Verfahren gegen Amy Cooper eingestellt: Gerecht. Aber für wen?
Nach einem rassistischen Telefonanruf werden die Ermittlungen gegen Amy Cooper eingestellt. Sie nimmt stattdessen Therapiestunden.
Am 25. Mai 2020, dem Tag, an dem der Afroamerikaner George Floyd von Polizisten getötet wurde, rief Amy Cooper im New Yorker Central Park aus rassistischen Motiven die Polizei an. Der Schwarze Vogelbeobachter Christian Cooper hatte sie zuvor aufgefordert, ihren Hund anzuleinen, wie es in dem Parkabschnitt vorgeschrieben ist. Die weiße Amy Cooper setzte daraufhin einen Notruf ab und behauptete, dass ein afroamerikanischer Mann ihr Leben bedrohe.
Ein Video des Vogelbeobachters beweist nicht nur, dass die Bedrohung erfunden ist. Es wurde zu einem Symbol von Alltagsrassismus und Polizeigewalt in den USA. Ein Verdeutlichung davon, wie Weiße ihre Privilegien nutzen, um Schwarze Menschen zu gefährden.
Amy Cooper verlor ihren Job, die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf. Bei einer Verurteilung hätte Cooper mit einer bis zu einjährigen Haftstrafe rechnen müssen. Doch am Dienstag wurden die Ermittlungen eingestellt. Begründet wurde es damit, dass Cooper fünf Therapiessitzungen zum Thema Rassismus absolviert habe. Der Therapeut erklärte, es habe sich um eine „bewegende Erfahrung“ gehandelt und Cooper habe „viel gelernt“.
Dieses Vorgehen fällt unter restorative justice, wiedergutmachende Gerechtigkeit. Statt Freiheitsentzug müssen Täter:innen ihre Schuld eingestehen und ihre Taten als Dienst an der Gesellschaft wiedergutmachen. Es kann als Ergänzung oder Alternative zu klassischen Strafverfahren eingesetzt werden. In Deutschland lässt sich das Prinzip am ehesten im „Täter-Opfer-Ausgleich“ wiederfinden.
Restorative Justice ist nicht nur humaner, als Menschen jahrelang in Gefängnissen verrotten zu lassen, es ist auch erfolgversprechender. Studien legen nahe, dass die Opfer mit den Ergebnissen zufriedener sind und die Rückfallquote der Täter:innen deutlich niedriger ausfällt.
Im Fall Amy Cooper sollte klar sein, dass niemand in fünf Therapiesitzungen zur Antirassist:in wird. Rassismus zu verlernen, ist ein lebenslanger Prozess. Ein Prozess, der durch Therapie angestoßen werden kann, vielleicht sogar eher als durch einen Gefängnisaufenthalt. Ob das im Fall von Cooper gelungen ist, muss sich zeigen. Doch fest steht, gerecht ist Restorative Justice nur dann, wenn das Prinzip allen zur Verfügung steht, nicht nur denen mit weißen Privilegien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül