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Vaterschaft vor dem VerfassungsgerichtIm Patchworkland mit zwei Vätern

Das Bundesverfassungsgericht könnte eine Liberalisierung des Familienrechts beschließen. Zwei rechtliche Väter könnten neben der Mutter stehen.

Ist es der biologische Vater, oder der rechtliche? Foto: Julian Stratenschulte/picture alliance

Karlsruhe taz | Ein Junge aus Sachsen-Anhalt könnte bald drei Elternteile haben: seine Mutter, seinen biologischen Vater und den neuen Freund der Mutter. In der Praxis gibt es solche Patchwork-Verhältnisse schon lange. Rechtlich sind drei gleichberechtigte Elternteile bisher ausgeschlossen. Doch das Bundesverfassungsgericht denkt über eine Anpassung des Rechts an moderne Verhältnisse nach.

An diesem Dienstag wurde der Fall aus Sachsen-Anhalt vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt. Eine Frau hat mit ihrem Freund ein geplantes Kind gezeugt. Im April 2020 kam es zur Welt. Doch schon im Juni trennte sie sich vom biologischen Vater des Kindes. Dieser wollte zwar die Vaterschaft anerkennen, doch die Mutter ließ den Termin auf dem Standesamt platzen. Sie hatte einen neuen Freund, der alsbald bei ihr einzog und nun seinerseits die Vaterschaft des Säuglings anerkannte.

Doch der biologische Vater kämpfte um seinen Status und focht die Vaterschaft des neuen Partners der Mutter an. Ein Abstammungsgutachten belegte zwar, dass er eindeutig der biologische Vater ist. Dennoch lehnte das Oberlandesgericht Naumburg die Anfechtung ab. Laut Gesetz kann ein biologischer Vater die Vaterschaft des rechtlichen Vaters nicht anfechten, wenn dieser eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat.

Der biologische Vater, inzwischen 44 Jahre alt, gab nicht auf und erhob Verfassungsbeschwerde, sowohl gegen das Naumburger Urteil als auch gegen die gesetzliche Grundlage. Der Fall hat also grundsätzliche Bedeutung.

Mehr Flexibilität für die Gerichte

Seine Anwältin Franziska Köpke sagte: „Das Elternrecht meines Mandanten ist verletzt, weil er keine Chance hat, rechtlicher Vater zu werden“. Die rechtliche Vaterschaft wolle er nutzen, um ein gemeinsames Sorgerecht mit der Mutter zu erlangen. Derzeit habe er nur ein gelegentliches Umgangsrecht und auch das habe er sich gerichtlich erkämpfen müssen.

Die Vertreterin der Bundesregierung, Justizstaatssekretärin Angelika Schlunck, ließ Sympathien für die Verfassungsbeschwerde erkennen. „Eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes ist möglich“, sagte Schlunck, „die Gerichte brauchen mehr Flexibilität bei der Feststellung der Vaterschaft.“

Die Mutter will jedoch verhindern, dass ihr Ex-Freund auch zum rechtlichen Vater des inzwischen dreijährigen Jungen wird. Ihr Anwalt Dirk Siegfried sagte in Karlsruhe, der biologische Vater wolle sich nur „konfrontativ in die Beziehung von Mutter und rechtlichem Vater drängen“.

Unterstützt wurde sie vom Deutschen Juristinnenbund. „Wenn der biologische Vater am Sorgerecht beteiligt wird, ist das ein Einfallstor für viele weitere Konflikte, zum Beispiel um den Wohnort oder die Schulwahl“, warnte Vizepräsidentin Lucy Chebout.

Frühere Rechtsprechung korrigieren

Das Bundesverfassungsgericht hat nun drei Möglichkeiten. Wenn es die Verfassungsbeschwerde des biologischen Vaters ablehnt, bleibt der neue Freund rechtlicher Vater des Jungen. Wenn es der Verfassungsbeschwerde stattgibt, muss das Gericht in Naumburg neu entscheiden. Es könnte dann zum Beispiel darauf abstellen, dass der biologische Vater bereits eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hatte, als er die Vaterschaft anerkennen wollte und dann ausgebremst wurde.

