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Verbot von Werkverträgen beschlossenFür faire Arbeit am Fleisch

Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie sollen verboten werden. Ziel ist es, die durch Corona sichtbar gewordenen Arbeitsbedingungen zu verbessern.

In der Fleischindustrie sollen künftig nur Festangestellte arbeiten Foto: dpa

BERLIN reuters/afp | Werkverträge und Leiharbeit sollen vom kommenden Jahr an in der Fleischindustrie verboten sein. Die Bundesregierung brachte am Mittwoch Regierungskreisen zufolge einen entsprechenden Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf den Weg.

Sie reagiert damit auf die Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen und auf die jahrelange Diskussion über schlechte Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Beim Schlachten, Zerlegen und in der Fleischverarbeitung dürfen Großbetriebe ab 2021 nur noch eigene Arbeitnehmer einsetzen.

„Wir wollen, dass Menschen festangestellt werden und dass Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz und faire Arbeitsbedingungen auch gewährleistet sind“, fasste Heil die Ziele des geplanten Gesetzes zusammen. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass „durch diese Art von Sub-Sub-Sub-Unternehmertum Verantwortung nicht übernommen wurde“. Das sei „vor Corona schon eine Katastrophe“ gewesen, sei aber zum allgemeinen Pandemierisiko geworden. „Deshalb will ich da aufräumen, und zwar gründlich.“

Ausgenommen von dem Verbot sind laut dem Reuters vorliegenden überarbeiteten Entwurf Unternehmen des Fleischerhandwerks mit höchstens 49 Beschäftigten. In einem ersten Entwurf war die Grenze bei 30 Beschäftigten gezogen worden.

Kontrollen in einer 40-Milliarden-Euro-Branche

Das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz schreibt auch eine Mindestbesichtigungsquote bei Kontrollen vor: Ab 2026 soll pro Jahr mindestens jeder 20. Betrieb besucht werden. Die Arbeitszeit muss künftig zudem elektronisch aufgezeichnet werden, um Kontrollen zu erleichtern.

Der Gesetzentwurf betrifft eine 40-Milliarden-Euro-Branche. Die neuen Regeln sollen sicherstellen, dass Schlachthof-Betreiber die Verantwortung für Missstände nicht länger auf Subunternehmer abwälzen können, die über Werkverträge Arbeitsleistungen erbringen.

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6 Kommentare

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  • Nach der Subunternehmerregelung für die Logistikbranche im Frühjahr jetzt also eine Regelung für Schlachthöfe. Im November dann eine für Blumenpflücker, im April für Spargelstecher.



    Und alle 20 Jahre wird kontrolliert, ob die Gesetze auch eingehalten werden.



    Wie wäre es denn, wenn wir statt dieses Aktionismus im Takt von BILD-Schlagzeilen einfach mal die Gesetze umsetzen, die wir schon haben. Und im Zweifelsfall nachschärfen, wenn irgendwo getrickst wird?



    Die Fleischbarone brechen Arbeitsschutzgesetze, das Mindestlohngesetz, die Corona-Schutzregeln und offenbar noch einen ganzen Blumensstrauß anderer Vorschriften.



    Warum werden die weder kontrolliert noch von den Behörden korrekt umgesetzt? Tönnies Hygieneplan wurde im Mai genehmigt, obwohl die Zustände im Werk und in den Wohnungen Behörden und Regierung bekannt waren. Genehmigt - der Staat wusste also, dass die Regeln gebrochen werden, und hat trotzdem zugestimmt!

  • Ich dachte zuerst Werksverträge sollen für alle Branchen verboten werden, nicht nur für die Fleischindustrie. Sehr enttäuschend aus meiner Sicht.

  • Naja, das hat alles zwei Seiten. Natürlich gibt es womöglich bald keine Massenquartiere mehr, in der rumänische Schlachter billigst hausen. Aber die andere Seite ist die, daß genau dieselben rumänischen Schlachter, die hier ihre Arbeitsplätze gefunden hatten, in Rumänien als Leute galten, die einen sozialen Aufsteig erreicht hatten. Denn die alle konnten Geld nach hause schicken. Jetzt haben wir für uns gefühlt einen Schwachpunkt erledigt, aber mit ihm zusammen auch gleich vermutlich tausende Arbeitsplätze. Auch wenn sie mies waren, waren sie heiß begehrt. Haben wir das jetzt wirklich richtig gemacht?

  • "Ausgenommen von dem Verbot sind laut dem Reuters vorliegenden überarbeiteten Entwurf Unternehmen des Fleischerhandwerks mit höchstens 49 Beschäftigten. In einem ersten Entwurf war die Grenze bei 30 Beschäftigten gezogen worden."



    Weil diese vom Verbot ausgenommenen Werkvertragsarbeiter*innen andere Arbeitsbedingungen und Löhne vorfinden wie die von größeren Unternehmen? Tolle Sache! Glückwunsch SPD! Wer hat uns verraten ... ? Ich halte ja Selbstversuche für eine gute Idee um hinzu lernen zu können. Ich schlage vor, Hubertus Heil und Gleichgesinnte, zu Arbeit zu Werkvertragsbedingungen im Schlachthof zu verpflichten - selbstverständlich zu dortigen Werkvertragslohn. Hiernach sollten Jene sanktioniertes HartzIV, Friseur*innenjob, mehrere Niedriglohnjobs, durch Flaschensammeln aufzubessernde mickrige Rente ... ausprobieren.

    • @Uranus:

      Einverstanden!

      Mich würde es nicht wundern wenn Tönnies seine Anzahl an Angestellten durch irgendeinen Winkelzug noch auf 48 Mitarbeitende drückt.

      Auch schön, dass für die SPD (und CDU...aber wer erwartet irgendwas von der CDU) Arbeitnehmerrechte und fairness erst interessant werden wenn die Zombieapokalypse droht. Hartz 4 kommt dann bei der nächsten Pandemie weg.



      Leiharbeit und Werksverträge gehören bitte generell abgeschafft oder wie in anderen Ländern über normlallohn bezahlt, damit die unsicherheit und/oder felxibilität ausgeglichen wird.

  • Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie waren längst bekannt. Ebenso wie in etlichen anderen Branchen. "Sichtbar" war es den Verantwortlichen längst, man wollte halt keine schlafenden Hunde wecken. Hr. Heil braucht sich da gar nicht als Held der Arbeit aufspielen mit dieser als populistisch zu wertenden Massnahme, solange nicht das Problem der Werksverträge in der Breite angegangen wird.