Verband von Holocaustüberlebenden: VVN-BdA wieder gemeinnützig
Dem Verband der Holocaustüberlebenden wurde 2019 die Gemeinnützigkeit entzogen. Nun lenkt das Finanzamt ein. Ganz ausgestanden ist der Streit nicht.
Nach „eingehender Prüfung“ könne dieser Status wieder gewährt werden, heißt es in einem Schreiben des Berliner Finanzamtes für Körperschaften I vom Mittwoch, das der taz vorliegt. Grund dafür sei, dass der Bundesverband der VVN-BdA nicht mehr vom bayerischen Verfassungsschutz als extremistische Organisation aufgeführt werde. Auch gebe es nach derzeitigem Stand keine Erkenntnisse, dass der Bundesverband anderweitig als extremistisch einzustufen sei. Der Paragraph 51 der Abgabenordnung, der eine Steuervergünstigung für verfassungswidrige Organisationen ausschließt, stehe damit – zumindest für das Jahr 2019 – einer Gemeinnützigkeit „nicht im Wege“.
Tatsächlich hatte der bayerische Geheimdienst – als einziger bundesweit – in den vergangenen Jahren nicht nur den Landesverband der VVN-BdA als extremistisch eingestuft, sondern auch den Bundesverband. Die Begründung: Der Verband sei die „bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus“ und kooperiere „mit offenen linksextremistischen Kräften“.
Das Berliner Finanzamt hatte auf diese Einstufung in Bayern verwiesen und auf den Passus der Abgabenordnung: Der Entzug der Gemeinnützigkeit sei damit rechtlich „zwingend“. Daraufhin erfolgte die Aberkennung rückwirkend bis 2016 und eine Steuernachforderung im fünfstelligen Bereich – und der öffentliche Proteststurm. Im aktuellen Jahresbericht des bayerischen Verfassungsschutzes wurde nun aber erstmals nur noch der Landesverband der VVN-BdA als extremistisch aufgeführt.
Bundesvorsitzende reagiert erleichtert
Die VVN-BdA nannte die Vorwürfe von Anfang an haltlos. Nach der Kehrtwende des Finanzamtes spricht deren Vorsitzende Cornelia Kerth von „Erleichterung und Zuversicht“, dass bald auch für die Jahre 2016 bis 2018 eine Lösung gefunden wird. „Hier bleibt ein dicker Brocken, aber wir sind hoffnungsvoll.“ Die breite Solidarität habe jedenfalls gezeigt, welche Bedeutung die VVN-BdA weiterhin habe, sagte Kerth am Donnerstag der taz.
Das Berliner Finanzamt äußert sich zu dem Rechtsstreit nicht. Zu Einzelfällen bei Steuerangelegenheiten dürfe man sich grundsätzlich nicht äußern. Die Verhandlungen über die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2016 bis 2018 werden nun fortgeführt. Die Steuernachforderungen sind vorerst ausgesetzt.
Die VVN-BdA war 1947 von Holocaustüberlebenden gegründet worden und zählt aktuell rund 7.000 Mitglieder. Inzwischen sind vor allem später geborene Menschen aktiv, welche die Erinnerung und das Anliegen der Zeitzeugen hochhalten. Nach dem Entzug der Gemeinnützigkeit hatten auch Überlebende wie Esther Bejarano, Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, in einem Brief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) appelliert, die „unsägliche, ungerechte Entscheidung“ zu ihrem Verband rückgängig zu machen. Nun ist der erste Schritt vollbracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen