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Verfahren gegen Julian AssangeAssange drohen 175 Jahre Haft

Das Auslieferungsverfahren gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange beginnt. Unterstützer*innen sagen, die Vorwürfe seien politisch motiviert.

Vor dem Gericht in London fordern Plakate Freiheit für Julian Assange Foto: reuters/Hannah McKay

London taz | Mit gekreuzten Armen und manchmal über Dokumente gebückt saß Julian Assange am Montag im Strafgericht von Woolwich im Südosten Londons, wo am Morgen die Anhörung über den Auslieferungsantrag der USA begann. Assange trug ein schwarzes Jackett, er wirkte gepflegt mit frischem Haarschnitt und ohne Bart.

Zur gleichen Zeit schrien an die 50 Aktivist*innen sich die Kehlen heiß. „Free Julian Assange“, riefen sie im zeitweise strömenden Regen. Cathy war in ihrer gilet jaune aus der französischen Stadt Limoges angereist. Die 56-Jährige wollte nur ihren Vornamen nennen. Gekommen war auch der Abgeordnete Miguel Urban von der linken spanischen Partei Podemos.

Der Medienandrang war so groß, dass das Gericht einen Anbau eröffnete, wo der Fall von den meisten Journalist*innen, auch der taz, per Videoübertragung beobachtet werden konnte – vorausgesetzt, die Anwälte bemühten sich, ins Mikrofon zu sprechen, was sie nicht immer taten. Auch ein Einspruch Assanges vor der Mittagspause war nicht zu hören, was auf Twitter zu den Hashtags #Assangeblackout und #Pressblackout führte.

Julian Assange sitzt seit September in der Hochsicherheitsanstalt Belmarsh gleich neben dem Gericht, wo er eine 50-wöchige Freiheitsstrafe absitzt, weil er die Bewährungsauflagen durch seinen siebenjährigen Aufenthalt in der ecuadorianischen Botschaft in London gebrochen hatte. Die Vereinigten Staaten fordern Assanges Auslieferung aufgrund von 18 Anklagepunkten. Falls er in allen für schuldig befunden wird, droht ihm ein Strafmaß von 175 Jahren.

Dokumentiert wurden Gesetzesbrüche von US-Militärs

Der wichtigste Anklagepunkt ist der der Verschwörung, um sich Zugang zu den geheimen Datenbanken des US-Militärs zu verschaffen. Zuvor hatte die Whistleblowerin Chelsea Manning ihm Filme und Depeschen übergeben, die Gesetzesbrüche von US-Militärangehörigen im Irak dokumentierten. Assange veröffentlichte sie auf den Seiten von Wikileaks, insgesamt 250.000 diplomatische Korrespondenzen und 500.000 interne Berichte des US-Militärs.

Falls Assange in allen Punkten der Anklage schuldig befunden wird, muss er 175 Jahre in Haft

Assanges Ankläger James Lewis unterstrich dabei wiederholt, dass Assange Chelsea Manning zum Hacken der Computer und den Diebstahl von Daten ermunterte und dass Manning die von Wikileaks am meisten gesuchten Fakten lieferte. Schon die Beihilfe zu einer solchen Tat sei ausreichend. Viel wurde auch aus der Tatsache gemacht, dass Assange bei der Veröffentlichung keine oder nicht genügend Namen gelöscht habe, darunter auch jene von Informanten, Journalist*innen und Menschrechtsverfechter*innen, die danach gefährdet gewesen seien. Mehrere Gesetze schützten geheime Informationen des Staates.

Unter britischem Recht liege eine Straftat vor, wenn die geleakten militärischen Informationen einem Feind nützlich sein könnten. Einige rechtskundige Journalist*innen im Raum wiesen darauf hin, dass sich die Anklage auf ein Gesetz aus dem Jahr 1911 stützt, das im Gegensatz zum Gesetz von 1989 keine Rücksicht auf Whistleblower nimmt. Außerdem warf Lewis Assange schweren Diebstahl vor. „Ein Journalist kann keine geheime Akten publizieren, ohne sich strafbar zu machen“, sagte Lewis.

Assanges Verteidigung betonte, dass die Informationen Misshandlungen durch das US-Militär bloßgelegt habe. Der Fall sei politischer Natur. Dies betonte auch Assanges Vater John Shipton. Er zitierte vor der wartenden Presse den ehemaligen US-Verteidigungsminister Robert Gates, der als Zeuge vor dem Kongress ausgesagt habe, die Veröffentlichungen seien unangenehm und beschämend, aber es sei kein Schaden entstanden.

Assanges Vater will alle Instanzen ausschöpfen

Die über die Auslieferung urteilende Richterin muss nun feststellen, dass Assange von den USA Straftaten vorgeworfen werden, die auch in Großbritannien zu einem Strafprozess führen könnten. Auslieferungen in Länder, in denen die Todesstrafe verhängt werden kann, sind jedoch nicht erlaubt, es sei denn, sie werde von vornherein ausgeschlossen.

