Ver.di bricht Tarifverhandlungen ab: Explosive Stimmung am Hafen
Die Verhandlungen zwischen Ver.di und dem Zentralverband der Seehäfen sind erneut unterbrochen. Die Wut ist bei den Hamburger Hafenarbeitern groß.
„Wir brauchen einen echten Inflationsausgleich, um die Beschäftigten in allen Betrieben nicht mit den Folgen der galoppierenden Preissteigerung allein zu lassen“, begründete Ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth das Nein der Ver.di-Tarifkommission zum Angebot der Arbeitgeber.
Während sich die Gewerkschafterin nun zurückhaltend über das weitere Vorgehen zeigt, ist die Wut der Beschäftigten auf die Arbeitgeber groß. Es steht womöglich ein längerer Arbeitskampf im Raum – und ein Tsunami an Containerschiffen wälzt nach dem Ende des Shanghai Lockdowns auf den Norden zu.
Schwiegershausen-Güth forderte den Zentralverband der deutschen Seehäfen (ZDS) zu Nachverhandlungen auf. Ver.di wolle ein Ergebnis am Verhandlungstisch erzielen und sehe, im Gegensatz zur Arbeitgeberseite, aktuell keine Notwendigkeit für einen Schlichter.
Erster Hafenstreik seit 1978
Die Arbeitgeber wollen jedoch von weiteren Verhandlungen nichts wissen. Sie hätten ihre Angebote wiederholt verbessert und seien sogar auf die Ver.di-Forderung eingegangen, die Inflationsrate zu übertreffen. Ver.di habe aber keinerlei Kompromissbereitschaft gezeigt. „Wir brauchen dringend ein Schlichtungsverfahren“, sagte die Verhandlungsführerin der Arbeitgeber, Ulrike Riedel.
Die Hafenarbeiter sind jedoch zunehmend verärgert über ihre Arbeitgeber. Das zeigte schon der 24-stündige Warnstreik in den Seehäfen Emden, Bremerhaven, Bremen, Brake, Wilhelmshaven und Hamburg mit 8.000 Teilnehmerinnen vor zwei Wochen.
Es war der erste Streik seit 1978. In den vergangenen zwei Jahren mit den Corona-Einschränkungen, Lockdowns und Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen ist es auf den Hafenterminals als systemrelevante Branche – bis auf eine kurzfristige Phase im Frühjahr 2020, als China wegen Corona alle Häfen geschlossen hatte – fast zu keinen wesentlichen Einbrüchen beim Betriebsablauf gekommen.
Große Hafenbetriebe wie die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) konnten sogar satte Gewinne durch die längeren Lager- und Verweilzeiten der Container auf den Anlagen verzeichnen. „Der Arbeitgeber stopft sich das Geld in die Tasche und wir sollen wieder leer ausgehen“, sagt ein HHLA-Mitarbeiter der taz.
Angst und Wut vor Jobverlust
Zudem sei die Arbeit derzeit von ungewöhnlichen Turbulenzen gekennzeichnet, weil Lieferketten durchbrochen worden waren und sich die Container auf den Hafenanlagen stapeln – verstärkt wurde das nun auch noch durch den Lockdown in Shanghai. Viele Containerriesen stauen sich derzeit allein vor der Elbmündung und warten auf Abfertigung in Hamburg.
„Es funktioniert einfach alles nun nicht mehr, sondern es herrscht regelrecht Chaos“, berichtet ein Hamburger Hafenarbeiter der taz. Sobald ein Schiff ankomme, sei der Druck hoch, möglichst schnell die Entladung zu erledigen. Auch die Beladung der Schiffe sei schwierig.
Die Belegschaften scheinen völlig unmotiviert, durch Mehrarbeit, Sonderschichten und Überstunden dem Chaos Abhilfe zu leisten. Zugleich herrscht – nicht nur wegen der Tarifrunde – eine hochexplosive Stimmung: „Warum sollen wir jetzt den Karren aus dem Dreck ziehen, wenn sie uns ohnehin loswerden wollen“, sagt ein Hafenarbeiter.
Seit 2020 stehen die Pläne im Raum, dass die beiden größten Konkurrenten in der Deutschen Bucht – Eurogate und HHLA – kooperieren und fusionieren wollen, um jeweils 50 bis 80 Millionen Euro Kosten zu reduzieren. Damit wollen HHLA und Eurogate den Häfen Rotterdam und Antwerpen Paroli bieten. Auch wenn die Fusion vorerst vom Tisch ist, wie die Beteiligten vergangene Woche bekanntgaben, kursieren in der Belegschaft die Gerüchte über Einsparungen und Automatisierungsvorhaben, Drohneneinsatz oder Hightech-Systeme zur Containerbeförderung weiter. Das sorgt für Angst, aber auch Wut.
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