Das Gericht könnte aber auch einen ganz gewagten Schritt gehen und den Weg zur rechtlichen Vaterschaft beider Männer ebnen. Dazu müssten die Karlsruher Rich­te­r:in­nen aber erst einmal ihre eigene Rechtsprechung korrigieren. Noch 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein Kind maximal zwei Elternteile haben soll, um Komplikationen zu vermeiden.

Kaum Forschung zum Kindeswohl

Darüber wollen die Rich­te­r:in­nen nun aber ausdrücklich noch einmal nachdenken, weshalb sie zur Verhandlung viele psychologische und familienrechtliche Sachverständige eingeladen hatten. Diese konnten allerdings nur bedingt weiterhelfen, es gebe kaum Forschung, wie sich Familien mit drei rechtlichen Elternteilen aufs Kindeswohl auswirken.

Allerdings habe es in ähnlichen Konstellationen keine zusätzlichen Konflikte gegeben, etwa bei Stiefkindfamilien, die Kontakt zum ursprünglichen Vater halten oder wenn bei ­in-vitro gezeugten Kindern der Samenspender ins Familienleben integriert wird.

Das mit Spannung erwartete Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

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20 Kommentare

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  • 1)



    Im oberen Teil des Artikels fehlen mir Informationen. Wieso kann die Mutter die Vaterschaftsanerkennung durch Termin-Platzen-Lassen verhindern? Wieso braucht es überhaupt eine Mitwirkung der Mutter daran? Ist es nicht eine Sache zwischen dem Mann und der Gesellschaft (vertreten durchs Standesamt) wenn er die Vaterschaft anerkennt (und sie ggf. nachweist)? Hier fehlen mir die Hintergründe zur aktuell bestehenden Rechtslage.

    2)



    Soweit zum Ist. Nun zum Soll. Braucht es über haupt Väter? Ich frage dies, nachdem eine Formulierung einer Matriarchatsforscherin, etwa: ab dem Zeitpunkt gab es Vaterschaft, mir gezeigt hat, dass dies nicht selbstverständlich ist, sondern vermutlich eher Teil des Patriarchats.

    Wenn also ein Kind geboren wird, ist relativ klar, wer die Mutter ist, denn diese ist bei der Geburt, oft recht aktiv, mit dabei. Mal von Leihmutterschaft abgesehen. Wer dann der Mann war, von dem das Kind leiblich abstammt, muss nicht gefragt werden.

    So gesehen würde es genügen, wenn die leibliche, also gebärende Mutter das Sorgerecht bekommt.

    Die Väter, ob echt, rechtlich, heimlich, biologisch, verheiratet, verpatchworked oder was auch immer, wären dann raus.

    Entsteht natürlich gleich die Problematik: ah, Rechte sollen wir Männer keine haben, aber zahlen sollen wir schon. Oder umgekehrt: na toll, die Männer sind fein raus, müssen nix zahlen und an uns Frauen bleibt es hängen.

    Wäre es da nicht gerechter, alle Männer, egal ob bzw. wieviele und welche leiblichen Kinder sie haben, analog der Einkommensteuer zahlen zu lassen und damit die finanzielle Unterstützung der nun allein sorgeberechtigten und allein unterhaltspflichtigen Mütter zu finanzieren. Oder, vermutlich besser, nicht nur alle Männer, sondern alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht, dazu ranziehen, je nach Finanzkraft, wie bei der Einkommensteuer.

    • @Brombeertee:

      Ein Vaterschaftsanerkenntnis wird nur mit Zustimmung der Mutter wirksam.

  • Die Behauptung, "der biologische Vater wolle sich nur konfrontativ in die Beziehung von Mutter und rechtlichem Vater drängen" ist ein glatte Umkehrung von dem, was ja offenbar stattgefunden hat. Der neue Freund hatte sich kurz nach der Geburt in die Beziehung zwischen Vater und Kind gedrängt.

    Ein wirklich anständiger Mann hätte in diesem Stadium zu den Avancen der Frau gesagt: Du hast gerade mit einem anderen Mann ein Kind bekommen und der will seine Vaterrolle auch annehmen. Es wäre für mich unangemessen, jetzt mit dir eine Beziehung einzugehen. Bringt eure Beziehung in Ordnung und kümmert euch gemeinsam um euer Kind.

