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Verfassungsgericht zu Holocaust-AussagenLeugnen ist wie Billigen

Den Holocaust hat es nicht gegeben? Wer das behauptet, gefährdet den „öffentlichen Frieden“ und wird daher zu Recht bestraft, urteilt Karlsruhe.

Hier wurde Ursula Haverbeck der Prozess gemacht Foto: dpa

Das „Leugnen“ des Holocausts gefährdet in der Regel den „öffentlichen Frieden“ und wird daher zu Recht bestraft. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht im Fall der notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Dagegen muss bei einer „Verharmlosung“ des Holocaust die Eignung zur Friedensgefährdung von den Gerichten ausdrücklich festgestellt werden.

Die 89-jährige Haverbeck hatte in einer Reihe von Publikationen behauptet, das Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau sei ein reines Arbeitslager der Rüstungsindustrie gewesen. Dort seien keine Juden vergast worden. In der historischen Forschung gilt dagegen als gesichert, dass in Auschwitz-Birkenau rund 900.000 Menschen in Gaskammern ermordet wurden. Die einschlägig vorbestrafte Haverbeck wurde deshalb 2017 vom Landgericht Verden zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt.

Im zweiten Fall hatte der Betreiber von Netzradio Germania einen Beitrag gesendet, in dem es hieß: „Die historischen Wahrheiten werden verfolgt, als Revisionismus diskreditiert oder als Holocaust-Leugnung und Relativierung von Nazi-Verbrechen mit Kerker bestraft.“ Weil in diesem Kontext mehrfach von „Lügen“ die Rede war, wurde der Betreiber vom Landgericht Paderborn 2015 wegen „Verharmlosung“ des Holocaust zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro (100 Tagessätze) verurteilt.

Die Verfassungsrichter betonten, die Verbreitung offensichtlich falscher Tatsachen sei nicht von der Meinungsfreiheit geschützt, da Lügen zum gesellschaftlichen Diskurs nichts Sinnvolles beitragen können. Soweit Holocaust-Leugner ihre Behauptungen mit Argumenten unterlegen, gelte zwar die Meinungsfreiheit. Verbote seien dann aber auf gesetzlicher Grundlage möglich. Ausnahmsweise seien auch Gesetze gegen bestimmte Meinungen zulässig, wenn es um NS-Verbrechen gehe. Das hatte das Bundesverfassungsgericht schon in seinem Wunsiedel-Beschluss von 2009 entschieden. Die Aussagen zur „Billigung“ von NS-Verbrechen wurden nun auf die „Leugnung“ des Holocaust übertragen.

„Friedlichkeit“ muss geschützt sein

Die Richter betonten aber, dass mit Blick auf den hohen Wert der Meinungsfreiheit NS-Aussagen nicht per se bestraft werden können. Erst wenn der „öffentliche Friede“ gefährdet sei, kämen Verbote in Betracht. Eine „Vergiftung des geistigen Klimas“ genüge dabei nicht. Im freiheitlichen Staat müsse man mit „beunruhigenden“ und „provokanten“ Meinungen leben, selbst wenn sie auf eine „Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet“ sind. Geschützt sei aber die „Friedlichkeit“ der öffentlichen Auseinandersetzung. Diese sei gefährdet, wenn Meinungsäußerungen auf reale Handlungen von anderen abzielen, etwa „in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen“ oder wenn sie „durch Herabsetzung von Hemmschwellen“ den Frieden unmittelbar gefährden können.

Wie bei der „Billigung“ von NS-Verbrechen, sei bei der „Leugnung“ des Holocaust die Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens „indiziert“. Sie müsse von den Gerichten deshalb im Einzelfall nicht mehr geprüft werden, so die Verfassungsrichter. Denn die „Leugnung“ des Holocausts könne in Deutschland „nur so verstanden werden“, dass er damit zugleich „legitimiert und gebilligt“ werde. Die Leugnung sei auch geeignet, Gleichgesinnte zu „Aggressionen“ gegen Holocaust-Opfer zu veranlassen, da diese die „Urheber“ der angeblichen Geschichts-Verzerrung seien.

