Verfassungsgericht zu Feiertagsschutz: Ein Heidenspaß
Tanzen als politischer Protest muss möglich sein. Es darf am Karfreitag nicht grundsätzlich verboten sein, urteilt das Bundesverfassungsgericht.
![Die nackten Beine eines Balletttänzers in kurzer, silberner Hose und roten Turnschuhen Die nackten Beine eines Balletttänzers in kurzer, silberner Hose und roten Turnschuhen](https://taz.de/picture/1635651/14/e228661034d21e4797fad0a8fc91214d_edited_56293963_118800d984.jpeg)
Geklagt hatte der Bund für Geistesfreiheit, eine bayerische Organisation mit knapp 5.000 Mitgliedern, die sich für die Trennung von Kirche und Staat einsetzt und Privilegien der Kirche kritisiert.
Zum Karfreitag 2007 luden die Freidenker unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“ ins Münchener Oberangertheater. In ihrer „Religionsfreien Zone München“ sollte es eine atheistische Filmnacht („Freigeister-Kino“), ein Pralinenbuffet und am Ende einen „Freigeister-Tanz“ mit der Rockband „Heilig“ geben. Wie erwartet verbot die Stadt die abschließende Tanzveranstaltung, weil sie gegen das bayerische Feiertagsgesetz verstoße.
Dieses Gesetz benennt neun Feiertage (vom Karfreitag bis zum Totensonntag) als „Stille Tage“, an denen nicht nur die Läden geschlossen bleiben, sondern auch Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen grundsätzlich verboten sind. Die Kommunen können zwar Ausnahmen zulassen – „nicht jedoch für den Karfreitag“, heißt es im bayerischen Gesetz. Das geht zu weit, entschied jetzt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Die Versammlungsfreiheit ist wichtiger
Zumindest für Veranstalter, die sich auf die Versammlungs- und Weltanschauungsfreiheit berufen, müsse es auch am Karfreitag möglich sein, Unterhaltungsveranstaltungen durchzuführen. Wer also aus politischen Gründen gegen das Tanzverbot am Karfreitag demonstrieren will, muss auch am Karfreitag demonstrativ tanzen dürfen. Die Heidenspaß-Party hätte deshalb nicht verboten werden dürfen – zumal sie als Veranstaltung im geschlossen Raum wenig Störung für andere verursacht hätte.
Die Verfassungsrichter nutzten den Fall zu einem Grundsatzurteil über den Feiertagsschutz im weltanschaulich neutralen Staat. So dürfe der Staat durchaus christliche Festtage als staatliche Feiertage ausweisen und auch als „Stille Tage“ definieren.
Der Staat dürfe mit den Feiertagen aber nur einen „Rahmen“ zur Verfügung stellen, den jeder Bürger selbst füllen kann, entweder zur Erholung oder zur religiösen Erbauung. Der christliche Teil der Bevölkerung habe dabei keinen Anspruch, an solchen Tagen nicht mit anderen Religionen oder Weltanschauungen konfrontiert zu werden. (Az. 1 BvR 458/10)
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