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Verbraucherschützerin über Tierhaltung„Nur mit der Zange in den Kochtopf“

Die Hälfte der Hähnchen im Handel ist mit Durchfallerregern belastet. Eine Verbraucherschützerin gibt Tipps für Konsument*innen.

Gefahrgut: Der Verzehr könnte unangenehme Folgen haben Foto: ap
Jana Lapper
Interview von Jana Lapper

taz: An jedem zweiten Hähnchen im deutschen Handel wurde 2017 der Durchfallerreger Campylobacter gefunden. Wie kommt der dorthin?

Wiebke Franz: Der lebt zunächst im Darm der Hühner. Wenn sie bei der Schlachtung zerlegt werden, kann der Erreger an die Oberfläche der Tiere gelangen. Werden dann die gleichen Messer oder Ablageflächen verwendet, kann er von einem Hähnchen auf das nächste übertragen werden.

2011 waren noch nur 30 Prozent der Hähnchen im Handel betroffen. Warum sind es heute so viele mehr?

Das liegt an der Massentierhaltung. Wenn die Hühner sehr dicht gehalten werden, bekommen sie auch dieselben Krankheiten – sie tappen ja im selben Kot. Auch Antibiotika wirken nicht mehr, weil die Tiere resistent geworden sind. So verbreiten sich die Erreger immer schneller.

Wie gefährlich ist das für die Konsument*innen – und was können sie tun?

Kommt ein gesunder Erwachsener mit dem Erreger in Kontakt, bekommt er meist unangenehmen, aber harmlosen Durchfall. In Ausnahmen kann es zu schlimmeren Erkrankungen wie Nervenstörungen kommen, besonders bei Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist: Hochbetagte, Kleinkinder, ­Schwangere und stillende Mütter. Alle Konsumenten sollten Geflügel gut durchgaren und es mit einer Zange in den Kochtopf werfen. Bitte nicht waschen, sonst könnte die Spüle kontaminiert werden. Sollte das Hühnchen verschmutzt sein, lieber mit einem Papiertuch abtupfen und dieses anschließend sofort wegwerfen. Hygiene ist wichtig, denn es reichen schon sehr kleine Erregermengen für eine Infektion aus.

Bild: Privat
Im Interview: Wiebke Franz

,56, ist Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Hessen

In den USA werden die Erreger durch Chlor beseitigt, in Deutschland ist das nicht erlaubt. Warum?

Ich denke, wegen gesundheitlicher Bedenken. Auch beim Trinkwasser wird Chlor nur in Ausnahmefällen verwendet, etwa wenn das Leitungswasser an sehr heißen Sommertagen mit Keimen belastet ist. Tiefgefrieren reduziert die Keime auf den Hähnchen nur. Dafür hat man früher das Geflügel durch das immer gleiche Eisbad gezogen – so haben sich die Erreger noch mehr übertragen. Heute ist es üblich, jedes Tier einzeln aufzuhängen und zu beeisen. Aber Schlachthöfe bleiben die Hauptquelle für Erreger.

Was fordern Sie als Verbraucherschützer*innen von den Schlachthöfen?

Die Hygienebedingungen müssen besser werden. Das sagt sich natürlich so leicht. Die Arbeiter, die im Akkord schuften und schlecht entlohnt werden, haben kaum Zeit, nach jedem Hähnchen das Messer zu reinigen. Aber die Betreiber müssen eine Analyse durchführen und nach Lösungen suchen – alles zu kontaminieren ist auch keine Alternative.

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18 Kommentare

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  • Mannometer, ich lese in den Kommentaren mal wieder viel veganen Dünnschiss.



    Tierhaltung ist und bleibt Teil des (globalen) Kapitalismus und frühestens in ca. 200 Jahren werden wir über die heutige Zeit kopfschüttelnd staunen.

    • @Wuff:

      Also besser omnivoren Dünnschiss? Der soll ja viel schlimmer riechen als sein veganer Vertreter :)

      Sollte man ebenfalls auch nur mit der Zange / Kelle werfen - wegen der Keime, versteht sich!

  • "Immer mit kochend heißem Wasser übergießen. Nur so erhalten Sie ein sicheres Lebensmittel"

    Hauptsache auf jedem popeligen Tee muss so etwas lesbar sein. Kaum vorstellbar, dass die Kadaverlobby solche Hinweise auf Fleisch zulassen würde. Oder gibt es das doch?

  • Dass aus Lebensmittel nun Sondermüll wird, den man nur mit der Zange anfassen soll, ist eigentlich die eindeutigste Bankrotterklärung einer Lebensmittelindustrie, die jeglichen Respekt vor dem Leben verloren hat. Man sollte diese Industrie besser Krankheits- oder Seuchenindustrie nennen.

    Ich glaube keine Sekunde daran, dass Verbraucherverhalten nachhaltig das Produzentenverhalten beeinflussen kann, weil die Massenproduktion Grundlage des Massenkonsums ist. Wofür haben wir eine Regierung, die berechtigt ist, Gesetze und Verordnungen zu erlassen? Und wem gegenüber sollte diese Regierung verpflichtet sein? Offensichtlich ist die Demokratie ausgehebelt durch Lobbyismus und Korruption. Wir alle wissen das, selbst Dumme ahnen es, dass es so nicht weitergehen kann.