Dagegen müsse bei einer „Verharmlosung“ des Holocaust im konkreten Einzelfall die Eignung zur Friedensgefährdung gerichtlich festgestellt werden. Dieser Anforderung wurde das Landgericht Paderborn nicht gerecht, weshalb das Urteil gegen den Webradio-Betreiber aufgehoben wurde. Künftig werden Gerichte entsprechende Textbausteine, etwa zur „Herabsetzung von Hemmschwellen“, in ihre Urteile einbauen.

AZ.: 1 BvR 673/18 und 1 BvR 2083/15

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29 Kommentare

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  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Wer Millionen ermordeter Männer, Frauen und Kinder hinterher ruft, dass sie nicht ermordet wurden, legalisiert nicht nur Mord, sondern spuckt auch noch postum auf die Mordopfer. 3000 € Geldbuße ist daher viel zu wenig, eine Verurteilung zu 10 Jahre Sozialdienst in der Gerichtsmedizin hingegen ausgesprochen hilfreich.

  • "In der historischen Forschung gilt dagegen als gesichert, dass in Auschwitz-Birkenau rund 900.000 Menschen in Gaskammern ermordet wurden."

    Ich finde es völlig unerheblich, was die Nazi-Oma Haverbeck über Auschwitz sagt oder nicht. Fakt ist, dass der Holocaust nicht nur in Auschwitz stattgefunden hat und es jede Menge Fotodokumente und Aussagen und Berichte von Zeitzeugen gibt. Fakt ist auch, dass der "Endlösung" die gesellschaftliche Entrechtung und Verfolgung vorausging. Wird diese von Haverbeck & Co. auch geleugnet? Selbst wenn Auschwitz "nur" ein Arbeitslager gewesen wäre, heißt sie es gut, dass Juden nach Auschwitz deportiert wurden, um angeblich zu arbeiten? Welche Art von Arbeit haben die nach Auschwitz deportierten Greise und Kleinkinder dort gemacht? Hat man sie das mal gefragt? Darüber weiß man gar nichts. Insofern ist es für mich weiterhin unerträglich, dass man nur das Leugnen des Holocaust als strafbare Handlung ansieht und all das Unrecht, das der Endlösung ab 1933 vorausging, ausblendet.

  • „Das „Leugnen“ des Holocausts gefährdet in der Regel den „öffentlichen Frieden“ und wird daher zu Recht bestraft. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht im Fall der notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Dagegen muss bei einer „Verharmlosung“ des Holocaust die Eignung zur Friedensgefährdung von den Gerichten ausdrücklich festgestellt werden.“

    Inwiefern nur die Gefährdung des öffentlichen Friedens (was auch immer damit gemeint ist) das Leugnen des Holocausts zu einer strafbaren Handlung macht, kann ich nicht nachvollziehen. Doch auch das Leugnen an sich sehe ich nicht als strafbare Handlung, sondern als Ausdruck von Unbelehrbarkeit wider jeglicher Vernunft oder möglicherweise auch als Ausdruck, dass dem Holocaust-Leugner die Verbrechen des NS-Regimes im wahrsten Sinne des Wortes unglaublich vorkommen. Ich bin jedoch der Ansicht, dass unmittelbare Holocaust-Opfer (sofern sie den Holocaust überlebt haben und noch leben) sowie deren Hinterbliebene/Nachfahren gegen Holocaust-Leugner strafrechtlich vorgehen sollten, da sie die Umstände und das Leid, unter denen ihre Familienangehörige ums Leben gekommen sind, in Abrede stellen und und die ermordeten Familienangehörige verunglimpfen. Es würde mich interessieren, ob es zivilrechtliche Klagen von Holocaust-Opfern oder deren Hinterbliebenen gegen solche Leute gibt.

    • @Nicky Arnstein:

      Die Leugnung der Shoa wäre kein Problem, wenn es außer diesen Leuten nur noch vernünftige und friedliche Menschen gäbe, die souverän damit umgehen können. Aber die Leugner ziehen durchaus gefährliche und oft sehr sehr dumme Menschen auf ihre Seite, die dann wiederum sehr gefährlich für den Frieden werden. Und dann ist das Kind in den Brunnen gefallen. Die Rechtssprechung hat sich seinerzeit durchaus schwer getan mit dem Straftatbestand der Holocaustleugnung, sich aber dann entschlossen, dieses indirekte, aber reale Risiko nicht einzugehen.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Karl Kraus:

        Ja, sie ziehen gefährliche und dumme Menschen auf ihre Seite. Das bedeutet, dass Sie - wie ich auch - ein bestimmtes Potenzial sehen. Für mich ergjbt sich daraus die Frage, ob man dieses Potenzial nicht erhöht, wenn man diesen Holocaust-Leugnern durch Gerichtsurteile Öffentlichkeit gleichsam gratis gewährt.