Nach der ersten Woche der Anhörung wird der Fall am 18. Mai fortgesetzt. Sollte die Richterin der Ausweisung zustimmen, hat Assange Recht auf Einspruch, welcher bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen könnte. Assanges Vater ging davon aus, dass die Richterin der Ausweisung zustimmt und dass es zur Revision kommen werde.

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12 Kommentare

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  • So und als nächstes ist Glen Greenwald (Pulitzer Preisträger) dran:



    Brazilian prosecutors appeal judge’s order, refuse to drop criminal charges against journalist Glenn Greenwald

    freedom.press/news...t-glenn-greenwald/

    Dann müssten die Guardian Journalisten die die Afghan Warlog files veröffentlicht haben, als nächstes drankommen.

  • rsf.org/en/news/uk...t-lack-us-evidence

    Verlauf der Argumentation der Staatsanwaltschaft wurde klar, dass die USA immer noch keine Beweise für ihre Behauptung haben, Assange habe Quellen einem „ernsthaften und unmittelbar bevorstehenden Risiko“ ausgesetzt, sondern die Anklage auf der Grundlage der Risiken verfolgt, die er wissentlich verursacht hat . An einem Punkt sagte die Staatsanwalt-schaft, die Veröffentlichung der Dokumente habe zum Verschwinden einiger Quellen geführt - jedoch ohne offensichtliche Beweise für diese Behauptung. Assange habe die Verteidigungs- und Geheimdienst-fähigkeiten der USA beschädigt und die Interessen der USA im Ausland verletzt.



    Die Verteidigung machte jedoch geltend, dass dieses Verfahren einen Prozessmissbrauch darstelle, da der Fall aus politischen Gründen verfolgt werde und die Tatsachen falsch darstelle. Sie stellten fest, dass Wikileaks monatelang mit einer Partnerschaft professioneller Medienorganisationen zusammengearbeitet hatte, um die Dokumente zu redigieren. Die Verteidigung erklärte, dass einer der Medienpartner während der Redaktion ein Buch veröffentlicht hatte, dass das Passwort für den nicht redigierten Datensatz enthielt, was zu dessen Zugriff und Veröffentlichung durch andere Parteien führte. In der Verteidigung wurde dargelegt, wie Assange versucht hatte, das Risiko für sensible Quellen zu verringern, indem das Weiße Haus und das Außen-ministerium darüber informiert wurden, dass eine Veröffentlichung außerhalb der Kontrolle von Wikileaks bevorsteht, und sie aufgefordert wurden, Maßnahmen zum Schutz der genannten Personen zu ergreifen.

  • Ich würde mir von der taz eine differenzierte Analyse der Vergewaltigungsvorwürfe und ihre Instrumentalisierung durch Assange (bzw. seine rechtlichen Vertreter) wünschen. In den übrigen Medien wird Assange als Opfer einer feminisischen Verschwörung dargestellt, als ob seine Vergewaltigungen irgend etwas mit seiner Whistleblowertätigkeit zu tun gehabt hätten. Assange ist für die Freiheit der Presse zweifelsohne eine wichtige Person, und es ist bewundernswert, wie sehr er und WikiLeaks sich darum verdient gemacht haben. Es ist aber auch schlichtweg übergriffig, wenn nicht sogar strafrechtlich relevant, ungeschützten Geschlechtsverkehr mit Frauen zu haben, die schlafen und daher nicht in die Sexualakte einwilligen konnten - und das, obwohl sie klar gemacht hatten, dass Sex für sie nur mit Kondom geht. Es muss ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Frauen sein, was sich gerade in den Medien tut und wie sehr ihre Fälle als Intrige und Teil einer systematischen Menschenrechtsverletzung dargestellt werden. Liebe taz, könnt ihr da nicht mal recherchieren und vielleicht mit den Betroffenen um ein Interview bitten?

    • @malone:

      Nur zur Information: Die betroffenen Frauen wollten beide nicht, dass der Vorfall in die Boulevardpresse bzw. an die Öffentlichkeit kommt - (dafür habe ich vollstes Verständnis, wer will schon sein Sexualleben von Fremden im Netz diskutiert haben) - hierzu gibt es sogar ein Video (ich hab es selbst gesehen). Warum respektieren Sie das nicht einfach mal?



      Die schwedische Strafverfogung hat dennoch die Boulevardpresse sofort (falsch) informiert, und sich einfach über den Willen der Frauen hinweggesetzt und das ist übergriffig.