    Und die EU, die doch so gerne alles bürokratisch verordnet? Die optische Merkmale über Geschmack und Qualität stellt, was macht diese EU hinsichtlich Verbraucher- und Gesundheitsschutz? Klare Antwort: NICHTS.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "Alle Konsumenten sollten Geflügel gut durchgaren und es mit einer Zange in den Kochtopf werfen. Bitte nicht waschen, sonst könnte die Spüle kontaminiert werden. Sollte das Hühnchen verschmutzt sein, lieber mit einem Papiertuch abtupfen und dieses anschließend sofort wegwerfen. Hygiene ist wichtig, denn es reichen schon sehr kleine Erregermengen für eine Infektion aus."

    Klingt eher nach Tipps für den Umgang mit Sondermüll, als mit einem Lebensmittel.

  • "Alle Konsumenten sollten Geflügel gut durchgaren und es mit einer Zange in den Kochtopf werfen."

    Aus wieviel Meter Abstand sollte man denn das Geflügel in den Topf werfen? Ich bitte um genauere Angaben!

    "Bitte nicht waschen, sonst könnte die Spüle kontaminiert werden."

    Wie wär's denn mit Spüle säubern und Hände waschen? Hä?

    • @Rossignol:

      Naja, es gibt Keime und Bakterien (die o.g. genannten gehören sicher dazu), da nutzt es nicht viel, sich nur mal eben die Hände zu waschen oder zu desinfizieren. Man könnte die Hygieneanweisungen zur Handreinigung aus Krankenhäusern auf die Verpackungen drucken ;)

  • Was ich nur mit einer Zange anfassen kann, esse ich nicht.



    Wer immer noch glaubt, Essen müsse v.a. billig sein, der wird eben dieses scheussliche Zeugs vorgesetzt bekommen: Keime, Fett, Wasser, schlabbriges Fleisch. Einen guten Appetit.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    die aufteilung des menschlichen daseins in verbraucher und produzenten, die beide den maximalen eigenen vorteil verfolgen ist die natürliche funktionsweise des kapitalismus. ethik ist ein persönliches hobby - ohne gewinnerzielungsabsicht. tiere essen, scheißerei - scheißegal, solange alle beteiligten so weitermachen können. mit der zange kann man auch noch die hosen anziehen, wenn es mal erforderlich werden würde und dadurch die verbraucher, die industrie oder beide dazu befähigt würden, weiterzumachen wie gehabt.

  • Manche Leute zerlegen das frissche Hendl, um Keulen und Brust extra zu braten. Wie soll das mit der Zange gehen?

  • Wieder so ein Beweis dafür wie babarisch, rückwärtsgewand und ekeleregend unsere stetige gesteigerte Gier nach toten Tier ist. Nur deswegen gibt es die Massentierhaltung und diese Skandale !



    Selbst Ernährungsberater beraten lieber wie dieses Widerwärtige ertragbar gemacht werden kann als vom Verzehr von qequälten Tieren dringend abzuraten.



    Mit nur einem Fünkchen Verstand und Empathie vom Konsumenten könnte die Massentierhaltung direkt gestoppt werden und somit das erhöhte Krankheitsrisiko bei Mensch und Tier weitgehend minimiert werden: Den Verzicht auf Tierprodukte, zumindest aus Massentierhaltung.



    Aber das löst bei den meisten Menschen ja eher Weltuntergangsstimmung aus. Billigschnitzel schmeckt halt so gut.



    Und immer diese doofen Moralisten.



    Also wir weiter gefressen. Ganz ohne Moral.

    • @Traverso:

      Yep, meine erste Reaktion auf "was können Konsument*innen tun" war auch: "aufhören, Fleisch zu essen". :)

  • Das sicherste ist immer noch kein Hühnchen zu kaufen und sich lecker und ausgewogen vegan zu ernähren. Es gibt auch gutes regionales Wintergemüse, ganz ohne Killerbakterien...

  • "Alle Konsumenten sollten Geflügel gut durchgaren und es mit einer Zange in den Kochtopf werfen .... usw. usw."

    Das ist mit Abstand nicht nur der schlechteste Rat, sondern gleichzeitig auch dummdreist.

    Eine sichere Methode ist dagegen, solches Fleisch nicht mehr zu kaufen. Wo die Kundschaft weitgehend wegbricht, da ändert sich ganz schnell nahezu vollautomatisch vieles.

    • @wxyz:

      Der Dünnpfiff ist die gerechte Strafe für solche Konsum- und Essgewohnheiten.

      • @Kunz:

        wenn's auf der verpackung draustünde, würde ich ihnen recht geben.

        • @Salbatar Cagrian:

          Was soll wo draufstehen? Der Verzehr von gequälten, während ihres ganzen Lebens und bei ihrem gewaltsamen Tod durch ihre eigene Scheiße gezogenen Kreaturen kann zu Diarrhö führen? Schade, dass es nur Diarrhö ist.