        Ich bin zudem der Auffassung, dass Gedanken nun mal frei sind und kein Gericht der Welt irgendwelche Typen daran hindern kann, aus welchen Gründen auch immer zu glauben, die Deutschen hätten dieses unglaubliche Verbrechen nicht begangen. Insofern bin ich grundsätzlich dagegen, von gesetzeswegen gegen "Meinungen" oder Behauptungen vorzugehen.

        • @849 (Profil gelöscht):

          "Für mich ergibt sich daraus die Frage, ob man dieses Potenzial nicht erhöht, wenn man diesen Holocaust-Leugnern durch Gerichtsurteile Öffentlichkeit gleichsam gratis gewährt."

          Das sehe ich nicht so. Denn die Gerichtsurteile machen deutlich, dass die Leugner Unwahrheiten behaupten. Wenn es nach mir gehen würde, ich würde die Holocaustleugner verpflichten, sich die zahlreichen Foto- und Filmdokumente von den Leichenbergen und den Selektionen und Deportationen anzuschauen - tagelang und stundenlang.

          "Insofern bin ich grundsätzlich dagegen, von gesetzeswegen gegen "Meinungen" oder Behauptungen vorzugehen."

          Es kommt darauf an, was man mit seiner persönlichen Meinung oder Behauptung anrichtet. Wenn Sie ein Holocaust-Überlebender wären, der die Leichen aus den Gaskammern von Auschwitz in die Öfen transportieren musste, und Ihnen so eine Nazi-Oma ins Gesicht sagen würde, Sie hätten sich das alles nur eingebildet und in Auschwitz seinen keine Juden vergast worden, was würden Sie tun?

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @Nicky Arnstein:

            Das mit dem tagelangen Anschauen von Filmdokumenten finde ich gut. Vielleicht auch eine Woche Auschwitz. Aber wer's nicht glauben will, der wird's nicht glauben und nach Ausreden suchen - und sie finden.

            Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn ich ein Holocaust-Überlebender wäre. Aber ich vertrete grundsätzlich die Ansicht, dass Gefühle oder die Sensitivität den Gefühlen anderer gegenüber keine Maxime der Gesetzgebung sein sollte. Genau aus dem Grund denke ich, dass das Verbot, seine wie auch immer verquere Meinung zu diesem Thema zu sagen leicht auch dazu führen kann, dass man auch andere Meinungen einzuschränkt, die einem nicht behagen.

            Was die Holocaust-Leugner betrifft: heute finden diese im Internet leicht Gleich"gesinnte". Die interessieren sich ohnehin nicht für Leute, die keine Fragezeichen an den Holocaust machen. Was die an der Nazi-Oma einzig interessieren dürfte: dass der deutsche Staat sie wegen ihrer "Meinung" einsperrt - und damit haben sie eine Märtyrerin, der sie anderen Leugnern als solche anbieten können.

            Diese Typen sollte man in der öffentlichen Meinung einfach ignorieren.

          • @Nicky Arnstein:

            seinen = SEIEN

      • @Karl Kraus:

        Empfinde ich als völlig richtig und gehe gern in der Sache bzw mit Ihrer Erläuterung mit.



        Ich wünschte mir (jedoch), dass sich das BVerfG nun (endlich) einmal viel stärker mit der Verteilung des Wohlstandes beschäftigen würde.

  • "Dieser Vorsatz ist nicht in jedem Fall gegeben."

    Angesichts der Tatsache, dass die Wahrheit nahezu ununterbrochen auf vielfältige Art verbreitet wird, ist es sehr naiv, nicht von einem Vorsatz auszugehen. Besonders wenn man sich die sonstigen Äußerungen von Holocaustleugnern so ansieht. Es geht immer um die Rehabilitierung des 3. Reiches. Also um eine politische Absicht. Da ist nichts aus versehen.