    • @Winnetaz:

      Dies ist ein freies Land. Die Menschen entscheiden selbst, wie und mit wem sie leben. Das ist vielleicht unter best. Gesichtpunkten nicht angenehm, aber illegal oder besonders verwerflich ist es nicht. Ein biologischer Vater wird nach der aktuellen Rechtslage immer Probleme bekommen, wenn eine Familie so auseinanderfällt. Und am Ende ist es so: Die Partnerwahl sollte jeder sehr gut vornehmen ... Weil es hier frei ist und jeder in einem best. Rahmen erhebliche Entscheidungsmöglichkeiten hat.

      • @Andreas_2020:

        Natürlich kann man jederzeit mit einer frisch getrennten Frau eine Beziehung eingehen. Die Vaterschaft anerkennen, um den leiblichen Vater zu entrechten - das ist aber etwas anderes und geht über "Freiheit" doch hinaus. Es ist altmodisch gesagt "unanständig".

    • @Winnetaz:

      Das die Mutter als Frau eine neue Beziehung einging, ist eine Ebene und sollte ihr gutes Recht sein. Dass sie - hofiert durch Institutionen, Rechtsbeistände, nationaldeutsche systemische Benachteiligungen des leiblichen Vaters und Ideolog:innen im Dt. Juristinnenbund - das Kind als einen vom leiblichen Vater zu schützenden Besitz begreift, hat systemische Konfrontationsanreize, die in Ländern wie Dänemark auch schon bei drohendem Beziehungsabbruch zum anderen Elternteil durch den obersten Gerichtshof mit Sorgerechtsentzug quittiert werden. Im Artikel wird diese 4. rechtliche Option als Denkmöglichkeit erst gar nicht erwähnt.

  • Ich finde eher spannend, dass der Juristinnenbund diesen offensichtlichen Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung, den leiblichen - und als solchen ursprünglich auch durchaus angedachten - Vater zu entrechten. Dieser Verband sollte sich dan zukünftig allerdings mit Vorwürfen zurückhalten, Väter würden sich nicht ausreichend beteiligen. Beides passt jedenfalls nicht zusammen, hier Väter mit dem Wunsch nach Beteiligung heraustricksen, dort klagen, warum sie es nicht tun.

  • Was der Artikel nicht als Denkmöglichkeit (nach Zurückverweisung an das OLG) nicht einmal andiskutiert, ist eine vierte rechtliche Option, die bei drohendem bzw. vollzogenem, trennugsinduziertem Beziehungsabbruch auch in anderen Länden (oberster Gerichtshof in Dänemark etwa) bereirs praktiziert wurde: der Mutter oder hier den Ehepartnern (zumindest zeitweilig) das Sorgerecht entziehen. Internationale Forschungen zum Kindeswohl gibt es ja entgegen der unqualifizierten Leerfloskel im Artikel sehr wohl und nicht wenige.

    • @E. H.:

      Sobald der Vater als Vater anerkannt ist, wird er neben dem Umgangsrecht möglicherweise auch das Sorgerecht beantragen und es könnten sogar sein, dass er Chancen hat, weil die Mutter offenbar keine Bindungstoleranz hat (ihrem Kind die Bindung zum Vater unmöglich machen will, laut anderem Artikel war es bei früheren Vätern auch so).

  • 6G
    665119 (Profil gelöscht)

    Merkwürdig wie übermächtig die Rolle der Mutter in dieser Frage ist.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Im Falle des an der Zeugung eines Kindes beteiligten Mannes spricht man übrigens vom „leiblichen Vater“.

  • Der Fall zeigt auch, welche Schwierigkeiten Väter haben, weil der Status der Mutter eben an die Biologie gebunden wird, eine Mutter, die ein Kind auf die Welt bringt, ist automatisch die Mutter. Bei Vätern sieht das anders aus und es kommt oft vor, dass Beziehungen kurz nach der Geburt aufgelöst werden, oft leider auch im Streit oder Konflikt. Die Väter haben dann kaum noch Chancen. Und auch viele Großeltern haben ein biologisches Enkelkind, das oft kaum Kontakt zu den Großeltern hat. Das ist jetzt die Kehrseite eine bunden, vielschichtigen Welt, wo alles geht, bis es dann strittig und damit juristisch wird.



    Und was ist das Kindeswohl im Kern?



    Wenn es danach geht, müsste diese Klage sofort abgewiesen werden. Weil dem Kind geht es gut, es hat Mutter und Vater (rechtlich). Eigentlich ist hier eine Person über: Der biologische Vater, der wird eigentlich gar nicht mehr gebraucht.



    Übrigens ist er dennoch Unterhaltspflichtig. Zahlen ist in dieser Konstellation kein Problem.



    Ich bin gespannt. Eigentlich ist es eien Wahl zwischen Pest und Cholera: Zwei rechtliche Väter ... das dürfte erhebliche Regulierung erzeugen.

  • Die Debatte zeigt, dass das eigentliche kindeswohlrelevante Problem nicht Patchwork und nicht das in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Recht des Kindes (auch) suf die biologische Elternschaft ist, auch nicht die ausufernde internationale Forschungslage (auch in stärker feministisch geprägten Ländern wie Schweden) zum Kindeswohl jenseits des methodologischen deutschen Nationalismus, sondern insbes. die um gerichtswirtschaftsnahe Streitwerte und rechtspolitische Wahrheitsansprüche streitende Streitbewirtschaftungsbranche u.a. mit selbsterklärten Repräsentant:innen im Dt. Juristinnenbund, die zwar in der alten Tradition des "langen Schattens der deutschen Mutter" (Prof. Barbara Vinken) ein Problem mit gleichberechtigter Elternschaft nach Elterntrennung haben und ihre methodologisch nationalistischen Vorurteile mit Kindeswohlbegriffen und konfrontationsinduzierenden Einfallstor-Argumenten kaschieren, aber mit umgekehrten Argumenten nichts gegen die lesbische Mit-Mutterschaft haben: www.djb.de/presse/...gen/detail/pm19-12

    • @E. H.:

      Ein weiterer Widerspruch, den Sie dieser Lobby-Organisation nachweisen.

  • lustige verdrehung. hätte der mann seine freundin geheiratet, hätte er noch nicht einmal der biologische vater sein müssen, es wäre rechtlich sein kind.



    in diesem fall finde ich es ziemlich unfair, dass - im falle die parteien können es nicht sozial lösen - das machtverhältnis der mutter und ihrem neuen freund die einflussnahme des vaters verhindert.



    wie dem auch sei, das eigentliche problem sind wohl in der tat kleinfamiliäre strukturen, die das recht irgendwie in bahnen lenken will, ungeachtet des emotionalen beziehungsgewebes. lebten wir in gruppen, wäre das kein problem. aber kleinfamilienstrukturen im zeitalter des eigentums rechtlich passend zu machen, bleibt letzendlich eine lächerliche angelegenheit.

  • Merkwürdig. Haben biologische Väter und Mütter nicht die gleichen Rechte? Wieso muss ein Vater überhaupt für ein Recht an seinem Kind kämpfen? Wieso darf eine Mutter ohne dessen Einverständnis einen Dritten zum "rechtlichen Vater" machen? Wie soll der Vater denn anders zu seinem Recht kommen, als konfrontativ, wenn die Mutter seine Rechte behindert? Macht man sich nicht strafbar, wenn man einem Elternteil die Rechte an dessen Kindern verwehrt? Müsste hier nicht viel eher über dad Sorgerecht der Mutter und des "rechtlichen Vaters" verhandelt werden?

    • @Ruediger:

      Ohne Konfrontation keine gerichtsverfahrensinduzierten Streitwerte in der anwaltlichen und familialen Streitbewirtschaftungsbranche!

  • Der biologische Vater und die biologische Mutter sollten stets als Eltern anerkannt werden und die Elternschaft auch abschließend übertragen können und zwar unabhängig von Heirat oder anderen Bindungen. Eine Übertragungserklärung sollte dabei stets unwiderruflich sein. Mehr als zwei Eltern sollte es nicht geben.

    • @DiMa:

      Das klingt nach einer fairen Regelung.

      Die heute gültige Regel, dass ein Ehemann der Mutter automatisch rechtlicher Vater ist, war schon immer bedenklich und unehrlich. Auf der einen Seite erlaubte sie leiblichen Vätern sich heimlich aus der Verantwortung zu stehlen. Auf der anderen Seite verwehrte sie Vätern, die ihre Rolle gerne angenommen hätten, ihre Rechte.

      Kurzum: Wer Manns genug ist, ein Kind zu zeugen, der hat auch Verantwortung für das neue Leben. Das sollte genauso selbstverständlich wie bei Müttern sein.