      Es ging auch nicht um eine feministische Intrige. Bitte lesen Sie einmal die Fallaufbereitung von Nils Melzer, der als Folterauftragter der UN die Originaldokumente vorliegen hatte. Die Aussagen der Frauen wurden von der Polizei umgeschrieben -das Polizeiprotokoll war noch nicht einmal von den Betroffenen unterschrieben. An dem vorgelegten Beweismittel war keine DNA (weder von Assange noch sonst jemand.). Soll Assange nun einfach auf Basis einer Behauptung ohne Beweise verurteilt werden?

  • Hier gibt es eine ausführliche Augenzeugenberichterstattung zum Prozess, zusammen mit einer Einordnung des Geschehens in den Kontext.

    www.craigmurray.or...nge-hearing-day-1/

    Der Text ist frei verwendbar.

    Ich würde mir wünschen, dass die Taz etwas genauer über die Argumente von Anklage und Verteidigung und v.a. über das Setting dieses Gerichtsprozesses berichtet.

    Z.B. wird unter dem oben genannten Link berichtet:

    * mit welchen unsäglichen Strapazen es verbunden ist, um als öffentlicher Beobachter am Prozess teilnehmen zu können: Es entsteht deutlich der Eindruck, dass Öffentlichkeit - ein Kernbestandteil rechtstaatlicher Verfahren in GB - hier nicht gewünscht ist.

    * dass Assange ebenfalls Probleme hat, dem Prozessgeschehen zu folgen: weil er - absolut unüblich für derartige britische Gerichtsverfahren - statt bei seinen Anwälten hinter Panzerglas sitzt.

    * Dass der Staatsanwalt sich - in einem Bruch mit den Gepflogenheiten des Gerichts - in seinem Eröffnungsplädoyer als erstes und vom Gericht darin nicht behindert an die Medien (!) statt an das Gericht oder den Angeklagten richtet und den zugeschalteten Reportern erklärt, der Ausgang dieses Verfahren beträfe nicht die Pressefreiheit ... eine Aussage, die er ein paar Minuten, eine Zwischenfrage und eine peinliche Überraschungsfrage später wieder zurücknehmen muss.

    * Dass die Anwälte von Assange angekündigt haben zu belegen dass die Gespräche zwischen Ihenen und Ihrem Mandanten angehört wurden, somit ein rechtsstaatliches Verfahren nicht gegeben sei.

    usw. usw.

  • Egal ob man Assange mag oder nicht, Ihn für eine Held oder Verräter hält - eine Auslieferung an die USA, speziell unter der Trump Administration, kann auf keinen Fall in Frage kommen. Es ist offensichtlich, dass seine Verurteilung bereits feststeht und politisch motiviert ist. Ein faires Verfahren ist so unmöglich, folterähnliche lebenslange Haftbedingungen praktisch garantiert.

    Unter diesen Bedingungen müsste er auf jeden Fall politisches Asyl in Deutschland erhalten. Genau für Dissidenten wie ihn (und Snowden und Manning) wurde das Asylgesetz ursprünglich geschaffen. Dass wir zu feige sind es ihnen nach unseren eigenen Gesetz zu gewähren, auch wenn es Verbündete vergrätzt, ist ein Armutszeugnis.

  • wenn die bundesregierung es will kann sie die freilassung von Julian Assange zusammen mit anderen europäischen regierungen diskret zu einer conditio sine qua non für den fortschritt der brexit-verhandlungen machen.er wäre dann dass abschiedsgeschenk grossbritanniens für die europäische union.



    früher hat die brd politische gefangene aus den gefängnissen der ddr freigekauft.auch Juian Assange ist ein politischer häftling.

  • Dieser Beitrag ist schlecht geschrieben und berichtet auf sehr fragwürdige Weise entweder unbedarft oder bewusst selektiv. Sorry, taz, Journalismus geht anders 😨

    • @Koebe Kristina:

      Dem kann ich mich nur anschliessen.



      Ich glaube, man kann aus diesem Umstand schliessen, dass sich die gruene Boheme nicht sonderlich fuer Menschenrechte und Informationsfreiheit interessiert.

  • Julian hat seine Freiheitsstrafe im September 2019 abgesessen; derzeit ist er in Auslieferungshaft.

    Falls die Ausliferung in die USA abgewiesen wird, gibt es eine Auslieferungsersuchen Australiens (und Auslieferungen nach Australien sind, da Commonwealth, deutlich einfacher). Und Australien hat (wg. Five Eyes) ein Auslieferungsabkommen mit den USA.

  • 0G
    07324 (Profil gelöscht)

    Möchte einmal in meinem Leben einen "demokratischen" Kriegstreiber oder einen Waffenlieferanten, der durch Verkäufe für den Tod von tausenden verantwortlich ist, für 175 Jahre verurteilt sehen. Das wäre doch zur Abwechslung mal was.

    • @07324 (Profil gelöscht):

      Wenn Sie noch mindestens 175 Jahre warten können, wird das vielleicht auch mal geschehen (,-))