    "Ja aber davon bin ich ja als Einzelperson betroffen und nehme direkten Schaden."

    Durch den Holocaust starb keine graue Masse. Es handelt sich um 6.000.000 Einzelschicksale. Statt einer Person, 6.000.000 zu beleidigen, schützt doch nicht vor Strafe.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Angesichts der Tatsache, dass die Wahrheit nahezu ununterbrochen auf vielfältige Art verbreitet wird, ist es sehr naiv, nicht von einem Vorsatz auszugehen"

      Was glauben Sie denn warum sich rechte Verschwörungstheoretiker so viel Mühe geben "Dokumentationen" und ähnliches zu produzieren? Weil es Menschen gibt die das wirklich glauben. Schauen Sie sich mal die "Truther"-Szene an, dass mag man kaum glauben welche Auffassungen dort ernsthaft vertreten werden.

      "Es geht immer um die Rehabilitierung des 3. Reiches. Also um eine politische Absicht. Da ist nichts aus versehen."

      Das ist Ihre politische Überzeugung, als Antifaschist. Ihnen käme es gelegen, wenn es so einfach wäre aber das ist es nicht. Viele Verschwörungstheoretiker glauben an ihre Krude Ideen, weil es ihnen ein Gefühl der Überlegenheit und Kontrolle verleiht. Die Gründe sind in dem Fall psychischer und nicht politischer Natur.

      "Es handelt sich um 6.000.000 Einzelschicksale. Statt einer Person, 6.000.000 zu beleidigen, schützt doch nicht vor Strafe."

      Ja das ist richtig und wenn Sie sich einen davon herausgreifen und den beleidigen (insofern er noch lebt) dann kann der Sie auch anzeigen. Aber eine Gruppe verfügt schlichtweg nicht über die Rechte, die ein Individuum hat. Nur deshalb kann man mit ACAB Aufnähern durch die Gegend rennen ohne angezeigt zu werden.

      • @Januß:

        " (insofern er noch lebt)"

        Geht's noch? Wir reden vom Holocaust.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Okay da habe ich nicht richtig hingeschaut. Ich hatte auch an die Menschen gedacht, die es überlebt haben, nicht nur an die Toten. Peinlich,...

  • Wau, 3000 € für Verharmlosung des Holokausts (man sollte das Wort endlich eindeutschen). Das sind ja 500(!)€ mehr als für Verglimpfung des Hambacher Festwimpels. Da sind ja die Wertmassstäbe wieder kalibiriert.

  • Ich finde es falsch die Meinungsfreiheit auf irgend eine Art und Weise einzuschränken. Der Knackpunkt daran ist für mich das auch ein Holocaustleugner durchaus an das glauben kann was er sagt, auch wenn es faktisch falsch ist. In solch einem Fall werden dann Menschen dafür bestraft das sie ihre Gedanken zum Ausdruck bringen und das halte ich für nicht akzeptabel.

    Die Fälle die hochkochen zeigen doch das eine öffentliche Debatte über solche Themen nicht zu einer Popularität dieser Ideen führt. Durch ein Verbot verhindert man derartige Auseinandersetzungen und drängt sie aus der Öffentlichkeit hinaus ins Private. Dort können derartige Ideen dann in bestimmten Kreisen widerspruchslos gedeihen.

    • @Januß:

      Es geht um Vorsatz, nicht um Geschwätz. Das ist ja auch das Besondere an dieser Nazitante: Sie macht es bewusst, wider besseres Wissen und mit der weitergehenden Absicht, ihre Lügen gesellschaftsfähig zu machen. Gelänge das jemandem, hätte das möglicher weise derart gravierende Folgen, dass man dem einen Riegel vorschieben muss. Wie gesagt: Der Vorsatz macht den Schwachsinn zum Problem.

    • @Januß:

      Die Leugnung der Holocaust ist doch kein Selbstzweck. Sie dient der Rehabilitierung des verbrecherischsten Regimes der Geschichte. Mit der Absicht den Weg für seine Wiedererrichtung zu bahnen. Da kann man nicht einfach sagen: "Ist halt seine Meinung." Eine bewusste Lüge ist auch nicht einfach eine Meinung. Wenn jemand Lügen über Sie verbreitet, können Sie das auch gerichtlich unterbinden.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Die Leugnung der Holocaust ist doch kein Selbstzweck. Sie dient der Rehabilitierung des verbrecherischsten Regimes der Geschichte."

