Euro-Rettungsschirm: Karlsruhe lehnt ESM-Klagen ab
Das Bundesverfassungsgericht billigt einen dauerhaften ESM. Klagen der Linken, des CSU-Vorsitzenden Gauweiler und anderer werden endgültig abgewiesen.
KARLSRUHE afp | Die Bundesregierung kann sich am Euro-Rettungsfonds ESM weiter wie bisher in vollem Umfang beteiligen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte mehrere Klagen gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm in einem am Dienstag verkündeten Urteil endgültig ab. Trotz der Verpflichtungen, den ESM notfalls mit bis zu 190 Milliarden Euro zu bedienen, „bleibt die Haushaltsautonomie des Bundestags hinreichend gewahrt“, begründete Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle die Entscheidung.
Der Bundesregierung gab das Gericht allerdings auf, künftig in Prognosen für das jeweils kommende Haushaltsjahr abzuschätzen, ob der ESM über die bereits geleisteten Einzahlungen von 22 Milliarden Euro hinaus mit weiterem Kapital bedient werden muss. Diese prognostizierten Risiken müssen dann regulär in den nächsten Haushalt eingestellt werden. Die Beträge grundsätzlich über Nachtragshaushalte oder gar das Nothaushaltsrecht freizumachen, wie von der Bundesregierung zunächst beabsichtigt, ist damit unzulässig.
Mit ihrem Urteil bestätigten die Richter ihre Entscheidung vom September 2012. Damals hatten sie entsprechende Eilanträge gegen den ESM nach summarischer Prüfung abgelehnt und so den Weg für die Ratifizierung des ESM-Vertrags freigemacht. Es waren aber noch Detailfragen offen geblieben, die nun entschieden wurden. Gegen den ESM geklagt hatten die Linksfraktion, der CSU-Vizevorsitzende Peter Gauweiler, mehrere Professoren sowie zahlreiche Bürger.
Mit seiner Entscheidung vom Dienstag stärkte das Gericht erneut das Budgetrecht der Parlamentarier und verwies darauf, dass „der Bundestag der Ort bleibt, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird, auch im Hinblick auf internationale und europäische Verbindlichkeiten“.
Anforderungen an die Bundesregierung
Die Bundesregierung muss laut Urteil zudem sicherstellen, dass angeforderte weitere Kapitalanteile fristgerecht und vollständig an den ESM eingezahlt werden, weil ansonsten das Stimmrecht der Bundesrepublik in den ESM-Gremien verloren ginge. Diese Gremien könnten dann auch für Deutschland bindende Beschlüsse – wie etwa Kapitalerhöhungen – fassen, die vom Bundestag nicht mehr überprüft werden könnten.
Voßkuhle zufolge verdeutlichte das Verfahren, dass die „politische und rechtliche Bewältigung der Staatsschuldenkrise“ nahezu alle deutschen und europäischen Institutionen gefordert habe. „Nach wie vor gilt es, einen nachhaltigen, realitätsnahen, demokratisch rückgebundenen und verfassungsrechtlich gangbaren Weg aus der Krise zu finden.“
Mit der Einrichtung des ESM hatten die europäischen Länder die Konsequenz aus der Euro-Schuldenkrise gezogen. Er soll Bollwerk der Eurozone im Kampf gegen die Krise sein. Der Fonds unter Leitung des Deutschen Klaus Regling kann wankenden Euro-Ländern etwa mit umfassenden Hilfsprogrammen, Finanzspritzen für Banken oder durch den Aufkauf von Staatsanleihen unter die Arme greifen. Die Euro-Länder stellen dem in Luxemburg angesiedelten ESM insgesamt 700 Milliarden Euro zur Verfügung.
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