Verfassungsgericht lehnt Anträge ab: Vorratsspeicherung kann starten
Mehrere Eilanträge gegen die Vorratsdatenspeicherung sind gescheitert. Nur für SMS machen die Richter eine wichtige Einschränkung.
Berlin taz | Die umstrittene Vorratsdatenspeicherung kann wie geplant im Juli 2017 beginnen. Das Bundesverfassungericht lehnte jetzt zwei Eilanträge auf sofortige Aussetzung des Gesetzes ab.
Bei der Vorratsdatenspeicherung müssen die Telefon- und Internetverbindungsdaten der ganzen Bevölkerung anlasslos bei den Telekom-Firmen gespeichert werden. Dabei wird zehn Wochen lang festgehalten, wer wann wen angerufen hat und wer sich wann mit welcher IP-Adresse ins Internet eingewählt hat. Der Standort aller Mobiltelefone wird vier Wochen lang gespeichert. Inhalte dürfen dabei nicht erfasst werden.
Gegen dieses Gesetz, das die große Koalition im Bundestag im Oktober 2015 beschlossen hat, wurden in Karlsruhe zwei Eilanträge eingereicht. Einer kam vom FDP-Bundesverband und 19 weiteren liberalen Politikern. Der andere Antrag stammte von 22 Berliner Anwälten, Journalisten und Abgeordneten verschiedener Fraktionen.
Die Anträge hatten keinen Erfolg, erklärte das Verfassungsgericht jetzt in zwei 13-seitigen Beschlüssen. Zwar könne die Vorratsdatenspeicherung einen „erheblichen Einschüchterungseffekt“ bewirken, weil das Gefühl entstehe, „ständig überwacht zu werden“. In einer Folgenabwägung sprach sich das Gericht dennoch gegen einen vorläufigen Stopp des Gesetzes aus, da die Daten nur noch zur Aufklärung und Verhütung schwerer Straftaten genutzt werden dürfen.
Nur bei SMS-Nachrichten machten die Richter eine wichtige Einschränkung. Die Kläger hatten bemängelt, dass hier Verbindungsdaten und Kommunikationsinhalte technisch gar nicht getrennt werden können. In diesem Fall, so die Vorgabe der Richter, dürften SMS eben gar nicht gespeichert werden.
Verhandlung in der Hauptsache kommt noch
Wann die Richter in der Hauptsache über die Vorratsdatenspeicherung entscheiden, steht noch nicht fest. Derzeit liegen in Karlsruhe sieben Verfassungsbeschwerden vor. Bis Dezember können noch weitere Klagen eingereicht werden. Das Gericht deutete in seinen Eilbeschlüssen aber nicht an, dass die Klagen Erfolg haben könnten.
Beim ersten Versuch des Bundestags, in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung einzuführen, hatte Karlsruhe 2008 eine einstweilige Anordnung erlassen. Danach durften die Daten zwar gespeichert, aber nicht genutzt werden.
Als das Gericht im Hauptsacheverfahren 2010 das Gesetz dann für verfassungswidrig erklärte, mussten alle Daten gelöscht werden. Karlsruhe hatte damals gefordert, dass die Daten besser zu sichern sind und dass sie nur zum Schutz „überragend wichtiger Rechtsgüter“ eingesetzt werden dürfen.
Es fehlte dann aber lange die politische Mehrheit für eine Neuauflage des Gesetzes. Insbesondere die seinerzeitige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) blockierte. Auch der aktuelle Justizminister Heiko Maas (SPD) war ein Gegner der Vorratsdatenspeicherung, folgte dann aber SPD-Chef Sigmar Gabriel, der sich für das Gesetz stark gemacht hat.
Übergangsfrist für Firmen
Derzeit findet noch keine Vorratsdatenspeicherung statt. Die Telekomfirmen bekamen noch eine Übergangsfrist bis zum 1. Juli 2017, um die erforderlichen gewaltigen Speicherkapazitäten zu schaffen.
Mit Spannung wird beobachtet, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit nationalen Gesetzen zur Vorratsdatenspeicherung umgeht. 2014 hatte er die entsprechende EU-Richtlinie für nichtig erklärt, weil sie unverhältnismäßig sei. Am kommenden Dienstag wird der Generalanwalt am EuGH seine Empfehlungen zur Vorratsdatenspeicherung in Schweden und Großbritannien vorstellen.
Az.: 1 BvQ 42/15