        Dieser Vorsatz ist nicht in jedem Fall gegeben. Wenn einem z.B. die Eltern solche Märchen einflößen dann kann man durchaus auch daran glauben. Man sollte nicht immer gleich Boshaftigkeit vermuten, wo es dummheit auch tut.

        "Wenn jemand Lügen über Sie verbreitet, können Sie das auch gerichtlich unterbinden."

        Ja aber davon bin ich ja als Einzelperson betroffen und nehme direkten Schaden. Das Individuum ist im Gegensatz zu Gruppen vor derartigem geschützt. Zurecht, schließlich ist das Individuum die ultimative Minderheit.

        • @Januß:

          Deshalb muss ja auch jedes Mal ein Gericht abwägen, wie bescheuert die Person wirklich ist. Ein für eine Verurteilung ausreichend starker Vorsatz ist nicht unbedingt schon dann gegeben, dass jemand aktiv den Holocaust leugnet. Er muss andere davon zu überzeugen versuchen (das wurde in meiner Antwort oben nicht ganz deutlich).

          • @Karl Kraus:

            Das kann ich nachvollziehen (ihren weiter unten stehenden Beitrag mit einbeziehend). Aber das ist ja grade mein Problem mit Gesetzen, die eine bestimmte(, öffentliche) Meinungsäußerung kriminalisieren. Wenn jemand sich einer bestimmten politischen Bewegung zuordnet gehen damit meist eine ganze Reihe Annahmen einher, die man quasi übernehmen muss um dazu zu gehören. Das gilt für jedes politische Lager.

            Nehmen wir mal dem Klimawandel als Beispiel. Ich glaube daran das es den Klimawandel gibt. Gleichzeitig bin ich nicht in der Lage die Forschungsergebnisse in diesem Forschungsbereich zu validieren, ich habe davon keine nennenswerte Ahnung. Jemand der sich den Republikanern zuordnet würde den Klimawandel wahrscheinlch eher leugnen und wüsste über die Sache selbst inetwa genauso viel wie ich (quasi nichts).



            Er glaubt nur an andere Autoritäten. Ich glaube zwar dennoch das ich Recht habe, aber man sollte auch der Gegenseite abkaufen das sie an ihre Positionen wirklich glaubt und nicht nur herumtaktiert. Anderenfalls wäre jede politsche Diskussion sinnlos.

        • @Januß:

          "Dieser Vorsatz ist nicht in jedem Fall gegeben."

          Angesichts der Tatsache, dass die Wahrheit nahezu ununterbrochen auf vielfältige Art verbreitet wird, ist es sehr naiv, nicht von einem Vorsatz auszugehen. Besonders wenn man sich die sonstigen Äußerungen von Holocaustleugnern so ansieht. Es geht immer um die Rehabilitierung des 3. Reiches. Also um eine politische Absicht. Da ist nichts aus versehen.

          "Ja aber davon bin ich ja als Einzelperson betroffen und nehme direkten Schaden."

          Durch den Holocaust starb keine graue Masse. Es handelt sich um 6.000.000 Einzelschicksale. Statt einer Person, 6.000.000 zu beleidigen, schützt doch nicht vor Strafe.

    • @Januß:

      Janus, da kann ich Ihnen nur Recht geben. Auch wenn es schwer fällt, Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut.

    • @Januß:

      Interessante Überlegung, überzeugt mich aber nicht. Niemand verbietet ja diesen Leuten ihre Gedanken zu denken oder diese mit anderen im privaten Rahmen auszutauschen. Das heißt es gibt keine Bestrafung per se, wenn man seine Gedanken zum Ausdruck bringt.



      Öffentlich den Holocaust zu leugnen ist aber eben nicht NUR eine Meinungsäußerung, sondern auch ein Angriff (Missachtung, Beleidigung, Schmähung) auf alle, die z.B. im Holocaust Familienmitglieder verloren haben. (Unbeschadet der weiteren Argumente "Herabsetzung von Hemmschwellen" etc., welche das BVerfG zu recht aufgreift). Daher muss also in diesen Fällen die freie Meinungsäußerung zurückstehen.



