrig. Vor einem Urteil fragen sie aber den EuGH.

Das Bundesverfassungsgericht kritisiert eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung der EZB. Bild: kallejipp / photocase.com

KARLSRUHE taz | Das Bundesverfassungsgericht stellt die Euro-Rettungspolitik in Frage. Das Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) sei wohl eine „offensichtliche und bedeutsame Kompetenzüberschreitung“ der Bank, heißt es in einem Beschluss, der am Freitag veröffentlicht wurde. Bevor Karlsruhe aber die deutsche Politik zu Gegenmaßnahmen verpflichtet, wird nun zunächst der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg um Stellungnahme gebeten. Das Bundesverfassungsgericht legt damit erstmals dem EuGH eine Rechtsfrage vor.

Die EZB hat im September 2012 ein Programm zum Ankauf von Staatsanleihen angekündigt. Die Zentralbank hat sich dabei bereit erklärt, Anleihen von Krisenstaaten zu kaufen, die sich zugleich einem Strukturanpassungsprogramm unterwerfen. Bisher wurde das Programm noch nicht gestartet, doch die bloße Ankündigung hatte gewirkt. Die Risikoaufschläge für hoch verschuldete Staaten wie Italien und Spanien sanken wieder. Diese können sich nun wieder zu tragbaren Konditionen auf dem Kapitalmarkt finanzieren.

Gegen diesen EZB-Beschluss liegen mehrere Verfassungsbeschwerden vor, unter anderem von Peter Gauweiler (CSU), den Linken-Abgeordneten im Bundestag und dem Verein „Mehr Demokratie“. Ursprünglich hatten die Kläger gegen den Rettungsschirm ESM geklagt, der den Schuldenstaaten mit billigen Krediten helfen sollte. Doch als das Verfassungsgericht den ESM-Vertrag im September 2012 schon im einstweiligen Rechtsschutz billigte, erweiterten die Kläger ihre Anträge auf das EZB-Ankaufprogramm.

Die Europäische Zentralbank ist nach den EU-Verträgen eigentlich nur für Geldpolitik zuständig, das heißt die Wahrung der Preisstabilität. Darauf beruft sich die EZB auch beim Ankaufprogramm. Solange die Finanzmärkte von einzelnen Euro-Staaten hohe Zinszuschläge verlangten, könne die EZB mit ihren Zinssignalen keine Wirkung erzielen. Sie müsse daher notwendig zuerst die Märkte beruhigen und Vertrauen in die Zukunft des Euro schaffen. Die Kläger halten das für vorgeschoben. Der EZB gehe es vor allem um die Rettung des Euro, wofür sie aber nicht zuständig sei.

Vorläufige Rechtsansicht

Nach der mündlichen Verhandlung im Juni 2013 rangen die Verfassungsrichter lange um das weitere Vorgehen. Jetzt haben sie eine vorläufige Rechtsansicht veröffentlicht und sich dabei im Kern der Auffassung der Kläger angeschlossen.

Die Richter gehen derzeit davon aus, dass das Ankaufprogramm der EZB „als eigenständige wirtschaftspoltische Maßnahme“ zu verstehen ist, die „offensichtlich“ die Kompetenzverteilung der EU-Verträge verletzt. Zweitens verstoße das EZB-Programm gegen das Verbot, die Haushalte der EU-Staaten durch Kredite der EZB zu finanzieren (Art. 123 AEUV). Und schließlich drohe im Extremfall (zur Abwendung von Staatsbankrotten großer EU-Staaten) eine „erhebliche Umverteilung“ zwischen den EU-Staaten, die einem vertraglich nicht vorgesehenen Finanzausgleich nahe käme.

Da es hier um die Auslegung von EU-Recht geht, hat Karlsruhe den Fall dem EuGH in Luxemburg vorgelegt. Er soll nun prüfen, ob das EZB-Programm gegen die EU-Verträge verstößt. Wenn der EuGH das EZB-Programm uneingeschränkt billigt und Karlsruhe damit nicht überzeugt, müsste Karlsruhe auch das EuGH-Urteil als Kompetenzüberschreitung werten. Bundestag und Bundesregierung würden dann aufgefordert, (nicht näher bezeichnete) Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Darauf hätten die Kläger dann sogar einen Anspruch, so die Richter.

Der EuGH könnte aber auch das EZB-Programm einschränkend so auslegen, dass es nach Karlsruher Ansicht mit den EU-Verträgen vereinbar wäre. Die EZB dürfte dann zum Beispiel Anleihen „nicht in unbegrenzter Höhe“ ankaufen. Eingriffe in die Preisbildung der Märkte müssten verhindert werden. Dem Programm würde damit aber wohl die jetzige Wirksamkeit genommen.

Als dritte Möglichkeit bringt Karlsruhe auch noch eine Änderung der EU-Verträge ins Spiel. Wenn die Mitgliedstaaten unbedingt das EZB-Programm verwirklichen wollen, müssten sie der Zentralbank die entsprechenden Kompetenzen geben. Die Richter lassen aber offen, ob dieser Weg nicht gegen die unabänderlichen Inhalte des Grundgesetzes verstößt.

Eineinhalb Jahre bis zur Entscheidung

Bis zu einer Entscheidung des EuGH über das EZB-Programm dauert es üblicherweise rund eineinhalb Jahre. Wählt der EuGH ein Eilverfahren, ist eine Entscheidung über die Karlsruher Vorlage schon in wenigen Monaten möglich.

Zu den jetzt abgetrennten Klagen gegen den Rettungsschirm ESM will Karlsruhe bereits am 18. März sein Urteil verkünden. Nach der Eilentscheidung vom September 2012 ist damit zu rechnen, dass der Rettungsschirm auch im Hauptsache-Verfahren gebilligt wird.