      Was halten Sie von dieser Sichtweise?

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Arno Birner:

        Wenn meine Großeltern von den Nazis umgebracht worden wären und jemand würde behaupten, das stimmte gar nicht, würde ich denken, dass diese jemand ein (armer) Irrer ist, aber mich bestimmt nicht missachtet, beleidigt oder geschmäht fühlen. Andere mögen diesbezüglich natürlich anders fühlen, aber das zeigt mir dann gerade, dass es problematisch ist, sich auf mutmaßliche Gefühle zu berufen, um "Meinngs"äußerungen zu beschneiden. Man könnte dieses Schema zudem ja auch auf andere Themen ausbreiten, die weniger schwerwiegend in Bezug auf unsere Nazi-Vergangenheit sind.

      • @Arno Birner:

        "Was halten Sie von dieser Sichtweise?"

        Ich kann Sie durchaus nachvollziehen. Ich kann auch verstehen, warum die Leugnung des Holocaust in Deutschland und involvierten Ländern illegal ist. Letztlich sind mir Prinzipien aber wichtiger.

        "Das heißt es gibt keine Bestrafung per se, wenn man seine Gedanken zum Ausdruck bringt."

        Das stimmt zwar aber eine Meinungsfreiheit die nur in einem bestimmten gesellschafltichen Rahmen oder von 09:00 bis 21:30 gilt ist keine echte Meinungsfreiheit.

        "... eben nicht NUR eine Meinungsäußerung, sondern auch ein Angriff (Missachtung, Beleidigung, Schmähung) auf alle, die z.B. im Holocaust Familienmitglieder verloren haben."

        Auch das trifft zu aber das trifft auch auf viele andere Meinungsäußerungen zu, die legal sind. Die Gefühle der Zuhörer sind nicht schützenswert. Gesellschaftlicher Fortschritt konnte und kann nur dann geschehen, wenn es legal ist auch verletzeende Dinge zu sagen. All die Rechte für Randgruppen, die einem hier bei der taz so wichtig sind konnten nur erreicht werden, weil Menschen das Recht hatten auch Dinge zu sagen die andere verletzen und aufregen.

        Sehen Sie sich mal einen Beitrag von Hengameh Yaghoobifarah an. Die sind i.d.R. beleidigend, rassistisch, sprachlich stark aber argumentativ schwach. Die Frau geht mir mit ihrem Luxus-Gejammer richtig übel auf den Sack. Dennoch will ich nicht das ihre verbalen Ausfälle kriminalisiert werden.

        • @Januß:

          Meinungsfreiheit, die nicht vor Missbrauch geschützt ist, ergibt ebenfalls keinen Sinn. In einer vollständig unbeschränkten Meinungsfreiheit entsteht aus ihr selbst die Möglichkeit der Entstehung einer Situation, in der sie abgeschafft wird. Um dieses Problem zu verhindern, gibt es ja auch Einschränkungen in Sachen Volksentscheide (die ich übrigens zu restriktiv finde, was das Prinzip der Beschränkung zur Verhütung von Schlimmerem aber nicht widerlegt), Vertragsfreiheit usw.

          • @Karl Kraus:

            Nun die Meinungsfreiheit ist ja bereits in vielen Punkten eingeschränkt. Man darf nicht zu kriminellen Handlungen gegen jemanden aufrufen, Lügen oder Unwahrheiten über eine Person verbreiten,... das sind alles sinnvolle Einschränkungen. Aber hier, wie auch an vielen anderen Stellen, ist der Quell meiner Sorge: Die Frage danach wer weitere, "sinnvolle" Einschränkungen festlegen soll. Bestimmte Dinge sollte man möglichst wenig regulieren, weil Regulatorien immer auch die Möglichkeit zum Missbrauch mit sich bringen.

            Sehen Sie sich mal die "Hassrede" Gesetze oder die letzte Änderung des Sexualstrafrechts an. Die werden mit Sicherheit bei der ersten Gelegenheit vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Es ist offenkundig das Zensur und Sippenhaft genauso wenig Verfassungskonform sind, wie eine breit angelegte und verdachtsunabhängige Überwachung der Bevölkerung. Diesen Menschen traue ich nicht weiter als ich Sigmar Gabriel werfen kann.