Der jetzt verkündete Karlsruher Beschluss war im Gericht hoch umstritten und wird nur von sechs der acht Richter getragen. Umstritten ist, ob die Klagen gegen das EZB-Programm überhaupt zulässig sind. Die Mehrheit inklusive Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bejaht dies. Jeder Bürger könne sich mit der Verfassungsbeschwerde dagegen wehren, dass sich EU-Organe Kompetenzen anmaßen, die ihnen nicht übertragen wurden. Dieses Recht ergebe sich aus dem Wahlrecht zum Bundestag, das sonst entwertet würde.

Dagegen halten die beiden Richter Michael Gerhardt und Gertrude Lübbe-Wolff die Klagen gegen das EZB-Programm schon im Ansatz für unzulässig. Das Bundesverfassunggericht hätte sich also gar nicht mit ihnen befassen dürfen. „In dem Bemühen, die Herrschaft des Rechts zu sichern, kann ein Gericht die Grenzen richterlicher Kompetenz überschreiten. Das ist meiner Meinung nach hier geschehen“, schrieb Lübbe-Wolff in einem Sondervotum. Es könne nicht sein, dass einzelne Bürger mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts die Europapolitik des Bundestags steuern, erklärte Gerhardt. (Az.: 2 BvR 2728/13)

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7 Kommentare

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  • T
    Tommy

    Das BVG hat sich gerade selbst demoniert und de facto abgeschafft.

    • B
      BVerfG
      @Tommy:

      BVG = Berliner Verkehrsbetriebe

      (Haben sich auch selbst demontiert)

       

      BVerfG = Bundes Verfassungsgericht

      (Wird von denjenigen nach und nach demontiert die es besetzen)

      • T
        Tommy
        @BVerfG:

        Bei ihnen hat sicher der AW (Abkürzungswahn) zu geschlagen, ich meinte meine Aussage vom Inhalt: wenn unser höchstes Verfassungsorgan nicht mehr die courage hat, in solchen wichtigen Fragen zu entscheiden, ob etwas unserem GG widerspricht oder nicht, dann brauchen wir es nicht. Für Kleinkram kann brauchen kein BVG.

  • P2
    Posse 2.0

    Die Geschichte der Moderne ist

    eine Geschichte von Einzelnen,

    die die Welt verändert haben!!

     

    Hordentrieb war in der Steinzeit en vogue.

  • P
    Posse2.0

    „In dem Bemühen, die Herrschaft des Rechts zu sichern, kann ein Gericht die Grenzen richterlicher Kompetenz überschreiten. Das ist meiner Meinung nach hier geschehen“, schrieb Lübbe-Wolff in einem Sondervotum. Es könne nicht sein, dass einzelne Bürger mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts die Europapolitik des Bundestags steuern, erklärte Gerhardt. (Az.: 2 BvR 2728/13)..."

     

    Die Gewaltenteilung existiert nicht umsonst!!!

    Damit soll verhindert werden, dass eine Wahlperiode ausreicht, um ein Land komplett zu ruinieren und sich ihrer Devisen und Rechtsstaatlichkeit und Souverantität zu berauben!!

    Deshalb soll die Legislative, Judikative, Exekutive und die Medien über den Staat wachen!

    Die Grenzen richterlicher Kompetenz sind natürlich nicht überschritten, wenn es um den Erhalt der Bürgerrechte und die

    Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Institutionen geht!!!

    Wie konnte man nur solche Leute ins Bundesverfassungsgericht berufen???

    Die Kritik ist ja bestenfalls FDP-Stammtischniveau!

    Ob der Umstand in Jura gute Noten zu bekommen, wirklich auf gute RichterInnen hinsteuert, bezweifele ich bei diesen Ansichten. Noch nicht einmal Argumente wurden geliefert, nur Befindlichkeiten und Gefühle.

    Der Verantwortung und der Würde

    dieses Amtes sind sind sich die beiden offenbar nicht bewußt.

    Sie sehen ihre Präsenz wohl als Durchgangsstation für den EuGH.

  • L
    lowandorder

    besser ist das -

     

    Karlsruhe will sich schließlich nicht

    nochmals nachsagen lassen müssen,

    es habe im falschen Wald Holz gehackt.

     

    wir dürfen gespannt sein

  • H
    Hans

    Ich bin ein großer Fan des Rechtsstaat und des BVerfG, doch finde neben der Unterwanderung des BVerfG durch Ex-Politiker es zunehmend problematisch, dass das BVerfG Gesetze für rechtswidrig erklärt, aber genaue Anleitung liefert, wie man es doch noch halbwegs hinbiegen könnte.

     

    Zudem ist es eine Farce, dass Bürger, bevor sie Recht bekommen, teilweise über Jahre prozessieren müssen, was viel Geld und Zeit kostet und erst nach Jahren zu ihrem recht kommen, was sie hätten schneller haben können...

     

    Die ganze EZB-Rettungsschirm-Geschichte ist doch gelaufen, bis ein Urteil vom EUGH/BVerfG endgültig ergeht und die Politik dies umgesetzt hat. Jetzt schon sind Milliarden von Euro bei den Gläubigern der verschuldeten Ländern (wie z.B. Deutsche Bank) verschwunden. Wäre mal interessant gewesen zu sehen, wenn man diese Länder in die geordnete Insolvenz hätte gehen lassen und die Gläubiger auf ihren Spekulationen hätte sitzen lassen. Ob da am Ende nicht weniger Gesamtwirtschaftlicher Schaden an den Euroländern entstanden wäre? Zumindest wären viele Reiche Aktionäre der Gläibiger ärmer geworden.